Archive for the 'Schadensrecht' Category

13
Apr
10

Schadenersatzansprüche gegen den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gehen auch bei Altfällen nicht auf den Kfz-Kasko-Versicherer über

Herr A hatte ein Auto, das er bei der Versicherung V kaskoversichert hatte. Dieses Auto wurde bei einem Verkehrsunfall, den die Frau B als Fahrerin verursacht hatte, zerstört.  Die Versicherung V regulierte den Schaden und nahm dafür Frau B in Regress.

Weil der Unfall bereits vor der Novellierung des VVG stattfand, war noch altes Recht anzuwenden.

Der Regress richtete sich nach dem alten § 67 Absatz 1 VVG,

„Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.“

Im novellierten VV G heisst die entsprechende Norm:

„(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.“

Nun verhielt es sich so, dass Frau B mit Herrn A in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebte.

Damals gab es den § 67 Abs. 2 VVG und der lautete wie folgt:

„Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.“

Seit der Novelle ist der Anwendungskreis weiter gefasst und lautet im neuen § 86 VVG im dortigen Absatz 3 wie nachstehend:

„(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.“

Die Versicherung klagte gegen die Frau B.

Diese hatte sich im Prozess darauf berufen, dass sie und der Herr A seit Jahren einen gemeinsamen Hausstand führten und ein 1999 geborenes gemeinsames Kind hätten.

Die elterliche Sorge für ihr Kind übten Frau B und Herr A gemeinsam aus. , das sie gemeinsam aufzögen. Im Einzelnen hat die Beklagte behauptet, sie lebe mit dem Versicherungsnehmer bereits seit dem Jahr 1989 nichtehelich zusammen und übe das Sorgerecht für das Kind mit ihm gemeinsam aus.

Beide waren berufstätig und wirtschafteten gemeinsam. Der Lebensunterhalt wurde von beiden gemeinsam getragen. Herr A und Frau B haben auch ein Eigenheim gemeinsam errichtet. Die Finanzierung hierfür wurde von beiden gemeinsam getragen.

Der Bundesgerichtshof stand nun vor der Frage, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft in diesen Schutzbereich mit einbezogen werden musste.

Gestützt hat der BGH seine Entscheidung, wonach bei den Altfällen die analoge Anwendung des § 67 II VVG auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften geboten war auf die gesetzgeberische Entscheidung in der Reform, wonach die Beschränkung auf Familienangehörige aufgehoben worden ist.

Das Gericht führte hierzu aus, dass in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, für die gemeinsame Mittelaufbringung und -verwendung prägende Merkmale sind, die Inanspruchnahme des Partners den Versicherungsnehmer wirtschaftlich nicht minder treffe als in einer Ehe.

Die Bewahrung des häuslichen Friedens zwischen den Partnern soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch Streitigkeiten über die Verantwortung für Schadenszufügungen gestört werden. Dies trifft nach Auffassung des Gerichts für nichteheliche Lebensgemeinschaften in gleicher Weise zu wie bei Ehen.

Urteil vom 22. April 2009 – IV ZR 160/07

Landgericht Halle – Urteil vom 28. Dezember 2006 – 3 O 137/06

Oberlandesgericht Naumburg – Urteil vom 15. Mai 2007 – 9 U 17/07

04
Nov
07

Der Bundesgerichtshof zu Schadensersatz und Schmerzensgeld bei einer Rangelei auf einem Straßenfest.

Es hätte ein schönes Straßenfest werden sollen, für Unterhaltung und Geselligkeit war gesorgt. Und so schoben sich die Menschenmassen durch das Gedränge. Bis Herr A auf Herrn B traf. In dem Gewühl kam es zu einem leichten Zusammenstoß. Herrn A ärgerte dies – und er machte beim Weitergehen abfällige Bemerkungen über den Herrn B. Es kam in der Folge recht schnell zu einer Auseinandersetzung.

Herr A würgte den Herrn B. Herr B schubste Herrn A zurück. Herr A lief sodann mit geballten Fäusten auf Herrn B los. Herr B will den Angriff abwehren – und schlug Herrn A drei Mal ins Gesicht. Herr A ging zu Boden. Herr B erkannte, dass Herr A nunmehr kampfunfähig geworden war. Trotzdem schlug er nochmals auf den Herrn A ein, der auf dem Boden lag.

Herr A erlitt Frakturen am Unterkiefer.

Deshalb verlangte er hierfür Schadensersatz und ein angemessenes Schmerzensgeld.

Die Ansprüchsgrundlagen hierfür finden sich in den §§ 823 und 253 BGB:

㤠823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) 1Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. 2Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.“

und weiter:

㤠253 Immaterieller Schaden
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“

Voraussetzung für den Schmerzensgeldanspruch ist daher auf alle Fälle die Ersatzpflicht aus § 823 BGB.

Dreh- und Angelpunkt am jetzt entschiedenen Fall ist die Frage, ob die eingetretene Verletzung, nämlich die Frakturen am Unterkiefer des Herrn A auf einer widerrechtlichen Verletzung des Körpers beruhten.

Hierbei kommt der Frage der Widerrechtlichkeit deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil es bei einer Auseinandersetzung wie der vorliegenden darauf ankommt, wer von den Kontrahenden einen Rechtfertigungsgrund für sich beanspruchen kann.

Ein solcher kann sich hier aus § 227 BGB ergeben:

㤠227 Notwehr
(1) Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.

(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“

Demnach könnte hier Herrn B dieser Paragraph zur Seite gestanden haben.

Dies gilt nach Meinung der Instanzgerichte zumindest für die Schläge ins Gesicht des Herrn A, bevor dieser kampfunfähig zu Boden gegangen war.

Für seinen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch ist nun Herr A beweisbelastet. Das bedeutet, dass er für das erfolgreiche Durchdringen seiner Ansprüche darlegen und beweisen muss, dass die Verletzungen durch Schläge, die nicht durch die Notwehr gerechtfertigt waren, hervorgerufen wurden.

Wenn dieser Beweis nicht geführt werden kann, so führt dies zwangsweise zur Klageabweisung.

So kam es dann auch.

Herr A konnte den geforderten Beweis nicht führen. Er erhielt lediglich für die Schläge, die Herr B gegen ihn führte, während er kampfunfähig am Boden lag, ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.300,00 zugesprochen.

Der u. a. für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Das Gericht hat die Annahme einer Notwehrsituation bei den ersten Schlägen des Herrn B gebilligt. Hieraus folgt zwingend die angenommene Verteilung der Beweislast.

Weil mangels Beweisen des Herrn A nicht festgestellt werden konnte, dass die Verletzungen des Herrn A durch die nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigten Schläge des Herrn B verursacht worden sind, war die Klageabweisung die notwendige Folge.
Urteil vom 30. Oktober 2007 – VI ZR 132/06

Landgericht Offenburg – Urteil vom 2. Dezember 2004 – 2 O 141/04 ./. Oberlandesgericht Karlsruhe (Freiburg) – Urteil vom 2. Juni 2006 – 14 U 234/04

25
Sept
07

FOX ON THE RUN

„Ein Kraftfahrer, der mit seinem Fahrzeug einem die Fahrbahn überquerenden Fuchs ausweicht, handelt nicht grundsätzlich grob fahrlässig.“ – so lautet der Leitsatz eines Urteils des XII. Zivilsenats des BGH vom 11.07.2007.Das Gericht hatte sich bei dieser Entscheidung mit der Frage zu befassen, wann ein Fahrer für den am Mietwagen entstandenen Schaden aufzukommen habe, der durch das Ausweichen vor einem plötzlich auftretendem Tier verursacht wurde.

Herr A brauchte ein Auto. Zu diesem Zweck begab er sich zu einer Autovermietung. Am 08. Juni 2004 mietete er sich einen BMW 318. Mit diesem fuhr er in den frühen Morgenstunden des 13. Juni 2004 auf der A8 von Stuttgart in Richtung Pforzheim. Gegen 4 Uhr morgens sprang ihm ein Tier vor den Wagen – vermutlich war es ein Fuchs. Herr A erschrak, er lenkte instinktiv nach rechts und touchierte dabei die Leitplanke. Die Folge dieses Manövers war ein Schaden in Höhe von EUR 8.892,69. Der Fuchs hatte Glück – er verschwand unverletzt und ward nicht mehr gesehen.

Herr A konnte nun sein Leihfahrzeug nicht mehr im ursprünglichen Zustand zurückgeben. Aufgrund des Mietvertrages wäre er aber dazu verpflichtet gewesen. Der BGH hatte schon in seiner Entscheidung vom 10.07.2002 (AZ: XII ZR 107/99 )ausgeführt, dass der Mieter verpflichtet sei, „die Mietsache in dem Zustand zurückzugeben, in dem sie sich bei Mietbeginn befunden hat“

Deswegen machte auch die Vermieterin gegenüber dem Herrn A Schadensersatzansprüche geltend.

Soweit – so gut. Wäre da nicht eine Haftungsbefreiung mit Selbstbehalt gewesen. Bei der Übergabe des Fahrzeuges war Herrn A nämlich ein Papier ausgehändigt worden, das nicht nur deutlich mit „Mietvertrag“ überschrieben war, das nicht nur das Mietfahrzeug und den zu entrichtenden Mietzins näher bezeichneter, sondern darüber hinaus auch eine entsprechende Klausel zur Haftungsbegrenzung enthielt.

Diese Klausel beschränkte nun die Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit und im Übrigen auf einen Selbstbehalt in Höhe von EUR 550,00.
Die Klägerin behauptete nun, der Vertragsschluss sei bereits vorher mündlich erfolgt, die AGB seinen daher nicht wirksam in den Vertrag miteinbezogen worden. Deswegen hafte Herr A auch in voller Höhe.

Denn im §305 II BGB steht zu lesen:

„(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.“

Es kommt also auf den Vertragsschluss und damit auf diesen Zeitpunkt an. War dieser bei Aushändigung des „Mietvertrages“ also schon geschehen, konnten die AGB nicht mehr wirksam einbezogen werden.

Der BGH entschied nun, dass bei dieser Konstellation von einer einheitlichen Sichtweise ausgegangen werden müsse. Das bedeutet, dass der Vertragsschluss nicht in zwei Teile fällt, wie von der Klägerin vorgetragen: Die mündliche Abrede und die spätere Aushändigung der AGB. Vielmehr sei das Ganze ein einziger Vorgang, der Vetrag komme daher nicht schon bei der Einigung über die essentialia negotii – hier also Mietfahrzeug und Preis – zustande, sondern mit der Aushändigung der schriftlichen Vetragsurkunde.

Damit sind aber die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Die Folge hiervon ist, dass auch die Haftungsbefreiung vereinbart worden ist.

Bleibt also noch die weitere Frage, nämlich die nach dem Grad des Verschuldens.

Handelte Herr A grob fahrlässig, nützte ihm die Freistellung nichts. Handelte es sich um leichte Fahrlässigkeit, so war seine Haftung wirksam begrenzt.

Einfache Fahrlässigkeit wird im § 276 II BGB als das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt definiert. Demnach muss der Begriff Fahrlässigkeit je nach Kontext ausgelegt werden.

Als grob fahrlässig bezeichnete der BGH noch vor 10 Jahren noch das Verhalten eines Autofahrers, der bei 90 km/h einem Hasen auswich (vgl. BGH 18.12.1996-IV ZR 321/95 NJW 1997, 1012).
Heute kann festgestellt werden, dass zugunsten der Rechtssicherheit seit 2003 Einigkeit über die Bedeutung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit besteht. Grobe Fahrlässigkeit liegt seither dann vor, wenn „die Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt“ wurde und das Handeln einem „auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbaren Fehlverhalten“ entspricht (vgl. BGH 29.01.2003-IV ZR 173/01-NJW 2003, 1118,1119 m.w.N.).

Ein solcher auch subjektiv grob fahrlässig begangener Fahrfehler wäre bspw. der Fall, wenn der Fahrzeuglenker ein abruptes und unkontrolliertes Ausweichmanöver verbunden mit einer scharfen Abbremsung, aufgrund dessen der Fahrer die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert, durchgeführt hätte – so der BGH in seiner Begründung.

Im vorliegenden Fall war das Ausweichen des Mieters jedoch als entschuldbares natürliches reflexartiges Verhalten zu bewerten.

Aufgrund der wirksamen Haftungsbefreiung war Herr A deshalb er nicht zum Schadensersatz über den vereinbarten Pauschalbetrag hinaus verpflichtet.

AZ: XII ZR 197/05
OLG Karlsruhe 10 U 53/05
LG Karlsruhe 10 O 808/04

10
Jul
07

Was soll das Pfand in meiner Hand ?

BGH II ZR 232/05 und II ZR 233/05Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat jetzt in zwei Verfahren Stellung bezogen zur Rechtsnatur des Flaschenpfandes sowie zur Frage, wer eigentlich Eigentümer der Mehrwegflaschen ist.

In beiden Verfahren war die Beklagte die selbe. Sie vertreibt stilles Mineralwasser. Dieses füllt sie in 1,5 l-PET-Flaschen ab und bringt diese im Volksmund so genannten Plastikflaschen als Einwegpfandflaschen in den Verkehr. In die Flaschen selbst ist der Name des Wassers eingestanzt. Das Wort „Pfand“ oder „Pfandflasche“ ist aufgedruckt. Auf den Banderolen selbst ist ein Text aufgedruckt, der unter anderem die Worte „Pfand € 0,25″ oder „0,25 € Pfand“ enthält. Weil es sich um Einwegpfandflaschen handelt, werden diese nach Rückgabe zerkleinert und das so gewonnene Rohmaterial erneut verwendet.

Im ersten Fall klagte eine Firma, die sich mit der Sortierung von Getränkeflaschen befasst. Das Geschäftsmodell funktioniert so, dass sie aus den Kästen ihrer Vetragspartner die Flaschen anderer Hersteller aussortiert. Als Entgelt für diese Tätigkeit ist vereinbart, dass sie einen bestimmten Anteil der Flaschen, die von ihr aussortiert wurden, behalten darf. So sammelten sich im Laufe der Zeit erhebliche Bestände derjenigen Flaschen an, die die Beklagte zuvor in den Verkehr gebracht hatte.

Die Klägerin wollte „ihr Pfand einlösen“ – und verlangte die Zahlung von EUR 0,25 je Flasche aus ihrem Bestand – selbstverständlich Zug um Zug gegen Herausgabe dieser Flaschen.

Landgericht und Oberlandesgericht verurteilten die Beklagte vollumfänglich. Der BGH hat jetzt die Revision zurückgewiesen.

Der II. Zivilsenat hat die Rechtsnatur des Flaschenpfandes in diesem Falle näher beleuchtet. Zu diesem Zweck hat der den Aufdruck auf der Flaschenbanderole „Pfand € 0,25″ ausgelegt.

Die Auslegung ergibt, dass der Begriff so zu verstehen ist, dass hierin ein Angebot der Beklagten dergestalt zu sehen ist, dass sie demjenigen den dort aaufgeführten Betrag erstattet, der ihr wiederum den Besitz an dieser Flasche verschafft.

Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen, indem sie die Beklagte aufforderte, ihr den aufgedruckten Betrag auszubezahlen.

Damit ist nach den allgemeinen Regeln des BGB wirksam ein Vertrag über die Wiedereinräumung des Besitzrechtes gegen Erstattung des aufgedruckten Betrages zustande gekommen. Die Frage, wer ursprünglich den Pfandbetrag eingesetzt hatte und ob dieser durch seinen Verzicht auf Einlösung damit auch für alle Nachfolgenden das Rechts auf Rückerstattung verwirkt haben könnte, spielt daher keine Rolle.

Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte nicht auch aufgrund der Vorschriften der Verpackungsverordnung zur Rücknahme verpflichtet wäre. Diese Frage hat de Senat offen gelassen.

Urteil vom 9. Juli 2007 – II ZR 232/05

LG Wiesbaden – Urteil vom 15. November 2004 – 11 O 84/03 ./. OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. Juli 2005 – 10 U 274/ 04
Im zweiten Verfahren war die Klägerin gewissermaßen ein Konkurrenzunternehmen, denn sie vertreibt gleichfalls stilles Wasser in 1,5 l-PET-Flaschen. Allerdings nutzt sie diese nicht als Einwegpfandflaschen sondern befüllt diese nach eigenen Angaben bis zu 15 Mal neu.

Diese Flaschen bringt die Klägerin mit einem Pfand von EUR 0,15 in den Handel. Die Anschaffungskosten je Flasche belaufen sich auf EUR 0,173. Diese Flaschen sind mit einer Einprägung versehen, auf der „“GG-Pool“ zu lesen ist.

Bei der Beklagten sammelten sich nun im Laufe der Zeit 728.552 solcher Flaschen an. Wir erinnern uns, dass die Beklagte ja das PET-Einwegverfahren nutzt und die Flaschen nach dem Rücklauf zermahlen lässt.

Die Klägerin verlangt nun Schadenersatz dafür, dass die Beklagte diese Flaschen, die in ihrem Eigentum standen, vernichtet habe. Als Zeitwert setzt sie die hälftigen Entstehungskosten in Höhe von EUR 0,0865 an. Das ergibt insgesamt immerhin einen Betrag von EUR 63.019,748.

Außerdem verlangt sie die Unterlassung weiterer Vernichtungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur Herausgabe dieser Flaschen verpflichtet ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision wurde vom Oberlandesgericht aber zugelassen.
Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Vorstellungen des Rechtsverkehrs von einer einvernehmlichen Abrede zwischen allen Beteiligten auszugehen, dass es dem Endkunden freistehe, die Pfandflasche zurückzugeben oder stattdessen den eingesetzten Pfandbetrag verfallen zu lassen. Es könne zwar unterstellt werden, dass die Klägerin beim Verkauf des Wassers das Eigentum an den Flaschen nicht verloren habe.
Allerdings lasse diese so genannte „Ersetzungsbefugnis“ des Endkunden weitergehende Rechte der Eigentümerin verfallen. Der Endkunde erwerbe nach den Vorstellungen des OLG diese Ersetzungsbefungnis bei Zahlung des aufgedruckten Pfandbetrages. Bei jedem weiteren Besitzwechsel der Flasche gehe nun diese Ersetzungsbefugnis auf jeden neuen Besitzer der Pfandflasche über, da dieser sein Besitzrecht vom Endkunden ableiten kann. Folglich könne jeder neue Besitzer entscheiden, ob er den Pfandbetrag wieder einlösen wolle oder aber nicht. Diese Ersetzungsbefugnis steht aber dem Klageantrag entgegen.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat der Revision der Klägerin teilweise stattgegeben. Die
vom Berufungsgericht angenommene „Ersetzungsbefugnis“ hat der Senat verneint.

Vielmehr ist es so, dass der Eigentümer einer Pfandflasche sein Eigentum daran nicht verliert, wenn er diese Flasche aufgrund einer dauerhaften Kennzeichnung individualisiert und damit als sein Eigentum gekennzeichnet hat.

Er kann deshalb Herausgabe seiner Flaschen fordern und seine Konkurrenten wegen der Vernichtung seiner Flaschen auf Unterlassung und grundsätzlich auch auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, sofern ihm ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist.

Dieser Anspruch ergibt sich direkt aus §985 BGB.

Allederings hat das Gericht dem Ansinnen, für die vernichteten Flaschen Schadenersatz zu verlangen, einen Riegel vorgeschoben. Denn die Klägerin hatte ja für jede vernichtete Flasche ursprünglich einen Pfandbetrag in Höhe von EUR 0,15 vereinnahmt. Diesen Betrag muss sie sich dem entstandenen Schaden als Vorteil entgegenhalten lassen. Da der wirtschaftliche Wert der zerstörten Flaschen aber geringer war als dieser Vorteil, waren die weiteren Voraussetzungen für einen Schadenersatz nicht erfüllt.

Urteil vom 9. Juli 2007 – II ZR 233/05

LG Wiesbaden – Urteil vom 9. Dezember 2004 – 13 O 149/04 ./. OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. Juli 2005 – 10 U 11/05

09
Jul
07

Wenn einer eine Reise tut

…. dann kann er was erzählen. Für den Fall, dass die schönsten Wochen des Jahres nicht so verlaufen, wie man sich das im Vorfeld gedacht hat, hat der Gesetzgeber das Reisevertragsrecht ins BGB geschrieben – und zwar in den §§ 651 a bis m, gleich hinter dem Werkvertragsrecht.Das Reisevertragsrecht hat nun auch seine Tücken, insbesondere die knapp bemessene Ausschussfrist von nur einem Monat im § 651 g I BGB birgt die Gefahr in sich, dass allein wegen Fristversäumnis Ansprüche nicht mehr beachtet werden können:

„§ 651g Ausschlussfrist, Verjährung

(1) 1Ansprüche nach den §§ 651c bis 651f hat der Reisende innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. 2§ 174 ist nicht anzuwenden. 3Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.

(2) 1Ansprüche des Reisenden nach den §§ 651c bis 651f verjähren in zwei Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an dem die Reise dem Vertrag nach enden sollte.“

Werden also Ansprüche verspätet geltend gemacht, so ist der Reisende in der Beweisnot hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung, dass er das Fristversäumnis nicht schuldhaft zu vertreten hat. Hierbei gelten die üblichen Regeln, so dass unter Verschulden alle Fälle der Fahrlässigkeit und des Vorsatzes subsummiert werden können.

Nicht zuletzt um verbraucherschützenden Aspekten auch in diesem Bereich gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber aber auch Aufklärungspflichten der Reiseveranstalter ins Gesetz geschrieben. So legt schon die Eingangsnorm des §651 a den Pflichtenkatalog fest:

㤠651a Vertragstypische Pflichten beim Reisevertrag

(1) 1Durch den Reisevertrag wird der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. 2Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.

(2) Die Erklärung, nur Verträge mit den Personen zu vermitteln, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen (Leistungsträger), bleibt unberücksichtigt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt.

(3) 1Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) zur Verfügung zu stellen. 2Die Reisebestätigung und ein Prospekt, den der Reiseveranstalter zur Verfügung stellt, müssen die in der Rechtsverordnung nach Artikel 238 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Angaben enthalten.

(4) 1Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis nur erhöhen, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und damit einer Erhöhung der Beförderungskosten, der Abgaben für bestimmte Leistungen, die Hafen- oder Flughafengebühren, oder einer Änderung der für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird. 2Eine Preiserhöhung, die ab dem 20. Tage vor dem vereinbarten Abreisetermin verlangt wird, ist unwirksam. 3§ 309 Nr. 1 bleibt unberührt.

(5) 1Der Reiseveranstalter hat eine Änderung des Reisepreises nach Absatz 4, eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung oder eine zulässig Absage der Reise dem Reisenden unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungs- oder Absagegrund zu erklären. 2Im Falle einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als fünf vom Hundert oder einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten. 3Er kann stattdessen, ebenso wie bei einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter, die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen anderen Reise verlangen, wenn der Reiseveranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. 4Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung durch den Reiseveranstalter diesem gegenüber geltend zu machen.“

Hier findet sich nun im Absatz 3 versteckt, dass dem Reisenden gewisse Angaben nach der Rechtsverordnung zu Artikel 238 des EGBGB gemacht werden müssen.

„Art 238
Reiserechtliche Vorschriften

(1) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates,

1.
soweit es zum Schutz des Verbrauchers bei Reisen erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen, durch die sichergestellt wird,

a)
dass die Beschreibungen von Reisen keine irreführenden, sondern klare und genaue Angaben enthalten und
b)
dass der Reiseveranstalter dem Verbraucher die notwendigen Informationen erteilt und

2.
soweit es zum Schutz des Verbrauchers vor Zahlungen oder Reisen ohne die vorgeschriebene Sicherung erforderlich ist, den Inhalt und die Gestaltung der Sicherungsscheine nach § 651k Abs. 3 und der Nachweise nach § 651k Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzulegen und zu bestimmen, wie der Reisende über das Bestehen der Absicherung informiert wird.

2Zu dem in Satz 1 Nr. 1 genannten Zweck kann insbesondere bestimmt werden, welche Angaben in einem vom Veranstalter herausgegebenen Prospekt und in dem Reisevertrag enthalten sein müssen sowie welche Informationen der Reiseveranstalter dem Reisenden vor dem Vertragsabschluss und vor dem Antritt der Reise geben muss.

(2) Der Kundengeldabsicherer (§ 651k Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist verpflichtet, die Beendigung des Kundengeldabsicherungsvertrags der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.“

Soweit so gut – die Pflichtangaben sind auf dieser Ermächtigtungsgrundlage in die BGB-InfoV geschrieben worden, dort im Abschnitt 3 in die §§ 4 bis 11.

Jetzt findet sich hier im Paragraphen 6 folgende Vorschrift:

„§ 6 Reisebestätigung, Allgemeine Reisebedingungen

(1) Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) auszuhändigen.

(2) Die Reisebestätigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, außer den in § 4 Abs. 1 genannten Angaben über Reisepreis und Zahlungsmodalitäten sowie über die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 folgende Angaben enthalten:

1.
endgültiger Bestimmungsort oder, wenn die Reise mehrere Aufenthalte umfasst, die einzelnen Bestimmungsorte sowie die einzelnen Zeiträume und deren Termine,
2.
Tag, voraussichtliche Zeit und Ort der Abreise und Rückkehr,
3.
Besuche, Ausflüge und sonstige im Reisepreis inbegriffene Leistungen,
4.
Hinweise auf etwa vorbehaltene Preisänderungen sowie deren Bestimmungsfaktoren (§ 651a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und auf nicht im Reisepreis enthaltene Abgaben,
5.
vereinbarte Sonderwünsche des Reisenden,
6.
Namen und ladungsfähige Anschrift des Reiseveranstalters,
7.
über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags (§ 651e des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,
8.
über die nach § 651g des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuhaltenden Fristen, unter namentlicher Angabe der Stelle, gegenüber der Ansprüche geltend zu machen sind,
9.
über den möglichen Abschluss einer Reiserücktrittskostenversicherung oder einer Versicherung zur Deckung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit unter Angabe von Namen und Anschrift des Versicherers.

(3) Legt der Reiseveranstalter dem Vertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde, müssen diese dem Reisenden vor Vertragsschluss vollständig übermittelt werden.

(4) 1Der Reiseveranstalter kann seine Verpflichtungen nach den Absätzen 2 und 3 auch dadurch erfüllen, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach den Absätzen 2 und 3 entsprechen. 2In jedem Fall hat die Reisebestätigung den Reisepreis und die Zahlungsmodalitäten anzugeben.

(5) 1Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn die Buchungserklärung des Reisenden weniger als sieben Werktage vor Reisebeginn abgegeben wird. 2Der Reisende ist jedoch spätestens bei Antritt der Reise über die in Absatz 2 Nr. 7 bezeichnete Obliegenheit und die in Absatz 2 Nr. 8 bezeichneten Angaben zu unterrichten.“
– und damit endlich in Absatz 2 Nr. 8 die Aufklärungspflicht in Bezug auf die in § 651g BGB genannten Fristen.

Der für das Reisevertragsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über einen Fall der Schadensersatzpflicht des Reiseveranstalters für Reisemängel zu entscheiden, bei dem der Reisende diese einmonatige Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB versäumt hatte.

Dem Gericht lag folgender Sachverhalt vor:
„Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfalls, der ihr während eines bei dem beklagten Reiseveranstalter gebuchten Urlaubs in einem Ferienclub zustieß. Sie besuchte eine Animationsveranstaltung, bei der die Animateurin im Rahmen eines Wetten-dass-Spiels einem Kind die Wette anbot: „Wetten, dass es deiner Mama nicht gelingt, in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einzusammeln?“ Daraufhin begannen die Zuschauer, Schuhe auf die Bühne zu werfen. Dabei traf ein Schuh mit hohem, spitzem Absatz die in der ersten Reihe sitzenden Klägerin am Hinterkopf. Nach ihrer alsbaldigen Rückkehr von der Reise diagnostizierte ihr Hausarzt eine Gehirnerschütterung. Zwei Wochen nach dem Unfall hatte die Klägerin keine Beschwerden mehr. Einige Monate später traten bei ihr Kopfschmerzattacken und Sprach- und Koordinationsstörungen auf. Im Krankenhaus wurde aufgrund eines Elektroenzephalogramms ein Herdbefund festgestellt. Daraufhin meldete die Klägerin bei der Beklagten Schadensersatzansprüche an. Sie trägt vor, sie habe bei dem Vorfall im Ferienclub ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, das ein symptomatisches fokales Anfallsleiden ausgelöst habe, und es sei noch nicht abzusehen, ob ihr Leiden ausheilen oder aber sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln werde.“

Das Landgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat jetzt das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat die vertragliche Haftung des Reiseveranstalters dem rechtlichen Ansatz nach bejaht (§ 651f BGB).

Der Unfall stellte zumindest deshalb einen Reisemangel dar, weil nach der vom Bundesgerichtshof als Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren Feststellung des Berufungsgerichts die Gefahr des Schuhewerfens und die damit verbundene Verletzungsgefahr nicht fern lagen und die als Erfüllungsgehilfin des Reiseveranstalters zu behandelnde Animateurin diese Gefahr hätte vorhersehen und durch ein Verbot des Schuhewerfens hätte abwenden können.

Damit war also der Anwendungsbereich des Reisevertragsrechts eröffnet. Zu prüfen war nun weiterhin, ob die Mängelanzeige rechtzeitig erfolgt war, da die Ausschlussfrist des § 651 g versäumt worden ist.

Einen Ausschluss des Ausspruchs wegen Fristversäumung nach § 651g Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof hingegen deshalb verneint, weil die Klägerin an der Fristversäumung kein Verschulden traf.

Der Reiseveranstalter hatte sie nicht, wie aus obiger Paragraphenkette hergeleitet, auf die Ausschlussfrist hingewiesen. Damit hatte er sie gar nicht erst in Gang gesetzt.

Darüber hinaus hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ein Verschulden der Klägerin auch deshalb abgelehnt, weil diese, solange sie an eine harmlose Gehirnerschütterung glauben konnte, auf die Anmeldung von Ansprüchen verzichten durfte.

Der Rechtsstreit war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses noch keine tragfähigen Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen hat, ob der Unfall für das von der Klägerin geltend gemachte fokale Anfallsleiden kausal war.

Urteil vom 12.6.2007- X ZR 87/06

OLG Celle, Beschluss v. 20. Juli 2006 – 11 U 255/05

LG Hannover, Beschluss v. 20. September 2005 – 18 O 231/05

12
Jun
07

Der BGH verwirft erneut die fraud-on-the-market-theory

Hintergrund der Geschichte ist die Blase, die sich zum Ende des vergangenen Jahrhunderts am so genannten Neuen Markt entwickelte. Am 26.11.1999 wurde die ComRoad AG erstmals zum Handel am Neuen Markt zugelassen. Die Kursentwicklung liess einen schwindeln, der historische Höchstkurs wurde im September 2000 erreicht, nachdem die Aktie zunächst innerhalb weniger Wochen ihren Wert gegenüber dem Ausgabekurs verzehnfacht hatte und auch danach stetig nach oben kletterte.Der damalige Vorstandsvorsitzende der ComRoad AG trat in den Jahren 2000 und 2001 mit schöner Regelmäßigkeit an die Öffentlichkeit. Mit so genannten Ad-hoc-Mitteilungen wurde eine stetige Erweiterung des Geschäftsvolumens und eine Verbesserung der Geschäftsergebnisse vermeldet. Dies freute natürlich die Anleger.

Ad-hoc-Mitteilungen sind Meldungen die das Unternehmens herausgibt, um alle Aktionäre gleichmäßig und gleichzeitig zu unterrichten. Diese Meldungen dienen dem Anlegerschutz und so gibt es die Regelung im § 15 WpHG, wonach börsennnotierte Unternehmen verpflichtet sind, Unternehmensnachrichten, die den Aktienkurs potenziell erheblich beeinflussen können, unverzüglich zu veröffentlichen.

Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„§ 15 Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen an das Unternehmensregister

(1) 1Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen; er hat sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln. 2Als Inlandsemittent gilt im Sinne dieser Vorschrift auch ein solcher, für dessen Finanzinstrumente erst ein Antrag auf Zulassung gestellt ist. 3Eine Insiderinformation betrifft den Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. 4Wer als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, hat diese gleichzeitig nach Satz 1 zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. 5Erfolgt die Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation nach Satz 4 unwissentlich, so ist die Veröffentlichung und die Übermittlung unverzüglich nachzuholen. 6In einer Veröffentlichung genutzte Kennzahlen müssen im Geschäftsverkehr üblich sein und einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen.

(2) 1Sonstige Angaben, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 offensichtlich nicht erfüllen, dürfen, auch in Verbindung mit veröffentlichungspflichtigen Informationen im Sinne des Absatzes 1, nicht veröffentlicht werden. 2Unwahre Informationen, die nach Absatz 1 veröffentlicht wurden, sind unverzüglich in einer Veröffentlichung nach Absatz 1 zu berichtigen, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen.

(3) 1Der Emittent ist von der Pflicht zur Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1 solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. 2Die Veröffentlichung ist unverzüglich nachzuholen. 3Absatz 4 gilt entsprechend. 4Der Emittent hat die Gründe für die Befreiung zusammen mit der Mitteilung nach Absatz 4 Satz 1 der Bundesanstalt unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen.

(4) 1Der Emittent hat die nach Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 2 zu veröffentlichende Information vor der Veröffentlichung

1.
der Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte, an denen die Finanzinstrumente zum Handel zugelassen sind,
2.
der Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte, an denen Derivate gehandelt werden, die sich auf die Finanzinstrumente beziehen, und
3.
der Bundesanstalt

mitzuteilen. 2Absatz 1 Satz 6 sowie die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. 3Die Geschäftsführung darf die ihr nach Satz 1 mitgeteilte Information vor der Veröffentlichung nur zum Zweck der Entscheidung verwenden, ob die Ermittlung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist. 4Die Bundesanstalt kann gestatten, dass Emittenten mit Sitz im Ausland die Mitteilung nach Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vornehmen, wenn dadurch die Entscheidung der Geschäftsführung über die Aussetzung oder Einstellung der Ermittlung des Börsenpreises nicht beeinträchtigt wird.

(5) 1Eine Veröffentlichung von Insiderinformationen in anderer Weise als nach Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 darf nicht vor der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1, 4 oder 5 oder Absatz 2 Satz 2 vorgenommen werden. 2Der Inlandsemittent hat gleichzeitig mit den Veröffentlichungen nach Absatz 1 Satz 1, Satz 4 oder Satz 5 oder Absatz 2 Satz 2 diese der Geschäftsführung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 erfassten organisierten Märkte und der Bundesanstalt mitzuteilen; diese Verpflichtung entfällt, soweit die Bundesanstalt nach Absatz 4 Satz 4 gestattet hat, bereits die Mitteilung nach Absatz 4 Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vorzunehmen.

(6) 1Verstößt der Emittent gegen die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4, so ist er einem anderen nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2Schadenersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt.

(7) 1Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über

1.
den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1, 4 und 5 sowie Absatz 2 Satz 2,
2.
den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form einer Mitteilung nach Absatz 3 Satz 4, Absatz 4 und Absatz 5 Satz 2 und
3.
berechtigte Interessen des Emittenten und die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach Absatz 3.

2Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen.“

Dies ging bis ins Frühjahr 2002. Da nämlich kam ans Tageslicht, dass diese wunderbaren Mitteilungen inhaltlich mit der Wahrheit wenig zu tun hatten und schlichtweg falsch waren. Der damalige Vorstandsvorsitzende hatte die Umsatzzahlen, die diesen Meldungen zugrunde gelegt worden waren, schlichtweg fingiert.

Dafür ist er zwischenzeitlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Nachdem die Kursmanipulationen bekannt wurden, fiel der Kurs der Aktie ins Bodenlose, nämlich dauerhaft unter EUR 1,00.

Herr A und Herr B hatten ihre Aktien im Zeitraum von September 2000 bis Mai 2001 zu wesentlich teureren Konditionen erstanden, nämlich zu einem Preis zwischen EUR 15,00 und EUR 61,00 je Aktie.

Herr A und Herr B verklagten daraufhin die RoadCom AG.

Als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren stützten sie sich auf die §§ 826 und 31 des BGB.

„§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“

Der § 826 regelt also die Rechtsfolgen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Das dürfte unproblematisch sein, sollte man meinen. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende sitzt ja bereits wegen dieser Kursmanipulationen. Das war doch vorsätzlich und sittenwidrig zugleich. Sittenwidrig ist, seit der Definition des Reichsgerichts im 80 Band seiner Entscheidungen auf der Seite 221 in Anlehnung der Formel in den Motiven zum BGB (II S 125), was gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt.

Der § 31 BGB musste deswegen zusätzlich herhalten, weil die Herren A und B ja nicht den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden verklagen wollten sondern die – vermutlich noch solventere – AG.

„§ 31 Haftung des Vereins für Organe

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“

Nun ist eine Aktiengesellschaft ja kein Verein. Es ist aber anerkannt, dass diese Vorschrift für alle juristischen Personen Anwendung findet.

Die AG wollte sich noch auf die § 57 und § 71 des AktG zurückziehen,. Diese beiden Vorschriften regeln das Verbot der Einlagenrückgewähr und die Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien:

„§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen

(1) 1Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. 2Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien.

(2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden.

(3) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden.“

Und der § 71 AktG sagt nun folgendes:
„ § 71 Erwerb eigener Aktien

(1) Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben,

1.
wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden,
2.
wenn die Aktien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sollen,
3.
wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2, § 320b oder nach § 29 Abs. 1, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungsgesetzes abzufinden,
4.
wenn der Erwerb unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt,
5.
durch Gesamtrechtsnachfolge,
6.
auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals,
7.
wenn sie ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen ist, aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zum Zwecke des Wertpapierhandels. 2Der Beschluß muß bestimmen, daß der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf; er muß den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegen. 3Die Ermächtigung darf höchstens 18 Monate gelten; oder
8.
aufgrund einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, die den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der zehn vom Hundert nicht übersteigen darf, festlegt. 2Als Zweck ist der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen. 3§ 53a ist auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden. 4Erwerb und Veräußerung über die Börse genügen dem. 5Eine andere Veräußerung kann die Hauptversammlung beschließen; § 186 Abs. 3, 4 und § 193 Abs. 2 Nr. 4 sind in diesem Fall entsprechend anzuwenden. 6Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen.

(2) 1Auf die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien dürfen zusammen mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals entfallen. 2Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig, wenn die Gesellschaft die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf. 3In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4, 7 und 8 ist der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist.

(3) 1In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 8 hat der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien zu unterrichten. 2Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben. 3Im Falle des Absatzes 1 Nr. 8 hat die Gesellschaft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich von der Ermächtigung zu unterrichten.

(4) 1Ein Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 macht den Erwerb eigener Aktien nicht unwirksam. 2Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist jedoch nichtig, soweit der Erwerb gegen die Absätze 1 oder 2 verstößt.“

Hier hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass in dem Falle, wenn – wie hier – die AG wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch deren Vorstandsvorsitzenden in Anspruch genommen wird, der AG die Berufung auf diese Vorschriften verwehrt ist.

Das Landgericht hat beide Klagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat nach jeweiliger Parteivernehmung der Kläger deren Schadensersatzbegehren im wesentlichen stattgegeben und die Revisionen zugelassen.

Nun gibt es im amerikanischen Kapitalmarktrecht etwas, was dem deutschen Recht fremd ist, nämlich die so genannte: „fraud-on-the-market-theory“. Diese knüpft lediglich an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung an. Weitere Voraussetzungen werden hier nicht verlangt.

Im Gegensatz dazu hält das deutsche Deliktsrecht immer den Nachweis eines konkreten Kausalzusammenhangs zwischen Handlung und Schädigung für unabdingbar.

Die Leitentscheidung zu diesem Themenkomplex ist die Infomatec-Entscheidung des BGH in der Grundsatzentscheidung des Senats vom 19. Juli 2004 (BGHZ 160, 134, 144 ff. – Infomatec)

Dies hat im Bezug auf das Kapitalmarktrecht schon 2005 Prof. Hopt vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht kritisiert, wenn er in einer Studie zu dem nachstehend zitierten Ergebnis kommt:

„Zwar hat der BGH mit den „Infomatec“-Urteilen vom Juli 2004 im Grundsatz Schadensersatzansprüche gegen Vorstände börsennotierter Aktiengesellschaften nach § 826 BGB anerkannt und diese Rechtsprechung jüngst durch das EM.TV-Urteil (II ZR 287/02) fortentwickelt. Aber auch die durch diese Urteile geschaffene Rechtslage bleibt deutlich hinter dem Standard entwickelter Kapitalmarktrechte zurück. Während in Deutschland der Anleger die Kausalität zwischen Falschinformation und seiner Anlageentscheidung darlegen muss, lässt es etwa die amerikanische „Fraud-on-the-Market“-Theorie genügen, dass durch die fehlerhafte Information der Börsenkurs der Aktie beeinflusst wurde. Auf die persönliche Kenntnis des einzelnen Anlegers kommt es dort nicht an.“

Im Urteil vom 28.11.2005 hatte der BGH hierzu folgendes angemerkt:

„………der konkreten (haftungsbegründenden) Kausalität – in Anlehnung an die sog. Fraud-on-the market-theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts – an das enttäuschte Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung anzuknüpfen. Diesem Denkansatz, der zu einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf diesem Gebiet führen würde, ist der Senat in seiner bisherigen kapitalmarktrechtlichen Rechtsprechung zu den fehlerhaften Adhoc-Mitteilungen in Bezug auf die haftungsbegründende Kausalität (vgl. BGHZ 160, 134 – Infomatec; Urt. v. 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 – EMTV) nicht gefolgt; hieran hält er fest.

Das Erfordernis eines Nachweises des Anlegers, dass die unrichtige Adhoc-Mitteilung ursächlich für seinen Kaufentschluss war, hängt nicht etwa von der gewählten Schadensart ab, sondern gilt für die im Rahmen des § 826 BGB als Rechtsfolge in Betracht kommende Form des Schadensersatzes gemäß § 249 BGB – Naturalrestitution und Differenzschaden – in gleicher Weise.“

Im jetzt entschiedenen Falle hat der Senat wiederum die die Kausalitätserwägungen des angefochtenen Urteils beanstandet.

Das OLG neigte ebenfalls der fraud-on-the-market-theory zu, und erachtete deshalb den Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs für entbehrlich.

Der BGH hat nochmals klar herausgestellt, dass im Rahmen der Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung und der individuellen Anlageentscheidung auch dann geführt werden muss, wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist.

Dieser Nachweis wird aber in der Praxis für die getäuschten Anleger kaum zu führen sein.

Wegen verfahrensfehlerhaften Übergehens weitergehenden Parteivortrags der Kläger sind die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen an das OLG zur erneuten Verhandlung und ggf. Beweisaufnahme zurückverwiesen worden.

Urteile vom 4. Juni 2007 – II ZR 147/05 und II ZR 173/05

LG München I – 5 HKO 14438/04 . / . OLG München – 7 U 5303/04

LG München I – 5 HKO 16393/04 . / . OLG München – 7 U 5667/04

11
Jan
07

Schadensersatzansprüche gegen den Staat wegen unzumutbarer Verzögerung von Eintragungen im Grundbuch

Am heutigen Donnerstag hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ein Urteil gefällt, auf das viele schon lange gewartet haben dürften.

Es ging um die Frage, ob einem Grundstückseigentümer Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zustehen. Beklagter im Verfahren war Vater Staat.

Hintergrund der ganzen Geschichte war die Tatsache, dass ein Grundbuchamt personell hoffnungslos überlastet war. Der zuständige Rechtspfleger kam seiner Arbeit nicht mehr hinterher – er versank in seinen Aktenbergen. Abhilfe war nicht in Sicht. Die knappen Kassen der öffentlichen Hand sind ja schon längst kein Staatsgeheimnis mehr.

In dem zu entscheidenden Falle verhielt es sich nun so, dass ein Bauträger auf seinem Grundstück Eigentumswohnungen gebildet und diese an Interessenten verkauft hatte.

Die Käufer hatten nun in den notariellen Kaufverträgen mit dem Bauträger vereinbart, dass der Kaufpreis dann bezahlt werden sollte, wenn für die Käufer Vormerkungen zur Sicherung ihrer Ansprüche im Grundbuch eingetragen waren.

Das ist so durchaus üblich. Die Vormerkung im Grundbuch sichert die Käufer dahingehend ab, dass das Objekt im Kaufvertrag nicht ein zweites Mal veräußert werden kann. Das deutsche Sachenrecht kennt das sogenannte Publizitätsprinzip. Das bedeutet, dass Änderungen an Rechtsverhältnissen an Sachen deutlich nach außen sichtbar sein müssen. Dieses schützt den Rechtsverkehr. Bei beweglichen Sachen läßt sich dieses relativ einfach bewerkstelligen. So normiert beispielsweise der § 929 zum Eigentumsübergang, dass dieser erfolgt, wenn sich die Parteien über den Eigentumsübergang einig sind und – jetzt kommt die Publizität ins Spiel – zusätzlich der Veräußerer dem Erwerber die Sache übergibt.

Bei Immobilien ist das Ganze schon etwas schwieriger. Deshalb hat man sich die Sache mit dem Grundbuch einfallen lassen. Das, was im Grundbuch steht, stellt dann die entsprechende Öffentlichkeit her.

Nun geht das Eigentum an einem Grundstück durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch über. Weil für diese Zeit beide Parteien schutzbedürftig sind, hat man sich den Dreh mit der Vormerkung einfallen lassen. Ansonsten stünde man vor dem unlöbaren Problem, ob das Eigentum übergehen soll während man noch aufs Geld wartet oder aber ob man das Geld los ist und das Eigentum vielleicht nie bekommt….

Die Vormerkung setzt dafür eine Marke ins Grundbuch, dergestalt, dass drinsteht : Hier hat einer vorrangige Rechte, jetzt kommt kein anderer mehr vorher in das Buch.

Soweit – sogut.

In unserem Falle wartete also der Bauträger auf die Eintragung der Vormerkungen – damit endlich das Geld fließt. Unser Rechtspfleger brauchte hierfür etwas mehr Zeit, weil er überlastet war. Nach einem Jahr und acht Monaten war es endlich soweit. Das Geld hätte fließen können.

Leider war die Liquidität des Bauträgers nicht für diese lange Wartezeit geschaffen. Vor Ablauf dieser zwanzig Monate war er insolvent geworden.

Die finanzierende Sparkasse hatte sich davor noch die Ersatzansprüche abtreten lassen.

Sie verlangte nun einen Zinsschaden, der dem Bauträger wegen dieser 20 Monate entstanden war. Und es ging hier nicht um Ackermann’sche peantus, sage und schreiben EUR 450.000,00 standen als Zinsverluste zu Buche.

Als Schädiger machte die Sparkasse das Bundesland Schleswig-Holstein aus. Schließlich war der Rechtspfleger Beamter des Landes, das Grundbuchamt beim Amtsgericht Landesbehörde.

Das Landgericht Lübeck wies die Klage am 27.08.2004 ab, das Oberlandesgericht Schleswig gab ihr am 10.11.2005 statt, so landete das Ganze vor dem Bundesgerichtshof.

Dieser hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurück verwiesen.

Dabei hat der BGH jedoch die Ersatzansprüche im Ansatz durchaus bejaht, Zur Begründung führte er unter anderem aus, jede Behörde habe die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten.

Die Überlastung der zuständigen Beamten hat der BGH zwar gesehen, aber angemerkt, dass für den Fall, dass dies nicht gewährleistet sei, nicht nur die zuständige Behörde ( in unserem Falle das Amtsgericht), sondern auch die übergeordneten Stellen (hier nun das Landgericht, danach das Oberlandesgericht und zuletzt das Justizministerium) im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen.

Weitere Sachverhaltsfeststellungen sind allerdings vonnöten, da im konkreten Fall bislang nicht hinreichnd die Frage aufgeklärt wurde, inwieweit die oben genannten Behörden hierzu in der Lage gewesen wären. Deshalb wurde eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht nötig.

Der BGH hat aber auch an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass ein Schadensersatzanspruch des Bürgers nicht auf eine etwaige Pflichtverletzung des Parlamentes bei der Haushaltsplanung und dessen Gesetzgebung gestützt werden kann.

Außer dem Amtshaftungsanspruch kommt noch ein Entschädigungsanspruch des Grundstückseigentümers für die Entgangene Nutzung in Betracht.

Die Rechtsprechung hat für solche Fälle das Instrument des so genannten „enteignungsgleichen Eingriffs“ geschaffen. Dies ist dann der Fall, zwar keine Enteignung vorliegt, für den Eigentümer sich die Situation aber so darstellt, als wäre er enteignet.

Dieser Ausgleichsanspruch ist zwar nicht auf den vollen Schadensausgleich gerichtet, der BGH hat in seiner Entscheidung aber die Voraussetzungen für gegeben erachtet.

Zur Höhe dieses Anspruches bedarf es gleichfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht.

Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05

OLG Schleswig – Urteil vom 10. November 2005 – 11 U 145/04 ./. LG Lübeck – Urteil vom 27. August 2004 – 9 O 159/02




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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