Archive for the 'Strafrecht' Category

19
Mär
07

Bundesgerichtshof zur Abgrenzung von Mord und Totschlag im Fall Dennis

Wenn Kinder gewaltsam um ihr Leben gebracht werden, ist die öffentliche Aufmerksamkeit besonders groß. Wenn dann als Täter noch die Eltern ermittelt werden, ist der Aufschrei unüberhörbar.

Im Falle des knapp siebenjährigen Dennis hatte das Landgericht Cottbus die Eltern wegen Mordes in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig hat nun über die Revisionen der Eltern entschieden.

Soweit das Urteil wegen vorsätzlicher Tötung des eigenen Kindes und Misshandlung von Schutzbefohlenen erging, hat der BGH den Schuldspruch des Cottbuser Landgerichtes bestätigt.

Diese Verurteilungen werden durch die Feststellungen des Gerichts getragen, dass die Eltern erkannt hatten, dass ihr Sohn immer mehr abmagerte und schließlich vollständig entkräftet war. Obgleich sie nun diese Erkenntnis tatsächlich hatten, haben sie geeignete Hilfemaßnahmen unterlassen.

Soweit hier nun ein Tötungsdelikt durch Unterlassen angenommen werden kann, muss diese objektive Tatbestandsverwirklichung auch von einem subjektiven Element getragen sein.

Es ist besonders wichtig, dass hier der konkrete Einzelfall betrachtet wird. Allgemeine Schlüsse oder die Lebenserfahrung des Betrachters helfen hier ebenso wenig wie sonstige Erfahrungssätze.

Entscheidend ist daher, ob diese Eltern dieses Kindes in dieser Situation einen Tötungsvorsatz hatten oder nicht, wobei hier drei verschiedene Formen des Vorsatzes unterschieden werden: Die Absicht, der direkte Vorsatz oder dolus directus und der Eventualvorsatz oder der dolus eventualis. Der Eventualvorsatz, der auch der „bedingte Vorsatz“ genannt wird, reicht für die Annahme der Tatbestandsverwirklichung aus, unter Umständen ist hier aber die größte Schwierigkeit zur Abgrenzung zur bewußten Fahrlässigkeit gegeben. Der BGH hat in der Entscheidung BGH NstZ 84,19 dazu definiert: „ Eventualvorsatz ist nach st. Rspr. gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht als ganz fernliegend erkennt und billigt.“

Den auf der Tatsachenbasis gezogenen Schluß auf diesen bedingten Tötungsvorsatz nahm nun auch der BGH für die letzte Phase der Mangelversorgung des Kindes Dennis an.

Soweit das Schwurgericht das Geschehen als grausame Tötung und damit als Mord gewertet hat, hat der Bundesgerichtshof das Urteil dahin abgeändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind.

Für die Annahme eines Mordes muss nämlich mindestens eines der Mordmerkmale des § 211 StGB erfüllt sein. Das Landgericht hatte hier das Mordmerkmal der Grausamkeit als gegeben angesehen. Dem hat der BGH nun widersprochen.

Grausam tötet, wer seinem Ofer in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. So hat der BGH schon in seiner Entscheidung BGHSt 3, 180 geurteilt. Grausam kann es sein, wenn eine Mutter ein einjähriges Kind planmäßig verhungern lässt. (MDR/D 74,14; NstZ 82,379, Eser in NstZ 83,439).

Aber es ist eben auch so, dass das grausame Verhalten vom Tötungsvorsatz umfasst sein muss, wie der BGH im 37. Entscheidungsband auf Seite 41 bereits ausgeführt hat.

Im konkreten Fall nun hat der BGH darauf erkannt, dass es letztlich offen bleibt, ob das Untätigbleiben der Angeklagten nicht insgesamt nur einer von Gedanken- und Hilflosigkeit geprägten, durch Passivität gekennzeichneten Lebensführung entsprang.

Hierfür sprechen die außergewöhnlichen Umstände im Tatbild und die mit psychischen Beeinträchtigungen belasteten Täterpersönlichkeiten.

Zudem verspürte das Kind infolge der sich über Jahre hinziehenden Mangelernährung bereits etwa eineinhalb Jahre vor seinem Tode keinen Hunger mehr. Dies hat das Schwurgericht aufgrund sachverständiger Begutachtung festgestellt. Darüber hinaus war festgestellt worden, dass den Kind die Nahrung nicht verweigert wurde.

Wenn hier dem Kind also etwas Grausames angetan wurde, nämlich seinen Körper der lebensnotwendigen Nahrungsaufnahme entwöhnt zu haben und aufgrund dessen auch die körperliche und seelische Entwicklung irreparabel geschädigt zu haben, dann bereits zu einer Zeit, als die Eltern noch keinen bedingten Tötungsvorsatz gefasst hatten.

Für die Verwirklichung des Mordmerkmals der Grausamkeit wäre es aber erforderlich, dass das Opfer die besonderen Schmerzen oder Qualen zu einem Zeitpunkt erlitten hat, zu dem bereits Tötungsvorsatz gegeben war.

Der BGH führte aufgrund dieser Überlegungen daher weiter aus:

„Da Dennis weder Hungergefühl äußerte noch sonst besondere Schmerzen erkennen ließ, kann allein aus dem Unterlassen von Hilfe trotz von den Angeklagten bemerkter fortschreitender Auszehrung – anders als vom Schwurgericht angenommen – nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass die mit der Versorgung ihrer sieben Kinder heillos überforderten Angeklagten etwaige Schmerzen körperlicher und seelischer Art bei Dennis noch in der maßgeblichen letzten Phase ihres Unterlassens erkannt hätten.“

Mit Blick auf den Zeitablauf seit der Tat und die besondere Tatentwicklung ist ausgeschlossen, dass das Landgericht noch Mordmerkmale tragfähig feststellen kann.

Der Senat hat daher den Schuldspruch selbst geändert und die Sache zur Festsetzung einer neuen Strafe an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschluss vom 13. März 2007 – 5 StR 320/06

LG Cottbus – 21 Ks 3/05 – Urteil vom 20. Februar 2006

16
Mär
07

Der BGH und die antifaschistischen Hakenkreuze: Freispruch

Herr A hat mit Nationalsozialisten nichts am Hut – im Gegenteil. Nicht zuletzt wegen seiner Gegnerschaft vertrieb er für die Punkszene Aufkleber, Anstecker und ähnliche Gegenstände, auf denen nationalsozialistische Kennzeichen abgebildet waren, die durchgestrichen oder zerschmettert waren. Auf alle Fälle war den Gegenständen unschwer zu entnehmen, dass sie eine Botschaft transportieren sollten, die da hieß: „Ich bin gegen Nazis!“.

Das Landgericht Stuttgart hatte ihn zu einer Geldstrafe verurteilt, und zwar wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Die zugehörige Norm findet sich im § 86 a des StGB.

㤠86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder
2.Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(2) 1Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. 2Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind.

(3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.“

Mit der Vorschrift sollen mehrerer Ziele verfolgt werden: Zunächst soll die verfassungsmäßigen Ordnung geschützt werden. Dies geschieht hier durch die Abwehr einer Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen. Außerdem werden deren verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterbunden. Dies alles soll dem Schutz des politischen Friedens in der Bundesrepublik dienen.

Zur Erreichung dieser Ziele soll schon der Anschein einer solchen Wiederbelebung vermieden werden.
Besonders wichtig ist dem Gesetzgeber, bei in- und ausländischen Beobachtern jeglichen Anschein zu vermeiden, dass der braune Geist wieder in Deutschland wehen dürfe. Deswegen soll es auch keine Toleranz geben, die dahingehend interpretiert werden könnte, dass in der Bundesrepublik verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet werden.

Darüber hinaus soll § 86a auch verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sich wieder derart einbürgert, also als etwas „Normales“ empfunden wird. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik zu verbannen.

Wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, befürchtete der Gesetzgeber die Folge, dass die verbotenen Zeichen schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können.

Hierzu gibt es bereits umfangreiche Rechtsprechung. (BGHSt. 23 267, 268 [BGH 29.05.1970 – 3 StR 2/70]; 25 30, 33 [BGH 18.10.1972 – 3 StR 1/71] I; 25 128, 130 [BGH 14.02.1973 – 3 StR 1/72] I; BGH NStZ 1983 261, 262 [BGH 10.12.1982 – 2 StR 601/82]).

Die ganze Vorschrift ist letztlich aber auch vom Misstrauen des Staates in seine Bürger gekennzeichnet. Es stellt sich die alte Frage, ob und gegebenenfalls wie mit Verboten etwas erreicht werden kann. Ob die Bestrebungen, vor den europäischen Nachbarn, vor Israel und vor der Weltgemeinschaft als antifaschistische Musterschüler dazustehen, tatsächlich mit den Mitteln des Strafrechtes erreicht werden können, ist eine andere Frage.

Hier sind – was die Vorschrift auch nicht unproblematisch macht – mehrere Grundrechte berührt: Als wichtigstes Grundrecht ist hier in diesem Zusammenhang die Meinungsfreiheit zu betrachten.

Das Landgericht hatte denzufolge sinngemäß gemeint, Hakenkreuz sei Hakenkreuz. Die transportierte Botschaft sei nicht beachtlich, vielmehr bestünde sogar die Gefahr, dass sich dann rechtsextreme Personen selbst dieser Artikel bedienen könnten und damit das Verbot unterliefen. Als würde im Zweifel die Frisur die Botschaft transportieren, die dem Anstecker immanent wäre – je nach Haartracht also Antifa oder aber Neonazi.

Der 3. Strafsenat hat das Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

Zur Auslegung des § 86 a StGB hat er ausgeführt, dass der Tatbestand zu weit gefasst ist und der Einschränkung bedarf. Bereits mit seiner in BGHSt. 23 267 [BGH 29.05.1970 – 3 StR 2/70] enthaltenen Auslegung Entscheidung hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer Überdehnung des Tatbestandes bestehe. In dieser Entscheidung hat er daher seine Auffassung dahingehend modifiziert, dass eine Kennzeichenverwendung dann aus dem Tatbestand auszuschließen sei, wenn sie dem Schutzzweck des § 86a ersichtlich nicht zuwiderlaufe.

Darüber hinaus war bereits im Gesetzgebungsverfahren die Gefahr der Überdehnung erkannt worden. Anstatt aber selbst tätig zu werden hat der GEsetzgeber die Eingrenzung der Vorschrift im Einzelfall aber der Rechtsprechung überlassen.

In der jetzigen Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation auch dann nicht von § 86 a StGB erfasst wird, wenn bereits der Inhalt der Darstellung in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt.

Dies gilt selbst dann, wenn solche Artikel aus kommerziellen Interessen massenhaft vertrieben werden.

Der vom Landgericht angesprochenen Gefahr, dass die verfassungswidrigen Organisationen sich dann solche „legalen“ Anstecker etc. zulegen könnten, hat der BGH nur theoretischen Charakter zugesprochen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass diese Gegenstände als Verhöhnung der „heiligen Symbole“ aufgefasst werden könnte.

Der Senat hat die Sache selbst abschließend entschieden. Bei den vom Angeklagten vertriebenen zahlreichen Artikeln war – mit einer Ausnahme – eindeutig und offenkundig die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus deutlich gemacht worden und daher der Tatbestand nicht erfüllt.

Lediglich bei einer CD-Hülle war die Distanzierung allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar und daher unzureichend. Doch hat der Senat ausgeschlossen, dass dem Angeklagten angesichts der besonderen Umstände insoweit ein entsprechender Vorsatz nachgewiesen werden könne, und ihn insgesamt freigesprochen.

Urteil vom 15. März 2007 – 3 StR 486/06

LG Stuttgart – 18 KLs 4 Js 63331/05 – Entscheidung vom 29. September 2006

16
Dez
06

Hoyzer und Co. : Der BGH sagt, es sei doch Betrug !

Die Urteile gegen Herrn Hoyzer die übrigen Beteiligten wurden heute vom Bundesgerichtshof bestätigt. Damit sind sie rechtskräftig geworden. Furore hatte die mündliche Verhandlung gemacht, in der die Bundesanwaltschaft, also die Anklägerin Freispruch gefordert hatte. Ein Betrug sei nicht nachweisbar.

In der Tat ist es nicht einfach, die juristisch saubere Argumentation zu verstehen. Wenn ein Spiel „verpfiffen“ wird, dann ist das zunächst einmal eine Sauerei. Die Zuschauer können sich betrogen fühlen, die Spieler, die um den gerechten Lohn ihrer Mühen gebracht worden sind, die Vereine, denen unter Umständen Einnahmen entgehen, weil sie aus dem Pokalwettbewerb ausgeschieden sind.

Der strafrechtliche Betrugsbegriff unterscheidet sich aber von dem landläufigen Begriff in mehrerer Hinsicht.

Die Einzelheiten sind hier ausführlich dargestellt.

Hieraus ist erkennbar, dass die Täuschungshandlung, die am Anfang des Geschehens steht, nicht auf dem Sportplatz stattgefunden haben kann, sondern im Wettbüro. Dort wird ein Wettvertrag abgeschlossen. Der BGH hat hierzu festgestellt, dass bei Abschluss dieses Vertrages schlüssig – also ohne ausdrückliche Kundgabe, erklärt werde, dass die Spiele nicht manipuliert seien. Die Erwartung darin, dass keinerlei sittenwidrige Manipulation stattgefunden habe, sei gleichsam eine unverzichtbare Geschäftsgrundlage.

Der Bundesgerichtshof hat in allen Fällen einen vollendeten Eingehungsbetrug zu Lasten der Wettveranstalter angenommen.

Weiterhin ist beim vollendeten Betrug ein Vermögensschaden notwendig. Dieser ist ebenfalls nicht ganz einfach zu erkennen. Der BGH hat nun angenommen, dass dieser darin gesehen werden muss, dass der gezahlte Wetteinsatz und die eingeräumte Gewinnchance nicht mehr zusammengepasst haben. Der BGH hat den Schaden auf ca. EUR 2,0 Millionen angenommen.

Der Betrug fand also nicht auf dem Fussballfeld statt, sondern im Wettbüro. Geschädigt waren die Wettanbieter. Der Betrug war damit schon vor dem Anpfiff vollendet.

Und Herr Hoyzer ist als Teil des ganzen Systems als Mittäter einzustufen, obwohl er selbst keinen Wettvertrag abgeschlossen hat, damit selbst weder eine Täuschungshandlung begangen noch einen Irrtum beim Wettanbieter hervorgerufen hat. Aber hier muss er so behandelt werden, wie derjenige, der beim Einbruch „bloß“ Schmiere gestanden hat.




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

Kanzlei bei der Hedinger Kirche Josefinenstraße 11/1 72488 Sigmaringen Tel.: 07571/52227 FAX: 07571/50285 Zweigstelle Biere August-Bebel-Straße 26a 39221 Biere Tel.: 039297/23370 Fax.: 039297/23371
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