23
Apr
12

Bundesgerichtshof : Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt auch bei GmbH-Geschäftsführer

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Fragestellung, ob die Ablehnung einer weiteren Beschäftigung eines auf eine bestimmte Dauer bestellter Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fällt, bejaht.

 

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Amtszeit am 31.08.2009 der medizinische Geschäftsführer der beklagten Kliniken der Stadt Köln, einer GmbH. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von der Stadt Köln gehalten. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat über den Abschluss, die Aufhebung und die Änderung des Dienstvertrags der Geschäftsführer zu entscheiden.

In dem mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers war vereinbart, dass die Vertragsparteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitteilten, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit waren. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss im Oktober 2008, das Anstellungsverhältnis mit dem im Zeitpunkt der (regulären) Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht über den 31.08.2009 hinaus fortzusetzen. Die Stelle des medizinischen Geschäftsführers wurde vielmehr mit einem 41-jährigen Mitbewerber besetzt. Im vorliegenden Falle hatte der Aufsichtsratsvorsitzende darüber hinaus gegenüber der Presse erklärt, dass man wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ einen Bewerber gewählt habe, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne.

Der Kläger  hatte nun die Auffassung vertreten, dass ihm der Neuabschluss seines Dienstvertrags sowie die weitere Bestellung als Geschäftsführer nur deswegen versagt worden sei, weil er dem Aufsichtsrat zu alt erscheine. Dies verstoße aber gegen das Altersdiskriminierungsverbot des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Er hat mit dieser Begründung Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben, statt des beantragten Ersatzes des immateriellen Schadens in Höhe von 110.000 Euro jedoch nur 36.600 Euro zugesprochen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt worden, bestätigt.

Fraglich war zunächst, ob der persönliche Anwendungsbereich des AGG überhaupt eröffnet war. Dazu ist die Regelung in § 6 AGG heranzuziehen:

§ 6 AGG — Persönlicher Anwendungsbereich

 

(1) 1Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

 

1.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

2.

die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,

3.

Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.

 

2Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

 

(2) 1Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. 2Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. 3Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

 

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

 

Hier ist nun der Absatz 3 einschlägig, denn hiernach findet das Gesetz Anwendung auf Geschäftsführer einer GmbH, soweit es um den Zugang zu dem Geschäftsführeramt und um den beruflichen Aufstieg geht.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist auch die Entscheidung über die Frage, ob der Geschäftsführer erneut bestellt werden soll, nach dem seine bisherige Bestellung ausgelaufen war auch eine Entscheidung über den Zugang zu dem Amt.

Das bedeutet, dass Zugang im Sinne dieser Vorschrift nicht nur den erstmaligen Zugang bedeutet sondern in Fallkonstellationen wie in dieser eine immer wieder neue Überprüfung erlaubt.

Weiter hat der Senat die Beweislastregel des § 22 AGG angewendet.

§ 22 AGG — Beweislast

 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

 

Die in § 1 genannten Gründe sind nun folgende:

 

1 AGG — Ziel des Gesetzes

 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

 

Im vorliegenden Falle war seitens des Klägers eine Benachteiligung wegen Alters gesehen worden.

Die Beweislastregel hierauf angewandt besagt nun, dass der Kläger  nur Indizien beweisen muss, aus denen sich eine Diskriminierung ergibt.

Der Kläger muss nicht die Benachteiligung an sich beweisen, vielmehr hat dann das Unternehmen zu beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist.

Die Presseerklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Stellenbesetzung hatte der Senat als ausreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Die Beklagte hat den damit ihr obliegenden Gegenbeweis nicht geführt.

Selbst wenn eine Diskriminierung vorliegt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob nicht diese ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass die Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht aus den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorgesehenen Gründen gerechtfertigt war.

 

Damit hat der Kläger Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen Schadens. Aufgrund von Fehlern bei der Feststellung dieses Schadens hat der Senat das angefochtene Urteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 163/10

 

LG Köln – Urteil vom 27.11.2009 – 87 O 71/09

 

 

04
Jun
10

Erben und Vererben: Infobroschüre zum download (via elfstricheins)

eine neue Infobroschüre zum ISUV-Votrag

Im Nachgang zur ISUV-Veranstaltung vom vergangenen Mittwoch habe ich hier den Info-Flyer zum download bereitgestellt: Erben und Vererben Flyer … Read More

via elfstricheins

13
Apr
10

Schadenersatzansprüche gegen den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gehen auch bei Altfällen nicht auf den Kfz-Kasko-Versicherer über

Herr A hatte ein Auto, das er bei der Versicherung V kaskoversichert hatte. Dieses Auto wurde bei einem Verkehrsunfall, den die Frau B als Fahrerin verursacht hatte, zerstört.  Die Versicherung V regulierte den Schaden und nahm dafür Frau B in Regress.

Weil der Unfall bereits vor der Novellierung des VVG stattfand, war noch altes Recht anzuwenden.

Der Regress richtete sich nach dem alten § 67 Absatz 1 VVG,

„Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.“

Im novellierten VV G heisst die entsprechende Norm:

„(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.“

Nun verhielt es sich so, dass Frau B mit Herrn A in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebte.

Damals gab es den § 67 Abs. 2 VVG und der lautete wie folgt:

„Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.“

Seit der Novelle ist der Anwendungskreis weiter gefasst und lautet im neuen § 86 VVG im dortigen Absatz 3 wie nachstehend:

„(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.“

Die Versicherung klagte gegen die Frau B.

Diese hatte sich im Prozess darauf berufen, dass sie und der Herr A seit Jahren einen gemeinsamen Hausstand führten und ein 1999 geborenes gemeinsames Kind hätten.

Die elterliche Sorge für ihr Kind übten Frau B und Herr A gemeinsam aus. , das sie gemeinsam aufzögen. Im Einzelnen hat die Beklagte behauptet, sie lebe mit dem Versicherungsnehmer bereits seit dem Jahr 1989 nichtehelich zusammen und übe das Sorgerecht für das Kind mit ihm gemeinsam aus.

Beide waren berufstätig und wirtschafteten gemeinsam. Der Lebensunterhalt wurde von beiden gemeinsam getragen. Herr A und Frau B haben auch ein Eigenheim gemeinsam errichtet. Die Finanzierung hierfür wurde von beiden gemeinsam getragen.

Der Bundesgerichtshof stand nun vor der Frage, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft in diesen Schutzbereich mit einbezogen werden musste.

Gestützt hat der BGH seine Entscheidung, wonach bei den Altfällen die analoge Anwendung des § 67 II VVG auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften geboten war auf die gesetzgeberische Entscheidung in der Reform, wonach die Beschränkung auf Familienangehörige aufgehoben worden ist.

Das Gericht führte hierzu aus, dass in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, für die gemeinsame Mittelaufbringung und -verwendung prägende Merkmale sind, die Inanspruchnahme des Partners den Versicherungsnehmer wirtschaftlich nicht minder treffe als in einer Ehe.

Die Bewahrung des häuslichen Friedens zwischen den Partnern soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch Streitigkeiten über die Verantwortung für Schadenszufügungen gestört werden. Dies trifft nach Auffassung des Gerichts für nichteheliche Lebensgemeinschaften in gleicher Weise zu wie bei Ehen.

Urteil vom 22. April 2009 – IV ZR 160/07

Landgericht Halle – Urteil vom 28. Dezember 2006 – 3 O 137/06

Oberlandesgericht Naumburg – Urteil vom 15. Mai 2007 – 9 U 17/07

10
Apr
10

Wenn der Gerichtsvollzieher das Auto holen will

Der Bundesgerichtshof musste sich zur Frage nach der Pfändbarkeit eines Kraftfahrzeugs, das der Ehegatte des Schuldners zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit benötigt, äußern.

Grundsätzlich gehören Autos zum pfändbaren Vermögen.  Eine Ausnahme macht hier lediglich der § 811 ZPO. Dieser bestimmt die unpfändbaren Sachen. In  seiner Nummer 5 heißt es :

„5. bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände;“

Es ist gesichert, dass das Auto zu diesen Gegenständen zu zählen ist, wenn dies zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlich ist.  Ein Kraftfahrzeug ist  für die Beförderung allerdings regelmäßig dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann. Dies ist im Einzelfall gesondert zu betrachten. Allerdings ist zu beachten, dass wegen der schlechten  Verkehrsanbindung im ländlich geprägten Gebiet solches in der Regel nicht der Fall ist.

In dem Fall, der dem  VII. Zivilsenat zur Entscheidung vorlag, gehörte das Auto der Ehefrau. Diese war erwerbsunfähig und hatte nur eine kleine Rente. Gleichwohl hatte sie Schulden in Höhe von ca. EUR 2500 bei einer Gläubigerin.

Diese betrieb die Zwangsvollstreckung – in eben diesen PkW. Dieser wurde aber vom Ehemann benötigt, um damit zu seinem Arbeitsplatz zu kommen.

Der BGH hat nun entschieden, dass diese Norm nicht nur den Schuldner schützt, der seine Erwerbstätigkeit aufrecht erhalten können muss, sondern auch die Familie.

Damit ist ein Kraftfahrzeug, das der Ehegatte des Schuldners zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit benötigt, unpfändbar.

Das Gericht hat hierzu ausgeführt:

Durch eine Pfändung dieser Gegenstände wäre die wirtschaftliche Existenz der Familie in gleicher Weise gefährdet wie durch Pfändung beim erwerbstätigen Schuldner.

Aus diesem Grunde ist es zweitrangig, welcher Ehegatte den zu pfändenden Gegenstand für seine Erwerbstätigkeit benötigt

Im Rahmen des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO spielt diese Frage aber nach Meinung des Gerichtes keine Rolle.

Beschluss vom 28. Januar 2010 – VII ZB 16/09

AG Nordhausen – Beschluss vom 26. November 2008 – 2 M 1320/08

LG Mühlhausen – Beschluss vom 28. Januar 2009 – 2 T 286/08

10
Apr
10

Hartz IV und das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung in der Privatinsolvenz

Das  Landessozialgericht Nordrheinwestfalen hat ein Urteil zur Frage, ob ein Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung auf Leistungen nach dem SGB II auch dann angerechnet werden kann, wenn  der Leistungsbezieher sich in der Privatinsolvenz befindet und der Treuhänder das Guthaben zur Masse zieht.

Dahinter steht die konkrete Fragestellung, ob hier die Regelung des § 22 Abs. I S 4 SGB II zur Anwendung kommt oder nicht.  Davor hatte das Sozialgericht in Berlin diese Frage bejaht, das Sozialgericht in Neubrandenburg hingegen verneint.

Die fragliche Norm heißt: „Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben insoweit außer Betracht.“

Im vorliegenden Urteil  führte das Gericht nun dass, dass die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II auch dann Anwendung findet, wenn sich der Leistungsempfänger in der Verbraucherinsolvenz befindet und der Rückzahlbetrag in die Insolvenzmasse gezogen wird.

Damit stellt sich das Gericht auf den Standpunkt, dass es nicht darauf ankommt, ob der Betrag dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung steht oder nicht.

Nach § 35 der  Insolvenzordnung (InsO) handelt es sich bei der Rückerstattung aus einem Guthaben einer Nebenkostenabrechung um ein Einkommen des Schuldners.

㤠35 Begriff der Insolvenzmasse

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.“

Das Gericht hat weiterhin nun den Bogen dahingehend gespannt, dass dieses Einkommen tatsächlich den Bedarf im Sinne des „ 22 I S4 SBG II mindert, weil es nach dem Wortlaut und den Gesetzgebungsmaterialien  nicht darauf ankommt, ob das Geld tatsächlich dem Leistungsempfänger zur Verfügung stehen muss..

Für das Gericht reichte vielmehr schon aus, dass ein  Zufluss in das Vermögen des Leistungsempfängers hier stattgefunden hatte. Dies entnimmt das Gericht der Regelung in § 80 InsO:

„§ 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.“

Denn auch nach der Eröffnung der Insolvenz kann der Schuldner Vermögenswerte hinzuerwerben.

Für dieses Vermögen fehlt dem Schuldner lediglich  die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt. die gemäß § 80 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergeht.

Somit kam das Gericht zu dem Schluss, dass tatsächlich die Rückerstattung nach dem System der Insolvenzordnung den Klägern zugeflossen war. Dieses reicht aber für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des § 22 Abs. I S4 SGB II aus. Darauf, dass der Leistungsempfänger dann mangels Verfügungsbefugnis über das so zugeflossene Vermögen keine Verfügungsmacht mehr hat, sondern der Betrag unmittelbar zur Schuldentilgung oder aber zur  teilweisen Befriedigung der Kosten ihres Insolvenzverfahrens  verwendet wird, kommt es nicht an.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

1. SG Detmold – 18.03.2009 – AZ: S 23 (10) AS 232/07

2. LSG Nordrhein-Westfalen – 22.09.2009 – AZ: L 6 AS 11/09

23
Jan
10

Versagung der Restschuldbefreiung

Im Regelinsolvenzverfahren kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Schuldner unrichtige Angaben korrigiert, bevor der betroffene Gläubiger dies beanstandet.  Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17.09.2009 entschieden. (Aktenzeichen:  IX ZB 284/08)

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Frau A stellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Damit verband sie auch ein Gesuch auf Restschuldbefreiung.

Sie hat auch ein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis gefertigt gehabt. Dieses wies die F-GmbH  als Inhaberin einer durch ein Versäumnisurteil titulierten Forderung über 9.904,34 € aus.

Mit Schreiben vom 28.12.2006 setzte Frau A dann den Insolvenzverwalter davon in Kenntnis, dass Herr B und nicht die F. GmbH Inhaber der vorbezeichneten Forderung sei. Dies tat si, indem sie einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übersandte.

Herr B wandte sich am 31.03.2008 an das Amtsgericht und machte geltend, er sei Gläubiger. Kurze Zeit später, nämlich am 17.05.2008 beantragte er, Frau A die Restschuldbefreiung zu versagen.

Auf den Antrag vom 17.5.2008 hat das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof verfolgte Frau A  ihr Begehren weiter

Das Landgericht hat die Beschwerde im Wesentlichen aus nachfolgenden Gründen verworfen. Es führte aus, dass der  Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliege. Begrüdnet wurde das damit, dass  die Schuldnerin als Gläubiger einer Forderung eine Person bezeichnet habe, der die Forderung tatsächlich nicht zustehe.

Frau A habe hierbei nach Auffassung des Gerichts mindestens grob fahrlässig gehandelt, weil ihr die wahre Gläubigerstellung erkennbar gewesen sei.

Außerdem habe Frau A die Zahlungsaufforderungen des wahren Gläubigers nicht zum Anlass genommen, das Amtsgericht über die tatsächlichen Verhältnisse zu unterrichten.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass im vorliegenden Falle die Versagung der Restschuldbefreiung nicht in Ordnung gewesen war.

Die  Vordergerichte haben nach Meinung des BGH den Umstand nicht beachtet, dass infolge der von der Schuldnerin vorgenommenen Berichtigung mit Rücksicht auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2003, aaO [= DZWIR 2003, 295]) eine die Versagung der Restschuldbefreiung tragende Pflichtverletzung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) nicht anzunehmen ist.

Als wesentlich ist hier erachtet worden, dass  die Schuldnerin im Streitfall nicht etwa die Forderung eines Gläubigers verschwiegen habe. (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 212/07, ZInsO 2008, 1278 [= DZWIR 2009, 124])

Vielmehr habe sie  die Forderung tatsächlich angegeben, aber lediglich einer falschen Person zugeordnet.

Entscheidend war aber schließlich, dass die Schuldnerin bereits am 28.12.2006 und somit lange, bevor am 17.5.2008 der – im Übrigen unzulässige – Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt wurde, ihre Angaben korrigiert und den wahren Gläubiger benannt hatte.  (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2003, aaO [= DZWIR 2003, 295]; v. 17.7.2008 – IX ZB 183/07, ZInsO 2008, 920, 921 [= DZWIR 2009, 37] Rdn. 13).

Damit konnte dem Beteiligten zu 1 aus der fehlerhaften Gläubigerbezeichnung ein Nachteil gerade nicht erwachsen.

Bei dieser Sachlage, so das Gericht,  scheidet eine die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigende Pflichtverletzung aus.

29
Jun
08

Bundesarbeitsgericht bestätigt bisherige Rechtsprechung zu Darlegung- und Beweislast

In einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ging es um den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes.

Denn § 23 I KSchG stellt eine Sonderregelung für Kleinbetriebe dar.
㤠23 Geltungsbereich
(1) 1Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. 2Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. 3In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. 4Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.“

Dies bedeutet, dass ordentliche Kündigungen in Kleinbetrieben einer sozialen Rechtfertigung nicht bedürfen.

Der Vorschrift kann man entnehmen, dass solche Betriebe gemeint sind, die in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen.

Die Frage, die sich nun in der Praxis immer wieder stellt, ist die, wen die Darlegungs- und Beweislast trifft.

Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der gekündigte Arbeitnehmer im Prozess behaupetet, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam.

Denn dies ist nur dann von Belang, wenn der Anwendungbereich des KSchG überhaupt eröffnet ist. Und hierfür ist nun einmal die Kleinbetriebsregelung entscheidend.

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt wieder entschieden, dass der Arbeitnehmer, der sich hierauf berufen will, darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die nach § 23 I KSchG erforderliche Beschäftigenzahl erreicht ist,

Der Arbeitnehmer hat in der Regel nicht den notwendigen Einblick in die interne Organisation. Von daher genügt er nach Auffassung des Gerichts bereits dann der Darlegungslast, wenn er die ihm bekannten Anhaltspunkte vorträgt, aus denen sich aus seiner Sicht der Schluss ergibt, dass kein Kleinbetrieb vorliegt.

Hat der Arbeitnehmer entsprechend vorgetragen, so muss sich der Arbeitgeber vollständig zur Anzahl seiner Beschäftigten erklären.

Es besteht nun durchaus die Möglichkeit, dass auch nach der Beweiserhebung noch unklar ist, ob die Beschäftigenzahl erreicht ist, ab der der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzes eröffnet ist.

Damit stellt sich dann die Frage, zu wessen Lasten diese Unklarheit geht.

Das Bundesarbeitsgericht hat erneut so entscheiden und damit die bisherige Rechtsprechung gestärkt, dass diese Unklarheit zu Lasten des Arbeitnehmers gehen müsse.

Denn ihm obliegt die grundsätzliche Darlegungs- und Beweislast. Wenn er dann diesen geforderten Beweis nicht führen kann, so geht der Zweifel zu seinen Lasten. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Kleinbetriebsregelung nicht greift und die Klage daher ohne Erfolg bleiben muss.

Im jetzt entschiedenen Fall hatte sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen. Diese sei sozial ungerechtfertigt gewesen. Denn die Arbeitgeberin habe immerhin 14 Arbeitnehmer beschäftigt gehabt. Deswegen sei sie auch kein Kleinbetrieb.
Die Beklagte hingegen hatte dagegen eingewandt, sie beschäftige nicht mehr als zehn Arbeitnehmer.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht ausreichend konkret dargelegt habe, dass die Beklagte mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige.

Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

Das Gericht führte hierzu aus, dass zwar auch nach der zum 1. Januar 2004 vom Gesetzgeber eingeführten Erhöhung der für Kleinbetriebe maßgeblichen Höchstbeschäftigtenzahl von fünf auf zehn Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast nach wie vor den Arbeitnehmer treffe.

Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu hohe Anforderungen an den erforderlichen Tatsachenvortrag der Klägerin gestellt. Deshalb musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juni 2008 – 2 AZR 264/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 1. März 2007 – 2 Sa 589/06 –

24
Jun
08

Der BGH und die Schönheitsreparaturen

Wieder einmal musste sich der Bundesgerichtshof mit einer Klausel zu Schönheitsreparaturen befassen.Frau A hatte eine Wohnung der B gemietet gehabt. Für den schriftlichen Mietvertrag kam ein Formular zur Anwendung. In diesem war bestimmt, dass die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf die Mieterin übertragen wurde.

Darüber hinaus fand sich hier eine Klausel, die bestimmte:
„Die Schönheitsreparaturen sind in neutralen, deckenden, hellen Farben und Tapeten auszuführen.“

Das hielt Frau A für unwirksam – und klagte auf Feststellung, dass die B überhaupt keinen vertraglichen Anspruch auf Vornahme von Schönheitsreparaturen hat.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hatte die Revision zum BGH zugelassen.

Der VIII. Zivilsenat hat jetzt diese Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Prüfungsmaßstab ist auch hier wieder das AGB-Recht im BGB. § 307 BGB lautet:

㤠307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.“

Der BGH hat nunmehr die in Absatz 1 Satz 1 genannte Rechtsfolge für diese Vertragsgestaltung angenommen und dies unter anderem mit dem Absatz 2 Nr. 1 begründet. Daraus folgt, dass Frau A insgesamt nicht zu Schönheitsreparaturen verpflichtet ist.

 

Das Gericht hat zwar das Interesse der Vermieter gesehen, am Ende der Mietzeit die Wohnung in einer Farbgebung zurückzuerhalten, die potentielle Nachmieter nicht von vorneherein abschreckt. Von daher dürfte eine zulässige Endrenovierungsklausel die hier gewählte Farbwahlklausel enthalten dürfen.

Die gewählte Klausel schreibt dem Mieter aber nicht erst für den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung diese Farbgebung vor. Vielmehr ist diese dem Wortlaut entsprechend für die gesamte Mietzeit gültig.

Das Gericht hat aber in seiner Entscheidung ausgeführt, dass jedoch kein anerkennenswertes Interesse des Vermieters daran bestehen könne, dass der Mieter bereits während laufender Mietzeit auf andere Gestaltungen, seien sie farbig oder nicht deckend, verzichten muss.

Urteil vom 18. Juni 2008 – VIII ZR 224/07

AG Pankow/Weißensee – Urteil vom 6. Dezember 2006 – 7 C 302/06

LG Berlin – Urteil vom 25. Juni 2007 – 62 S 341/06

20
Jun
08

Profisportler sind eigentlich keine Künstler

Auf diesen Nenner kann man eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2008 bringen.Es ging wieder einmal um die Frage, ob und wann eine Künstlersozialabgabe zu bezahlen ist. Im Fokus dieses Verfahrens standen zwei Brüder, die als Profiboxer berühmt geworden sind: Vitali und Wladimir Klitschko. Daneben sind sie dem breiten Publikum als Hauptdarsteller in verschiedenen Werbespots für Papiertaschentücher oder Kindersnacks bekannt geworden.

Und hier lag nun das Problem des Verfahrens. Waren die Klitschko-Brüder hier als Künstler tätig geworden oder nicht.

Für den Fall nämlich, dass es sich bei der Mitwirkung bei den Spots um eine selbstständige Tätigkeit im Bereich der darstellenden Kunst gehandelt haben sollte, wäre auf die gezahlten Honorare die Künstlersozialabgabe fällig geworden.

Maßstab ist der § 2 Satz 1 des KSVG:

„Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.“

Der Personenkreis, der zur Künstlersozialabgabe verpflichtet ist, ist im § 24 definiert:

㤠24
(1) 1Zur Künstlersozialabgabe ist ein Unternehmer verpflichtet, der eines der folgenden Unternehmen betreibt:
1.Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste),
2.Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, daß ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten; Absatz 2 bleibt unberührt,
3.Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen; Absatz 2 bleibt unberührt,
4.Rundfunk, Fernsehen,
5.Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung),
6.Galerien, Kunsthandel,
7.Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte,
8.Variete- und Zirkusunternehmen, Museen,
9.Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten.
2Zur Künstlersozialabgabe sind auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen.
(2) 1Zur Künstlersozialabgabe sind ferner Unternehmer verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. 2Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des Satzes 1 vor. 3Satz 1 gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.“

Die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe ist im § 25 geregelt. Dort heisst es:

㤠25
(1) 1Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. 2Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden.
(2) 1Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. 2Ausgenommen hiervon sind
1.die Entgelte, die für urheberrechtliche Nutzungsrechte, sonstige Rechte des Urhebers oder Leistungsschutzrechte an Verwertungsgesellschaften gezahlt werden,
2.steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen.
3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, zur Vereinfachung des Abgabeverfahrens durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß Nebenleistungen, die der zur Abgabe Verpflichtete im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Nutzung des Werkes oder der Leistung erbringt, ganz oder teilweise nicht dem Entgelt im Sinne des Satzes 1 zuzurechnen sind.
(3) 1Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist auch der Preis, der dem Künstler oder Publizisten aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zusteht. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein nach § 24 Abs. 1 zur Abgabe Verpflichteter
1.den Vertrag im Namen des Künstlers oder Publizisten mit einem Dritten oder im Namen eines Dritten mit dem Künstler oder Publizisten abgeschlossen hat oder
2.den Künstler oder Publizisten an einen Dritten vermittelt und für diesen dabei Leistungen erbringt, die über einen Gelegenheitsnachweis hinausgehen,
es sei denn, der Dritte ist selbst zur Abgabe verpflichtet.
(4) 1Erwirbt ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter von einer Person, die ihren Wohnsitz oder Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, ein künstlerisches oder publizistisches Werk eines selbständigen Künstlers oder Publizisten, der zur Zeit der Herstellung des Werkes seinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte, gilt als Entgelt im Sinne des Absatzes 1 auch das Entgelt, das der Künstler oder Publizist aus der Veräußerung seines Werkes von dieser Person erhalten hat. 2Satz 1 gilt nicht, wenn der zur Abgabe Verpflichtete nachweist, daß von dem Entgelt Künstlersozialabgabe gezahlt worden ist oder die Veräußerung des Werkes mehr als zwei Jahre zurückliegt. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine künstlerische oder publizistische Leistung erbracht wird.“
Die Künstlersozialkasse wiederum hielt die Mitwirkung der Gebrüder Klitschko für eine solche künstlerische Leistung, die entsprechend abgabenpflichtig ist.

Als wesentliche Gründe hierfür sah die Künstlersozialkasse die Art und Weise, wie die Werbespots zustande kamen, an. Hier handelte es sich um Kurzfilme, die eine kleine Geschichte erzählten und aus nach einem Drehbuch gestalteten Szenen bestanden.

Deswegen verpflichtete sie die Gesellschaft, die die Persönlichkeitsrechte der Gebrüder Klitschko vermarktete, die auf die bezahlten Honorare die entsprechende Künstlersozialabgabe zu bezahlen. Denn diese Vermarktungsgesellschaft hatte ihrerseits von den Produzenten der Spots ein Entgelt bezogen. Nach Abzug der Provisionen zahlte diese den Gebrüdern Klitschko ein vereinbartes Honorar.

Diese Gesellschaft wiederum war anderer Auffassung als die Künstlersozialkasse – und klagte gegen diese Verpflichtung.

Das Bundessozialgericht hat hierzu nun ausgeführt, dass es sich bei der Mitwirkung in Werbespots um keine künstlerische Tätigkeit handele. Wesentliches Argument war, dass die Profisportler nicht wegen ihrer darstellerischen Fähigkeiten, sondern wegen ihrer Bekanntheit in weiten Teilen der Bevölkerung und ihrer Vorbildfunkion bei der Zielgruppe der Werbung als Werbeträger engagiert werden.

Weiterhin gehöre es zwischenzeitlich zum Berufsbild des Porofisportlers, ausserhalb der Sportstätten als Werbeträger in Erscheinung zu treten und so die Persönlichkeitsrechte zu vermarkten.

Das Gericht hat aber die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob es die Mitwirkung in Filmen ausserhalb von Werbespots, sei es Kinofilm oder Fernsehproduktion, nicht doch unter eine künsterische Darbietung im Sinne des KSVG sehen wolle.

Profisportler werden eben nur durch die Mitwirkung in Werbespots noch nicht zu Künstlern.

17
Jun
08

Betriebsübergang – Gründung einer Service GmbH

Das Bundesarbeitsgericht hat wiederum zu Fragen des Betriebsüberganges Stellung bezogen. Auch hier ging es wiederum um Umstrukturierungen im öffentlichen Bereich und die damit verbundene Frage, wie es mit dem Schicksal derjenigen Arbeitsplätze, die durch diese Umstrukturierungen betroffen sind, bestellt ist.

Hiervon ist gerade der Kliniksektor betroffen. So war es auch in dem Fall, der dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlag:

Das Kommunalunternehmen K betreibt Krankenhäuser. Im Zuge von Strukturmaßnahmen kam es zur Gründung der B. Diese ist eine Service-GmbH. Ausschließlicher Geschäftsgegenstand dieser Gesellschaft ist die Stellung von Personal an K oder dessen Tochterunternehmen. K ist alleiniger Gesellschafter der B.

In der Folge riet K den Mitarbeiterinnen zu folgendem Vorgehen:

Zunächst schlossen sie Aufhebungsverträge mit dem Kommunalunternehmen K. Sodann schlossen sie gleichzeitig neue Arbeitsverträge mit der B. Die neuen Arbeitsverträge enthielten geänderte Bedingungen.

Die B wiederum schloß mit K einen Personalgestellungsvertrag. Aufgrund dieses Vertrages stellte die B die Arbeitskraft der Mitarbeiterinnen dem K zur Verfügung.

Faktisch sah das nun so aus, dass die Mitarbeiterinnen dieselbe Arbeit wie zuvor verrichteten, nur dass sie jetzt bei der B beschäftigt waren. Es ging sogar soweit, dass K die Reinigungsmittel und Geräte zur Verfügung stellte und den Mitarbeiterinnen der B die Arbeitsanweisungen erteilte.

Die Mitarbeiterinnen waren daher der Auffassung, dass in Wirklichkeit ein Betriebsteilübergang vorgelegen habe und klagten.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision hatten die Klägerinnen Erfolg. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die gewählte Vertragsgestaltung und deren tatsächliche Auswirkungen als einen Betriebsteilübergang im Sinne des § 613a BGB angesehen.

Der § 613a BGB bestimmt:

„§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) 1Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 2Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. 3Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. 4Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) 1Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. 2Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) 1Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. 2Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) 1Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. 2Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.“

Die gewählte Konstruktion ist daher nicht mit geltendem Recht vereinbar. Die Umgehung der zwingenden Regelung des § 613a BGB führt zur Nichtigkeit der Aufhebungsverträge. Das Gericht führte hierzu aus, dass in der Regel ein Betriebsteilübergang vorliegt, wenn die neugegründete GmbH im Wege der Arbeitnehmerüberlassung alle übernommenen Mitarbeiter an das bisherige Unternehmen „zurückentleiht“ und diese dort die gleichen Tätigkeiten verrichten wie bisher.

Dies gilt jedenfalls nach Auffassung des Gerichtes immer dann, wenn ausschließlicher Gegenstand des Unternehmens der Neugründung die Stellung von Personal an das Altunternehmen oder an dessen Tochterunternehmen ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Mai 2008 – 8 AZR 481/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 27. Februar 2007 – 6 Sa 870/05 –




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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