Archiv für Dezember 2007

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Dez
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Bundesgerichtshof: Keine Obliegenheit des Unterhaltsschuldners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz zwecks Sicherung des Ehegattenunterhalts

Der XII. Senat hat sich jetzt in einem Urteil vom 30.11.2007 der Frage zu stellen gehabt, ob ein Unterhaltsschuldner dazu verpflichet ist, ein Verbraucherinsolvenzverfahren in die Wege zu leiten. Dadurch wäre es möglich, den laufenden Unterhaltsansprüchen einen Vorrang vor den sonstigen Verbindlichkeiten einzuräumen.Für den Kindesunterhalt hatte der BGH diese Frage schon bejaht. Die Entscheidung vom 23. Februar 2005 findet sich im 162 Band der Entscheidungssammlung des BGH ab Seite 234. (BGHZ 162, 234).

Damals vertrat das Gericht die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens dann besteht, wenn durch dieses Verfahren den laufenden Unterhaltsansprüchen der Kinder ein Vorrang eineräumt werden kann. Diese Obliegenheit besteht demnach grundsätzlich, wenn so der Kindesunterhalt gesichert werden kann. Der BGH hatte damals zur Begründung ausgeführt, dass sich diese Verpflichtung aus dem § 1603 Abs. 2 BGB herleiten lasse:

„§ 1603 Leistungsfähigkeit

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) 1Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. 2Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. 3Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.“

Dies wird auch „gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Kindern“ genannt.

Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn nicht dem Kindesunterhalt sondern dem Trennungsunterhalt oder dem nachehelichen Unterhalt ein Vorrang eingeräumt werden soll.

Ob nun auch in dieser Fallkonstellation eine solche Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens besteht, war in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Der BGH hat mit der jetzigen Entscheidung eine solche Obliegenheit verneint. Damit kann der Unterhaltsgläubiger nicht verlangen, dass der Unterhaltsschuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleitet, damit Geldmittel zur Bedienung seiner Unterhaltsansprüche frei werden.

Begründet hat dies das Gericht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen. Eine Obliegenheit zur Einleitung eines solchen Verfahrens berührt nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit. Es war nun also die Frage, ob dieser allgemeinen Handlungsfreiheit, die aus Art. 2 Grundgesetz abzuleiten ist, das Verhältnis der getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, das seinen Schutz aus Art. 6 GG genießt, der Vorrang eingeräumt werden kann – oder eben nicht.

Den Vorrang der persönlichen Handlungsfreiheit hat das Gericht auch aus der Tatsache abgeleitet, dass der Ehegattenunterhalt ein wesentlich geringeres Gewicht hat wie der Kindesunterhalt.

Aufgrund der Tatsache, dass der § 1569 BGB schon in der alten Fassung die Eigenverantwortlichkeit nach der Scheidung als Grundsatz postulierte und deswegen auch keine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, kann keine gesteigerte Unterhaltspflicht erkannt werden.

Hinzu kommt, dass die minderjährigen Kinder schon deswegen besonders schutzbedürftig sind, weil sie nicht in der Lage sind, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen.

Das Gericht hat auch die bereits beschlossenen Änderungen im Unterhaltsrecht, die noch nicht in Kraft sind in seine Überlegungen mit aufgenommen, indem es ausführt:

„Auch im Rang wird der Ehegattenunterhalt den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder nach der vom Gesetzgeber beschlossenen und zum 1. Januar 2008 in Kraft tretenden Unterhaltsrechtsreform (§ 1609 BGB) nachgehen.“

Schließlich rundet eine Billigkeitserwägung die Argumentation des Gerichtes ab. Wenn nämlich die Tilgung von Verbindlichkeiten die Leistungsfähigkeit schmälert, so ist beim Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen regelmäßig um solche handelt, die schon während der ehelichen Lebensgemeinschaft eingegangen wurden. Deswegen hatten sie auch schon die ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten geprägt.

Urteil vom 12. Dezember 2007 XII ZR 23/06

AG Kassel – 540 F 91/03 – Entscheidung vom 7.4.2005

OLG Frankfurt a. M. in Kassel – 2 UF 166/05 -Entscheidung vom 30.11.2005




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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