Archive for the 'Verkehrsrecht' Category

25
Sept
07

FOX ON THE RUN

„Ein Kraftfahrer, der mit seinem Fahrzeug einem die Fahrbahn überquerenden Fuchs ausweicht, handelt nicht grundsätzlich grob fahrlässig.“ – so lautet der Leitsatz eines Urteils des XII. Zivilsenats des BGH vom 11.07.2007.Das Gericht hatte sich bei dieser Entscheidung mit der Frage zu befassen, wann ein Fahrer für den am Mietwagen entstandenen Schaden aufzukommen habe, der durch das Ausweichen vor einem plötzlich auftretendem Tier verursacht wurde.

Herr A brauchte ein Auto. Zu diesem Zweck begab er sich zu einer Autovermietung. Am 08. Juni 2004 mietete er sich einen BMW 318. Mit diesem fuhr er in den frühen Morgenstunden des 13. Juni 2004 auf der A8 von Stuttgart in Richtung Pforzheim. Gegen 4 Uhr morgens sprang ihm ein Tier vor den Wagen – vermutlich war es ein Fuchs. Herr A erschrak, er lenkte instinktiv nach rechts und touchierte dabei die Leitplanke. Die Folge dieses Manövers war ein Schaden in Höhe von EUR 8.892,69. Der Fuchs hatte Glück – er verschwand unverletzt und ward nicht mehr gesehen.

Herr A konnte nun sein Leihfahrzeug nicht mehr im ursprünglichen Zustand zurückgeben. Aufgrund des Mietvertrages wäre er aber dazu verpflichtet gewesen. Der BGH hatte schon in seiner Entscheidung vom 10.07.2002 (AZ: XII ZR 107/99 )ausgeführt, dass der Mieter verpflichtet sei, „die Mietsache in dem Zustand zurückzugeben, in dem sie sich bei Mietbeginn befunden hat“

Deswegen machte auch die Vermieterin gegenüber dem Herrn A Schadensersatzansprüche geltend.

Soweit – so gut. Wäre da nicht eine Haftungsbefreiung mit Selbstbehalt gewesen. Bei der Übergabe des Fahrzeuges war Herrn A nämlich ein Papier ausgehändigt worden, das nicht nur deutlich mit „Mietvertrag“ überschrieben war, das nicht nur das Mietfahrzeug und den zu entrichtenden Mietzins näher bezeichneter, sondern darüber hinaus auch eine entsprechende Klausel zur Haftungsbegrenzung enthielt.

Diese Klausel beschränkte nun die Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit und im Übrigen auf einen Selbstbehalt in Höhe von EUR 550,00.
Die Klägerin behauptete nun, der Vertragsschluss sei bereits vorher mündlich erfolgt, die AGB seinen daher nicht wirksam in den Vertrag miteinbezogen worden. Deswegen hafte Herr A auch in voller Höhe.

Denn im §305 II BGB steht zu lesen:

„(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.“

Es kommt also auf den Vertragsschluss und damit auf diesen Zeitpunkt an. War dieser bei Aushändigung des „Mietvertrages“ also schon geschehen, konnten die AGB nicht mehr wirksam einbezogen werden.

Der BGH entschied nun, dass bei dieser Konstellation von einer einheitlichen Sichtweise ausgegangen werden müsse. Das bedeutet, dass der Vertragsschluss nicht in zwei Teile fällt, wie von der Klägerin vorgetragen: Die mündliche Abrede und die spätere Aushändigung der AGB. Vielmehr sei das Ganze ein einziger Vorgang, der Vetrag komme daher nicht schon bei der Einigung über die essentialia negotii – hier also Mietfahrzeug und Preis – zustande, sondern mit der Aushändigung der schriftlichen Vetragsurkunde.

Damit sind aber die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Die Folge hiervon ist, dass auch die Haftungsbefreiung vereinbart worden ist.

Bleibt also noch die weitere Frage, nämlich die nach dem Grad des Verschuldens.

Handelte Herr A grob fahrlässig, nützte ihm die Freistellung nichts. Handelte es sich um leichte Fahrlässigkeit, so war seine Haftung wirksam begrenzt.

Einfache Fahrlässigkeit wird im § 276 II BGB als das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt definiert. Demnach muss der Begriff Fahrlässigkeit je nach Kontext ausgelegt werden.

Als grob fahrlässig bezeichnete der BGH noch vor 10 Jahren noch das Verhalten eines Autofahrers, der bei 90 km/h einem Hasen auswich (vgl. BGH 18.12.1996-IV ZR 321/95 NJW 1997, 1012).
Heute kann festgestellt werden, dass zugunsten der Rechtssicherheit seit 2003 Einigkeit über die Bedeutung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit besteht. Grobe Fahrlässigkeit liegt seither dann vor, wenn „die Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt“ wurde und das Handeln einem „auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbaren Fehlverhalten“ entspricht (vgl. BGH 29.01.2003-IV ZR 173/01-NJW 2003, 1118,1119 m.w.N.).

Ein solcher auch subjektiv grob fahrlässig begangener Fahrfehler wäre bspw. der Fall, wenn der Fahrzeuglenker ein abruptes und unkontrolliertes Ausweichmanöver verbunden mit einer scharfen Abbremsung, aufgrund dessen der Fahrer die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert, durchgeführt hätte – so der BGH in seiner Begründung.

Im vorliegenden Fall war das Ausweichen des Mieters jedoch als entschuldbares natürliches reflexartiges Verhalten zu bewerten.

Aufgrund der wirksamen Haftungsbefreiung war Herr A deshalb er nicht zum Schadensersatz über den vereinbarten Pauschalbetrag hinaus verpflichtet.

AZ: XII ZR 197/05
OLG Karlsruhe 10 U 53/05
LG Karlsruhe 10 O 808/04

17
Jul
07

OLG Karlsruhe : Wenn der Geländewagen nicht so brummt wie er sollte

Herr A kaufte sich einen Geländewagen – das war Anfang 2005. Für dieses Gefährt musste er EUR 29.000,00 bezahlen. Das Vorgängermodell gab er in Zahlung und wartete auf die Lieferung.

Im April war es endlich so weit. Aber Herr A war nicht zufrieden. So wandte er sich mehrfach an sein Autohaus, die B GmbH.

Das Auto wies nach seiner Meinung eine deutlich verzögerte Beschleunigung bei Geschwindigkeiten über 140 km/h auf. Hinzu kam ein starkes Bocken und Vibrieren des Fahrzeugs bei Erreichen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und deren Abregeln.

Herr A setzte der B eine Frist zur Reparatur. Diese verstrich fruchtlos. Danach verlangte Herr A die Lieferung eines neuen baugleichen Fahrzeuges. Im August schließlich erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Diese Rechte stehen Herrn A aus dem Kaufrecht zu:

„§ 437 Rechte des Käufers bei Mängeln
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
2.nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und
3.nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.“

Zunächst hatte Herr A also Nacherfüllung verlangt :

„§ 439 Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

(4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.“

Nachdem ihm dieses verweigert worden war, wählte er den Rücktritt:

„§ 440 Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
1Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. 2Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.“

Grundvoraussetzungen für diese Rechte aus dem § 437 BGB ist, dass die Sache mangelhaft ist. Den Sachmangel regelt der § 434 BGB:

㤠434 Sachmangel
(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1.wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2.wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
3Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(2) 1Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. 2Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden.

(3) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert.“

So stellte sich nun die Frage, ob der Geländewagen tatsächlich mängelbehaftet war – oder eben nicht. Das nunmehr beklagte Autohaus B stellte sich auf den Standpunkt, dass hier überhaupt keine Mänel vorlägen. Was beanstandet werde, sei Stand der Serie und fahrzeugbedingt vorgegeben. Darüber hinaus entspreche das Auto auch dem Stand der Technik eines Geländewagens.

Das angerufene Landgericht in Konstanz erhob Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die unzureichende und verzögerte Beschleunigung des gekauften Fahrzeuges bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, das starke Bocken und Vibrieren beim automatischen Abregeln beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h und die verzögerte Reaktion bei Änderung der Einstellung beim Tempomat keine Sachmängel seien.

Es handele sich vielmehr um fahrzeugspezifische Steuerungs- und Regelungsdefizite. Diese seien konzeptionell bedingt und entsprächen daher dem anzulegenden Maßstab „Stand der Technik“.

Die Folge hiervon war, dass die Klage abgewiesen wurde.

Herr A ging in Berufung.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe – Senate in Freiburg – hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Das Oberlandesgericht ging zunächst auf die Frage ein, wann Sachmängel vorliegen. Hiernach ist nach der fast einhelligen Meinung in der Rechtsprechung auf den allgemeinen „Stand der Technik“ abzustellen.

Was unter dem Stand der Technik ist, definierte das Gericht so: Es ist der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge. Damit kommt es eben gerade nicht allein auf den Stand der Serie an.

Unter Anlegung dieses Maßstabes kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass das streitbefangene Fahrzeug nicht dem Stand der Technik entspricht. Dieser Geländewagen weicht nach den Feststellungen des Gerichts in folgenden Punkten hiervon ab:

Er beschleunigt nach dem automatischen Gangwechsel bei Geschwindigkeiten über 140 km/h nur verzögert. Das Dreiganggetriebe mit einer zu-/abschaltbaren Overdrive-Stufe bewirkt mit seiner Leistungsauslegung einen zu starken Abfall der Drehzahl und damit verbunden eine zu lange Spanne, bis sich die Beschleunigung trotz unveränderter Gaspedalstellung nach Gangwechsel in den höheren Gang von zwei auf drei wieder fortsetzt. Statt dessen tritt zunächst ein Geschwindigkeitsgleichstand von mindestens zehn Sekunden ein, der nicht dem üblichen Standard eines Geländewagens vergleichbarer Art und Preisklasse entspricht.

Weiter führte das Gericht aus, dass Geländewagen hierzulande üblicherweise weitgehend auch im normalen Straßenverkehr eingesetzt werden. Aus diesem Grunde war auch der Geschwindigkeitsbereich über 140 km/h für den Fahrbetrieb von Bedeutung. Die Zeitspanne von 10 Sekunden bis zum Ansprechen der Beschleunigung ist im Fahrbetrieb ungewöhnlich und störend.

Das Gericht bezog sich auch auf die Ansprüche an die Verkehrssicherheit und sah diese durch diese Beschleunigungsverzögerung beeinträchtigt. Als Beispiel wurde hier angeführt, dass eine Gefährdungssituation eintreten kann, wenn ein Überholvorgang knapp ist und ergänzend wurde ausgeführt, dass selbst ein vorausschauender Fahrer nicht alle schwierigen Verkehrssituationen vorhersehen kann und deswegen dieses Sicherheitsrisiko nicht vollständig durch ein Mehr an Sorgfalt und Vorsicht ausgeschaltet werden kann.

Unter diesen Prämissen kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Fahrzeug mit diesem Mangel nicht nur vom Standard der Fahrzeugklasse, sondern auch vom Vorgängermodell abweicht.

Darüber hinaus postulierte das Gericht auch eine weitgehende Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Vertragsschluss:

„Der Kläger, der das Vorgängermodell zuvor gefahren und bei der Beklagten in Zahlung gegeben hat, durfte erwarten, über die gravierende, die Verkehrssicherheit beeinflussende Änderung zum Vorgängermodell von der Beklagten informiert zu werden, was nicht der Fall war. Dieser Mangel war auch im Rahmen der innerstädtischen Probefahrt für den Kläger nicht feststellbar.“

Die weitergehenden Abweichungen wurden gleichfalls als Mängel eingestuft. Das Gericht führte hierzu aus:

„Es bestehen auch weitere, weniger gravierende Abweichungen sowohl vom Standard des Vorgängermodells als auch der Fahrzeugklasse. Das Fahrzeug bockt und vibriert beim automatischen Abregeln bei Erreichen der Höchstgeschwindigkeit. Dies hat ein starkes Verzögerungsrucken und Nachnickbewegungen zur Folge. Das Fahrzeug ruckt und pendelt so, dass die Insassen zunächst recht unangenehm nach vorne und hinten bewegt werden. Das Verzögerungsrucken schwächt sich sogleich wieder ab.

Auch dieser Mangel ist nicht durch die Konzeption eines Geländewagens vorgegeben, sondern beruht allein darauf, dass der Motor bei 174 km/h seine Leistungsgrenze noch nicht erreicht hat und deshalb automatisch abgeregelt wird. Auf Änderungen der Einstellung reagiert der Tempomat nur mit einer ungewöhnlich langen Verzögerung. Auch diese ist nicht konzeptionell bedingt. Vielmehr ist die angewandte Technik schlicht veraltet. Dies entspricht weder dem Bedien- und Komfortstandard des Vorgängermodells noch dem von Konkurrenzfahrzeugen.“

Damit war klar, dass Herr A berechtigt war, wirksam vom Kaufvertrag zurückzutreten. Die B GmbH muss das Auto zurücknehmen und den Kaufpreis – abzüglich der genossenen Gebrauchsvorteile erstatten.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28.06.2007 – 9 U 239/06

17
Jan
07

OLG Stuttgart zu Führerscheintourismus

Der Führerscheintourismus ist in jüngster Vergangenheit immer wieder in die Schlagzeilen geraten, nicht zuletzt durch die Novelle der 3. Führerscheinrichtlinie. Unter dieser besonderen Form des Tourismus versteht man, dass sich ein Betroffener nach Verlust des inländischen Führerscheines sich einfach eine Fahrerlaubnis eines EU-Mitgliedsstaates besorgte. Dadurch konnte in Deutschland geltendes Recht umgangen werden, und dies mit Hinweis auf Gemeinschaftsrecht.

Bereits 2004 hatte der EuGH ein wegweisendes Urteil gefällt. In dieser Entscheidung vom 29.04.2004 (Kapper-Entscheidung) führte das Gericht aus, dass ein erteilter Führerschein aus einem Mitgliedsstaat selbst bei offensichtlichem Verstoß gegen die Vorschrift, dass der Erwerber seinen Wohnsitz mindestens 185 Tage im Erwerberstaat haben musste, anerkannt werden musste.

Die Rechtsunsicherheit war in der Folge enorm.

Die Führerscheinstellen in Deutschland gingen jetzt einfach davon aus, dass sie durchaus noch in der Lage waren, die Fahreignung durch MPU prüfen zu lassen, wenn sie durch die Meldung nach einer Polizeikontrolle Kenntnis vom Auslandsführerschein hatten. Konnte diese MPU dann nicht fristgerecht beigebracht werden, war eine Nutzungsuntersagung des EU-Führerscheins die regelmäßige Folge. Mit diesem Trick konnte der § 28 IV Nr. 3 der Fahrerlaubnisverordnung
umgangen werden, die rechtliche Grundlage für diesen Eingriff bildete § 3 I des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 I der Fahrerlaubnisverordnung (FeV).

Dieser Möglichkeit entzog der EuGH aber mit der Entscheidung Kremer vom 28.09.2006 den Boden.

Das OLG Stuttgart hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem einem 31-jährigen Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen worden war. Hintergrund war, dass er bereits mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden war.

Er konnte jedoch sein Auto nicht stehen lassen – und begab sich nach Tschechien, genauer gesagt, nach Marienbad. Den eintägigen Kuraufenthalt nutzte er, um dort einen Führerschein zu erwerben. Dies ließ er sich EUR 1.150,00 kosten.

Die gerichtlich festgesetzte Sperrfrist ließ er verstreichen, um ganz auf Nummer sicher zu gehen. Danach war er mehrfach mit Auto und tschechischem Führerschein unterwegs.

Das Amtsgericht in Bad Mergentheim ließ sich nicht beeindrucken und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten – ohne Bewährung. In der Berufung hatte er dann mehr Erfolg. Das Landgericht Ellwangen sah keine andere Möglichkeit, als ihn – gestützt auf die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH – freizusprechen.

Das OLG hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Oberlandesgericht beschäftigt sich zunächst mit den Problemen, die sich in der Praxis hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen ergeben.

Sodann nimmt das Gericht eine bemerkenswerte Abwägung vor, indem es die Verwirklichung von Grundfreiheiten des gemeinsamen Binnenmarktes der Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs gegenüber stellt.

Im konkreten Falle steht deswegen die Freiheit des Personenverkehrs der Gefährdung durch Umgehungsmöglichkeiten des nationalen Fahrerlaubnisrechts gegenüber.

In der Abwägung kommt nun das Gericht zu dem Schluß, dass es gerade keinen Grundsatz des Vorranges der Europafreundlichkeit vor der Verkehrssicherheit gäbe. Zur Begründung bemüht das Gericht die Präambel der EU-Führerscheinrichtlinie. Darin stehe ausdrücklich das Anliegen, dass mit dieser Richtlinie die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert werde.

Daher sei letztendlich der Führerschein nicht anerkennungsfähig, der während der strafrechtlich verhängten Sperrfrist in einem anderen EU-Land erworben wurde.

Damit macht das Gericht deutlich, dass es nicht auf den konkreten Gebrauch ankommt, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt des Erwerbs.

Aus diesem Grunde steht diese Entscheidung auch nicht im Widerpruch zu der Entscheidung des EuGH vom 6.April 2006 (Halbritter-Entscheidung). Dort war ausgeführt worden, dass die Gültigkeit einer rechtmäßig in Österreich erworbenen Lenkberechtigung nicht nachträglich in Frage gestellt werden darf. Dieser Führerschein war nach Ablauf der Sperrfrist wegen betäubungsrechtlichen Verstößen erworben worden.

Urteil des Oberlandesgerichtes Stuttgart vom 15. Januar 2007 (1 Ss 560/06)




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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