Archive for the 'Verfassungsrecht' Category

15
Nov
07

Das Privatleben der Franziska van A. und der „vorbeugende“ Schutz vor unerlaubten Bildveröffentlichungen.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes muss sich immer wieder mit dem Privatleben prominenter Persönlichkeiten beziehungsweise mit dem Schutz desselben befassen. Bewegt man sich hier doch im Spannungsfeld verfassungsrechtlich geschützter Positionen. So stehen sich das Interesse der Öffentlichkeit auf umfassende Information auf der einen Seite und das Recht auf Schutz der Privatsphäre oftmals unversöhnlich gegenüber.Der Bundesgerichtshof hat aus dieser Spannung heraus eine umfassende Rechtssprechung entwickelt. Kern dieser Rechtssprechung ist die einzelfallbezogene Abwägung dieser widerstreitenden Interessen.

In der neuesten Entscheidung ging es aber nun einen Schritt weiter: Der BGH musste sich der Frage widmen, ob dem Menschen, der Objekt der Begierde geworden ist, auch ein Anspruch darauf zusteht, dass auch zukünftig keine im Kern gleichartigen Bilder veröffentlicht werden, wenn zwischen den Parteien die Widerrechtlichkeit der bereits erfolgten Veröffentlichung außer Streit steht.

Geklagt hatte Franziska van Almsiek, die sich schon im Teenageralter als „Gold-Franzi“ in die Herzen der interessierten Öffentlichkeit geschwommen hatte.

Als sie sich nun im Jahre 2005 mit ihrem Partner in Sardinien aufgehalten hatte, waren heimlich von eimen Paparazzo Bilder angefertigt worden, die dann von der Beklagten in mehreren von ihr verlegten Zeitschriften veröffentlicht worden waren. . Die mit den Fotos bebilderten Artikel waren überschrieben mit dem Namen der Klägerin und ihres Partners und trugen Untertitel wie „Turtelnd und verliebt im Urlaub“.

Daraufhin wurde außergerichtlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend verlangt, dass die Beklagte es zu unterlassen hat, diese Bilder erneut zu verbreiten. Diese Erklärung, die im Falle des Zuwiderhandelns auch mit einer Vertragsstrafe versehen war, wurde von der Beklagten abgegeben.

Doch das war der Klägerin noch nicht genug. Denn sie befürchtete, dass die Beklagte einfach weitere Bilder veröffentlichen könnte, die im Kern eigentlich gleichartig wären. In diesem Falle liefe die strafbewehrte Unterlassungserklärung ins Leere, die Gefahr eines rechtswidrigen Eingriffs in die Privatsphäre bestünde aber weiterhin.

Aus diesem Grunde wurde letztlich in zwei Verfahren Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Bildnisse der Klägerin, die sie in ihrem privaten Alltag zeigen, zu verbreiten.

Das Berufungsgericht hat diesen Antrag für zu weitgehend erachtet. Eine Verurteilung erfolgte aber dahingehend, dass die Beklagte es zu unterlassen habe, im Kern gleichartige Bilder wie die von der Klägerin vorgerichtlich beanstandeten zu veröffentlichen.

Der VI. Zivilsenat hat nun auf die Revision der Beklagten hin beide Klagen abgewiesen – und zwar vollumfänglich.

Zwar stehe die Rechtswidrigkeit der bereits erfolgten Veröffentlichungen nicht im Streit. Dies ergibt sich auch schon aus den vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungsverpflichtungen.

Es ist aber nach Auffassung des Gerichts nicht möglich, im Voraus zu beurteilen, ob ein Unterlassungsanspruch auf die Veröffentlichung „kerngleicher“ Bilder bestehe.

Dies steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Denn für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist es in jedem Einzelfall erforderlich, dass eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre vorgenommen wird.

Das Gericht führt daher folgerichtig aus, dass eine solche Interessenabwägung nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden könne, die noch gar nicht bekannt seien und bei denen insbesondere offen sei, in welchem Kontext sie veröffentlicht würden.

Es kommt nämlich nicht nur auf die Bilder an, sondern auf die Zusammenschau von Wort- und Bildberichterstattung. Bei der gebotenen Abwägung könne nämlich auch die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen.

Urteile vom 13. November 2007 – VI ZR 265/06 und VI ZR 269/06

LG Berlin – Entscheidungen vom 22.11.2005 – 27 O 812/05 und 27 O 782/05

KG Berlin – Entscheidungen vom 6.11.2006 – 10 U 282/05 und 10 U 6/06

04
Jul
07

BGH: Auch King Kahn hat ein Privatleben !

Privat ist privat. Dies gilt auch für prominente Zeitgenossen. Der Bundesgerichtshof musste sich jetzt wieder hiermit auseinandersetzen. Bereits die Rechsprechung zum Schutz der Privatsphäre Caroline von Monaco, die ich hier in diesem Rechtsprechungsblog veröffentlicht habe als auch die ebenfalls hier kürzlich besprochene Entscheidung zum Privatleben Herbert Grönemeyers geben die Richtung vor.Abzustellen ist auf das Spannungsverhältnis, das die Vorschriften in den §§ 22 und 23 KUG vorgeben. Dieses Verhältnis ist Ausdruck der dahinter stehenden Grundrechte.

Es ist abzuwägen zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Auf dieser Basis hat der BGH ein abgestuftes Schutzkonzept bei der Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz des Betroffenen entwickelt. Die Einzelheiten des Schutzkonzepts sind in den Beiträgen zu Caroline von Monaco und Herbert Grönemeyer ausführlich dargestellt.

Im vorliegenden Fall hat der BGH nun diese Rechtsprechung fortgeführt.

Es ging darum, dass die Beklagte in der Ausgabe Nr. 30/2005 der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ eine Fotografie veröffentlichte, die den Kläger Oliver Kahn bei einem Spaziergang in Begleitung seiner Freundin V.K. auf der Promenade in St. Tropez zeigt.

Der Begleittext hierzu nahm Bezug auf die Kinder und die Noch-Ehefrau, mit denen er eine Woche zuvor einen Familienurlaub verbracht habe, während jetzt Olli Kahn mit seiner Freundin verliebte Blicke tausche.

Der damalige Bayern-Keeper und Nationaltorwart war „not amused“ – wie er sein Privatleben so in der Öffentlichkeit ausgebreitet sehen musste und verlangte von der Beklagten, es zu unterlassen, das Bild fürderhin zu veröffentlichen.

Er obsiegte in allen Instanzen.

Ohne Einwilligung dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur verbreitet werden, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (§§ 22, 23 KunstUrhG).

Der BGH führte hierzu weiter aus, dass selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes diese Berichterstattung keinen Vorgang von zeitgeschichtlichem Interesse betrifft.

Das Gericht stellt dabei besonders darauf ab, dass die beanstandete Aufnahme den Kläger und seine Begleiterin im Urlaub zeigt. Auch bei „Prominenten“ gehört der Erholungsurlaub zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre,

Das Gericht weist darauf hin, dass zwar die Presse grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, was sie für berichtenswert hält.

Gleichwohl obliegt es der Presse im Rahmen ihrer ihr zustehenden Pressefreiheit, selbst abzuwägen, ob der Anspruch der Öffentlichkeit, über Zeitgeschehen unterrichtet werden zu können, dem Schutz des Betroffenen überwiegt.

Urteil vom 3. Juli 2007 – VI ZR 164/06

Landgericht Hamburg – Urteil vom 9. Dezember 2005 – 324 O 684/05 ./. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg – Urteil vom 20. Juni 2006 – 7 U 9/06

24
Mai
07

Bundesverfassungsgericht: Unterschiedliche Dauer der Unterhaltsansprüche für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt in einem Beschluss vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 9/04 –, der mit 7 : 1 Stimmen ergangen war, zur Frage der Ungleichbehandlung von geschiedenen und ledigen Eltern im Unterhaltsrecht Stellung bezogen. Die Entscheidung des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts fiel auf eine Vorlage des Oberlandesgerichts Hamm hin.

Der Gesetzgeber ist nunmehr verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2008 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung kommen die bestehenden Regelungen allerdings weiter zu Anwendung.

Dieser Beschluss betrifft zwar das Unterhaltsrecht, wie es vor der Reform 2007 Geltung besitzt, die Grundüberlegungen haben auch Auswirkungen auf die – noch immer geplante – Reform. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil der Gesetzgeber nicht willens war, an dieser nun für verfassungswidrig erkannten Konstruktion etwas zu ändern.

Es geht hier jeweils um den Unterhalt, den der Elternteil, der ein gemeinsmes Kind betreut, vom anderen Elternteil verlangen kann.

Die hierzu einschlägigen Normen finden sich, je nach familienrechtilicher Stellung der Unterhaltsberechtigten an zwei unterschiedlichen Stellen im BGB: Da ist zumächst der § 1570 BGB, der den nachehelichen Unterhalt regelt. Dieser ist gemeinsam mit dem § 1569 BGB zu lesen. Der § 1570 BGB bildet nämlich einen Ausnahmetatbestand von dem gesetzlichen Grundmodell, wonach jeder Ehegatte nach der Scheidung für sich selber sorgen müsse.

„§ 1569 BGB Abschließende Regelung

Kann ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften.“

Diese Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht am . 14.7.1981 schon entschieden: – 1 BvL 28/77 u. a. –

Die dem § 1569 folgende Vorschrift ist diejenige, die den Unterhaltsanspruch wegen Kinderbetreuung regelt:

㤠1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.“

Die Rechtsprechung hat nun diese Vorschrift mit Leben erfüllt. Die so genannten unterhaltsrechtlichen Leitlinien der familienrechtlichen Senate an den Oberlandesgerichten gehen übereinstimmend davon aus, dass bis zum Alter eines Kindes von acht Jahren beziehungsweise bis zum Ende seiner Grundschulzeit für den betreuenden Elternteil keine Erwerbsobliegenheit besteht. Erst danach besteht eine Pflicht zur Erwerbsarbeit, wobei diese zunächst nur in Teilzeit zu suchen ist.

Für die nicht miteinander verheirateten Eltern und ihre Kinder hat der Gesetzgeber nun einen gesonderten Abschnitt ins BGB eingefügt, nämlich die §§ 1615 a bis o BGB, wobei die Buchstaben b bis k bereits im Zuge der Kindschaftsrechtsreform 1998 gestrichen wurden:

㤠1615a Anwendbare Vorschriften

Besteht für ein Kind keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1, § 1593 und haben die Eltern das Kind auch nicht während ihrer Ehe gezeugt oder nach seiner Geburt die Ehe miteinander geschlossen, gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit sich nichts anderes aus den folgenden Vorschriften ergibt.“

Während die Kindschaftsrechtsreform die Gleichstellung der nichtehelichen mit den ehelichen Kindern anstrebte, wurde die nun angegriffene Ungleichbehandlung des betreuenden Elternteiles als gerechtfertigt angesehen.

Derjenige Elternteil, der ein nichteheliches Kind betreut, hat nur einen Unterhaltsanspruch nach dem § 1615l BGB:

㤠1615l Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt

(1) 1Der Vater hat der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. 2Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen.

(2) 1Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. 2Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. 3Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt; sie endet drei Jahre nach der Geburt, sofern es nicht insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen.

(3) 1Die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten sind entsprechend anzuwenden. 2Die Verpflichtung des Vaters geht der Verpflichtung der Verwandten der Mutter vor. 3Die Ehefrau und minderjährige unverheiratete Kinder des Vaters gehen bei Anwendung des § 1609 der Mutter vor; die Mutter geht den übrigen Verwandten des Vaters vor. 4§ 1613 Abs. 2 gilt entsprechend. 5Der Anspruch erlischt nicht mit dem Tod des Vaters.

(4) 1Wenn der Vater das Kind betreut, steht ihm der Anspruch nach Absatz 2 Satz 2 gegen die Mutter zu. 2In diesem Falle gilt Absatz 3 entsprechend.“

Die Verpflichtung des anderen Elternteils zur Gewährung von Unterhalt an den betreuenden Elternteil endet gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB im Regelfall spätestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes.

Das Bundesverfassungsgericht stand nun vor der Frage, ob diese beiden unterschiedlichen Regelung der Dauer des Unterhaltsanspruchs eines kinderbetreuenden Elternteils mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Maßstab war hier der Artikel 6 Grundgesetz:

Art 6

„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) 1Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 2Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.“

Hier findet sich im Absatz 5 das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, nichtehelichen Kindern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dadurch wird klargestellt, dass die Schlechterstellung der nichtehelichen Kinder verboten ist. Das Gericht führte hierzu weiter aus, es gehe nicht an, „mit zweierlei Maß zu messen und bei ehelichen Kindern eine erheblich längere persönliche Betreuung für angezeigt zu halten als bei nichtehelichen Kindern.“

Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Frage, wie viel ein Kind an persönlicher elterlicher Betreuung und Zuwendung bedarf, sich nicht danach richte, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist.

Durch die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung von Kindern wird das nichteheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes zurückgesetzt. Durch die bestehende Regelung wird nämlich dem Kind die Möglichkeit genommen wird, ebenso lang wie ein eheliches Kind im Mittelpunkt elterlicher Sorge zu stehen.

Diese unterschiedliche Behandlung sieht das Gericht unter keinem Gesichtspunkt als gerechtfertigt an.

Zunächst werden die verschiedenen sozialen Bedingungen, unter denen die Kinder leben untersucht. Festzustellen ist hierbei, dass sich die tatsächlichen Lebensbedingungen von ehelichen Kindern geschiedener Eltern und nichtehelichen Kindern im Prinzip nur unwesentlich unterscheiden. Maßgeblich ist hierbei, dass der betreuende Elternteil auf die Sicherstellung seines Unterhalts angewiesen ist, wenn er das Kind persönlich betreuen und deshalb keiner Erwerbsarbeit nachgehen kann oder will.

Im Gesetzgebungsverfahren war eine große Bandbreite unterschiedlicher Lebensgestaltungen, die im Gegensatz zu verheirateten Eltern bei nichtverheirateten Eltern anzutreffen seien, angeführt worden.

Diese Argumentation steht aber in direktem Widerspruch zu Art. 6 Abs. 5 GG. Das Grundgesetz bezweckt gerade die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern keine Verantwortung füreinander übernommen haben, mit solchen Kindern, deren Eltern in ehelicher Verbundenheit füreinander und für ihr Kind Sorge tragen.

Auf die Art der elterlichen Beziehung kommt es daher hinsichtlich eines Unterhaltsanspruchs, der wegen der Pflege oder Erziehung eines Kindes gewährt wird, nicht an.

Begründet wird dies damit, dass der Unterhaltspflichtige vom Gesetz deswegen in Anspruch genommen wird, damit das Kind von seinem anderen Elternteil persönlich betreut werden kann. Im Zentrum Überlegung steht daher wiederum das nichteheliche Kind und nicht der unterhaltsberechtigte Elternteil. Folgerichtig sagt dann das Gericht, dasas die Vielgestaltigkeit nichtehelicher Beziehungen nicht zu unterschiedlicher Elternverantwortung gegenüber dem Kind führen darf.

Als weiteres Kriterium wurde sodann die nachwirkende eheliche Solidarität nach der Scheidung geprüft, die bei nicht verheirateten Eltern naturgemäß nicht gegeben sein kann. Diese nachwirkende Solidarität kann zwar durchaus besondere Ansprüche begründen, aber eben nicht die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche rechtfertigen.

Die Ehe geniesst gleichfalls den besonderen Schutz des Artikels 6. Deswegen kann auch grundsätzlich der geschiedene Ehegatte unterhaltsrechtlich zunächst besser gestellt werden als der nicht verheiratete Elternteil. Das Gericht hat dies am Beispiel des § 1573 BGB ausgeführt.

Das Gericht weist aber auf folgendes hin: „Räumt der Gesetzgeber aber dem geschiedenen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch allein wegen der persönlichen Betreuung des gemeinsamen Kindes ein, dann verbietet es ihm Art. 6 Abs. 5 GG, die Dauer der für notwendig erachteten persönlichen Betreuung beim ehelichen Kind anders zu bemessen als bei einem nichtehelichen Kind.“

So sei weder dem Wortlaut des § 1570 BGB noch seiner Entstehungsgeschichte eine über die Kinderbetreuung hinausgehende Ausrichtung des Unterhaltsanspruchs zu entnehmen.

Der Gesetzgeber hat erst später einen Hinweis dahingehend nachgeschoben, dass der Betreuungsunterhalt auch durch den zusätzlichen Schutzzweck der nachehelichen Solidarität begründet sei. Hierfür finden sich aber dem Gericht zufolge keine Anhaltspunkte. Die ausschließlich nach dem Kindesalter bemessene Dauer des Unterhaltsanspruchs aus § 1570 BGB spricht vielmehr gegen die Annahme und Berücksichtigung eines solchen weiteren, die Dauer des Anspruchs bestimmenden Grundes.

Auch die Rechtsprechung richtet die Unterhaltsdauer ausschließlich am Alter der Kinder aus. Das Alter eines Kindes ist demnach sicherlich ein geeigneter Anknüpfungspunkt, um den Bedarf eines Kindes an persönlicher Betreuung durch einen Elternteil zu bestimmen. Das Alter ist aber kein tauglicher Maßstab dafür, zeitlich zu bestimmen, wie lange einem Elternteil nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern wegen seines Vertrauens auf die während der Ehe eingenommene Rolle als Betreuer des Kindes Unterhalt gewährt werden sollte.

Damit differenziert das Gericht erheblich im Hinblick auf die nacheheliche Solidarität. Der geschiedene Ehegatte kann daher keinen Vertrauensschutz wegen dem Alter des Kindes aus der Ehe herleiten. Die kinbezogene Ausgestaltung des § 1570 BGB steht einer solchen weitreichenden Auslegung im Wege.

Das Gericht kommt daher folgerichtig zu dem Schluss: „Aufgrund der Anknüpfung ausschließlich an das Alter des Kindes beruht die unterschiedliche Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt allein auf einer unterschiedlichen Einschätzung des Betreuungsbedarfs von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Dies aber verbietet Art. 6 Abs. 5 GG.“

Nachdem die Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG feststeht, hatte das Gericht noch zu prüfen, ob die Vorschrift des § 1615l BGB nicht ihrerseits das in Art. 6 Abs. 2 geschützte Elternrecht verletzten könnte. Dies hat das Gericht verneint, da die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist.

Dies ist neben den verfassungsrechtlichen Feststellungen eine wichtige Richtungsvorgabe des Gerichtes, gerade im Hinblick auf die Regelungsbedürftigkeit in der Unterhaltsrechtsreform 2007. Die unterhaltsrechtlich gebotene Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern führt daher nicht zwangsläufig zu einer Verlängerung der Unterhaltspflicht für den betreuenden Elternteil.

Das Gericht hat hier wesentliche Argumente angeführt, die so auch in der Diskussion um den § 1570 BGB eine Rolle spielen müssen.

Zum einen liegt es in der Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers, für wie lange er es aus Kindeswohlgesichtspunkten für erforderlich und dem unterhaltspflichtigen Elternteil zumutbar erachtet, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil durch Gewährung eines Unterhaltsanspruchs an diesen zu ermöglichen.

Zum anderen hat er jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz eingeräumt. Damit hat er sichergestellt, dass ein Kind ab diesem Alter in der Regel eine außerhäusliche Betreuung erfahren kann.

Es ist eine vertretbare Einschätzung des Gesetzgebers, wenn er es deshalb nicht für notwendig erachtet hat, den betreuenden Elternteil länger von seiner Erwerbsobliegenheit zu entbinden.

Das Gericht stützt sich hier darauf, dass der Gesetzgeber vielmehr unter Auswertung wissenschaftlicher Studien davon ausgegangen ist, eine Betreuung des Kindes im Kindergarten sei diesem nicht abträglich, sondern fördere wichtige Kompetenzen des Kindes.

Dies dürfte auch nun in der aktuellen Debatte um die frühkindliche Betreuung in Kinderkrippen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Es könnte dann unterhaltsrechtlich durchaus die Obliegenheit gesehen werden, ein vorhandenes Krippenangebot in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig Erwerbsbemühungen zu entfalten. Der in der Diskussion stehende Betreuungsbonus, der bei Kinderbetreuung zu Hause bezahlt wird, wäre dann in diesem Falle voll bedarfsmindernd aber keinesfalls bedarfsprägend einzusetzen. Da aber eine solche Konsequenz letztlich auf eine Sozialisierung von Unterhaltszahlungen hinausliefe, wäre der Gesetzgeber gut beraten, diese Fragestellungen auch im Hinblick auf die anstehende Unterhaltsreform erneut zu überdenken.

Abschließend hat das Gericht noch die verschiedensten Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Gesetzgeber den verfassungswidrigen Zustand beseitigen kann.

Denkbar sind sowohl eine Änderung des § 1615 l BGB, als auch eine Änderung von § 1570 BGB. Es können auch beide Sachverhalte einer Neuregelung unterzogen werden. In jedem Fall muss der Gesetzgeber aber einen gleichen Maßstab hinsichtlich der Dauer des Betreuungsunterhalts bei nichtehelichen und ehelichen Kindern zugrunde zu legen.

Beschluss vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 9/04 –

07
Mär
07

Caroline Caroline

Nach der wegweisenden CICERO-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat diese Woche sich der Bundesgerichtshof gleichermaßen mit der Pressefreiheit zu beschäftigen gehabt.
Die bisherige Rechtsprechung, die sich in Jahrzehnten fortgebildet hatte, war durch die Caroline-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24. Juni 2004 weggefegt worden.

Der BGH musste sich nun mit mehreren OLG-Entscheidungen befassen, die in der Folge dieses Urteils ergangen waren. Wie schon damals war die älteste Grimaldi-Tochter auf der Klägerseite, dieses Mal mit ihrem Ehemann. Dieses ist nicht verwunderlich, gehört die Prinzessin von Hannover doch zu den entscheidensten Vorkämpferinnen für das Rechts auf Privatsphäre im Wettlauf mit den Begehrlichkeiten der Regenbogenpresse und der Bedürfnisse der nicht blaublütigen Bevölkerung an Teilhabe an den Vorgängen der europäischen Fürstenhäuser. Das Landgericht hatte den Klagen im Hinblick auf das des EGMR stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klagen abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Schutz der Privatsphäre der Abgebildeten hinter dem mit der Pressefreiheit verwirklichten Informationsinteresse der Allgemeinheit zurücktrete, wenn die veröffentlichte Aufnahme die abgebildete Person in der Öffentlichkeit zeige.

Die spannende Frage, um die es ging, war das Spannungsverhältnis zwischen zwei Grundrechten: Einerseits die Grundrechte aus Artikel 1 und 2 GG, die Menschenwürde und die allgemeine Handlungsfreiheit. Die Rechtsprechung hierzu hatte ihren Ausgangspunkt im Herrenreiterfall, in dem in der Begründung sehr schön die dogmatische Herleitung nachzulesen ist.

Auf der anderen Seite steht das Grundrecht aus Artikel 5 : die Pressefreiheit. Diese hat bekanntermaßen zwei Richtungen: Da ist zum Einen die Presse, die zur zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben darüber berichten darf, was sie berichtenswert hält. Hierbei darf sie keinerlei Zensur unterliegen. Daraus folgt die Befugnis und die Pflicht, nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden zu können, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält.

Zum Anderen gibt dieses Grundrecht auch ein Recht auf Information. Die Öffentlichkeit darf daher nicht durch hoheitliche Maßnahmen daran gehindert werden, über das Zeitgeschehen unterrichtet zu werden. Der freie und mündige Bürger kann seine Freiheit nur wahrnehmen, wenn er sich frei und ungehindert über alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse informieren kann und sich dadurch ein eigenes Bild verschaffen kann.

Nachdem sich dieses Spannungsverhältnis nicht grundsätzlich auflösen lässt – zugunsten der Privatsphäre oder zugunsten der freien Presse, bedarf es also der Interessenabwägung.

Die freie und unzensierte Presse muss diese Abwägung in ihrer eigenen Verantwortung wahrnehmen – nur so kann dauerhaft deren Freiheit gesichert werden.

Im diesem Rahmen muss nun das Urteil des EGMR vom 24. Juni 2004 Berücksichtigung finden.

Für den Informationsanspruch der Öffentlichkeit ist es daher von erheblicher Bedeutung, welchen Informationswert die Berichterstattung hat. Dies muss auch bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte beachtet werden.

Das Gericht hat deshalb hierzu ausgeführt:

„Der erkennende Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer wiegt, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das muss im Grundsatz auch für Personen mit hohem Bekanntheitsgrad gelten, so dass es auch hier eine Rolle spielt, ob die Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es nicht aus, dass im Einzelfall für den Informationswert einer Berichterstattung der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, ein weites Verständnis sowie die Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.“

Hieraus folgte nun eine sehr genaue Prüfung anhand dieser ermittelten Maßstäbe, mit der Folge, dass bestimmte Veröffentlichungen rechtens waren. Den anderen Texten war nach Auffassung des Gerichtes keinerlei Beitrag zu einem Thema von allgemeinem Interesse zu entnehmen.

Die Folge hiervon war, dass die zugehörigen Abbildungen in Ermangelung eines objektiven Informationswerts ohne Einwilligung der Abgebildeten unzulässig sind. Konkret waren dies Bilder im Zusammenhang mit der damaligen Erkrankung des Vaters der Klägerin, Fürst Rainier von Monaco. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des BGH,dass es sich bei dieser Erkrankung es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelte. Folglich durfte die Presse darüber berichten. Zentral ist die Aussage : „Auf den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung des Artikels kommt es nicht an, da die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulässt, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des Presseerzeugnisses abhängig zu machen. Das gilt auch, soweit der Artikel das Verhalten von Familienmitgliedern während der Krankheit des Fürsten betrifft…“

Exemplarisch nannte das Gericht die Berichterstattung über den Urlaub der Kläger in St. Moritz sowie über eine Geburtstagsfeier und schließlich auch für Abbildungen im Zusammenhang mit einem Bericht über die Vermietung einer Villa der klagenden Eheleute in gleicher Weise.

Urteile vom 6. März 2007: VI ZR 13/06, 14/06, 50/06, 51/06, 52/06, 53/06

LG Hamburg – 324 O 871/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 84/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005

LG Hamburg – 324 O 870/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 85/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005

LG Hamburg – 324 O 872/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 87/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 873/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 88/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 869/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 82/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 868/04 – Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg – 7 U 81/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

22
Feb
07

Bundessozialgericht: Krankenkasse muss Gehälter ihres Vorstandes veröffentlichen

Was die Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist, sagt uns § 1 des SGB V – nämlich die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.

Das SGB V regelt die gesetzlichen Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Man unterscheidet zwischen primären Trägern und Ersatzkassen der GKV, wobei zu den ersteren die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), die Betriebskrankenkassen (BKK) und die Innungskrankenkassen (IKK) gehören.

Außer den Ersatzkassen gibt es noch einige „Spezialkassen“. Hierzu zählen die landwirtschaftlichen Krankenkassen, die See-Krankenkasse und die Knappschaft für Bergleute.

Diese Gliederung hat historische Gründe. Sie geht auf die früher bestehenden Selbsthilfeeinrichtungen zurück. Diese wurden in das solidarische System der gesetzlichen Krankenkassen einbezogen.

1996 trat das Gesundheitsstrukturgesetz in Kraft. Dadurch wurden alle Kassen leistungsrechtlich auf eine Ebene gestellt.

Dennoch sind die Kassen weiter unter Druck: Auch im Zuge der jüngst verabschiedeten Gesundheitsreform war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die gesetzlichen Krankenkassen zu mehr Wettbewerb und Konzentration anzuhalten.

Die Gesamtzahl der gesetzlichen Krankenkassen hat sich in den letzten 15 Jahren deutlich verringert. Waren im Jahre 1991 noch 1.209 Kassen registriert, gab es zum Jahresanfang 2006 gab es nur noch 253 gesetzliche Krankenkassen. Diese betreuten ca. 70.000.000 Versicherte.

Die Krankenkassen finanzieren sich hauptsächlich aus den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber. Sonstige Einnahmen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Allen Bemühungen zum Trotz sind die Verwaltungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen gestiegen: von EUR 106,00 je Mitglied im Jahre 1992 bis zu 159,69 EUR im Jahre 2005.

Verwaltet werden die Kassen von einem hauptamtlichen, auf sechs Jahre gewählten Vorstad. Dieser besteht je nach Kassengröße aus 1 bis 3 Personen. Das steht im § 35 a SGB IV:

„(1) Bei den Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie den Ersatzkassen verwaltet der Vorstand die Krankenkasse und vertritt die Krankenkasse gerichtlich und außergerichtlich, soweit Gesetz und sonstiges für die Krankenkasse maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen. …

(3) Die Mitglieder des Vorstandes üben ihre Tätigkeit hauptamtlich aus. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre; die Wiederwahl ist möglich.

(4) Der Vorstand besteht bei Krankenkassen mit bis zu 500.000 Mitgliedern aus höchstens zwei Personen, bei mehr als 500.000 Mitgliedern aus höchstens drei Personen. … „

Seit 2004 sind die Krankenkassen verpflichtet, jeweils zum 1. März eines Jahres im Bundesanzeiger sowie in ihrer Mitgliederzeitschrift die Höhe der jährlichen Vergütungen ihrer Vorstandsmitglieder zu veröffentlichen. Dies hat der Gesetzgeber so in den § 35a des SGB IV geschrieben, dort im 6. Absatz im zweiten Satz:

„Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Vorstandsmitgliedern in Zusammenhang mit ihrer Vorstandstätigkeit von Dritten gewährt werden, sind dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates mitzuteilen. „

Einige Kassen weigerten sich, dem nachzukommen. Darunter war auch die Betriebskrankenkasse, die jetzt dieses Musterverfahren durchgeführt hatte.

Das Bundesversicherungsamt ist die Aufsichtsbehörde über die gesetzlichen Krankenkassen. Nachdem die BKK sich weigerte, die Vergütung bekannt zu geben, verpflichtete das Amt die Betriebskrankenkasse, dieses zu tun.

Die Kasse und der Vorstand klagte – zunächst beim Sozialgericht Detmold. Dies blieb ohne Erfolg – und so landete das Verfahren beim Bundessozialgericht.

Die Kasse glaubte gute Gründe zu haben – gibt es doch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht kennen wir seit dem Volkszählungsurteil von 1983. Es wird aus den Artikeln 1, der die Menschenwürde an den Anfang stellt, und 2, der die allgemeine Handlungsfreiheit normiert. So hatte auch das BVerfG ausgeführt: „Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“

Die Revisionen der Kasse wie auch des Vorstandes wurden jetzt am 14. Februar 2007 vom Bundessozialgericht zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Klage des Vorstandes sah das Gericht schon die Aktivlegitimation nicht für gegeben. Adressat der Aufsichtsverfügung war die Kasse, nicht der Vorstand. Daher fehlt dem Vorstand in prozessrechtlicher Hinsicht die Befugnis, hiergegen vorgehen zu können. Die Klage war daher unzulässig – auf die weitere Frage nach der Verletzung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung kam es daher auch nicht an. Wer nicht Adressat einer Verfügung ist kann durch sie auch nicht in seinen Rechten verletzt werden.

Die Klage der Betriebskrankenkasse hingegen war zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht hat den Eingriff in das Grundrecht des Vorstandes auf informationelle Selbstbestimmung gesehen. Diesen Eingriff hat es abgewogen mit dem gesetzgeberischen Anliegen, im Gesundheitswesen eine höhere Transparenz zu schaffen. Diese gilt für Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität. Die Beitragszahler und die Öffentlichkeit haben ein Informationsbedürfnis auch im Hinblick auf die Vorstandsgehälter. Schließlich sind die Kassen – wie oben ausgeführt – fast vollständig beitragsfinanziert.

Das Gericht hat weiter ausgeführt. Dass auch sonstige Bedienstete in öffentlichen Funktionen – die Kontrolle ihrer aus öffentlichen Abgaben finanzierten Bezüge durch die Öffentlichkeit hinnehmen und deren Publizität dulden müssen. Exemplarisch nennt es hier Abgeordnete, Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Richter.

Die Anknüpfung speziell an die Vorstandsgehälter kann für weite Kreise der Bevölkerung nach Auffassung des Gerichtes den Umgang mit Krankenversicherungsbeiträgen exemplarisch und plastisch veranschaulichen.

Hierdurch wird eine weitgehende Vergleichbarkeit erst möglich.
Bei der bloßen Veröffentlichung von Zahlenmaterial über Leistungs- oder Verwaltungsausgaben wäre dies nicht in gleicher Weise gewährleistet.
Die Vorstände haben eine herausgehobene Funktion. Sie stehen auch im Blickfeld der Öffentlichkeit, was nicht zuletzt durch den Aufschrei in der Boulevardpresse bei den ersten Veröffentlichungen deutlich wurde. Aufgrund dieser Funktion müssen sie die Veröffentlichung in einer allgemein zugänglichen Quelle wie dem Bundesanzeiger und in der Mitgliederzeitschrift hinnehmen.

Die Abwägung ergab daher, dass der Eingriff nicht rechtswidrig ist, die gesetzliche Regelung sei angemessen und notwendig. Die dargestellten öffentlichen Interessen überwiegen die Interessen der Vorstände. Die Verhältnismäßigkeit bleibt gewahrt.

Aktenzeichen: – B 1 A 3/06 R –

15
Feb
07

BGH: Eingetragene Lebenspartnerschaft darf gegenüber der Ehe bei der Altersversorgung benachteiligt werden.

Der BGH hat mit Urteil vom 14.02.2007 entschieden, dass bei der Altersversorgung im öffentlichen Dienst die Benachteiligung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe rechtens sei.

Herr A ist seit 1977 im öffentlichen Dienst beschäftigt. Seit 2001 lebt er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Er begehrte daher von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, wie ein verheirateter Arbeitnehmer behandelt zu werden. Zum 01. Januar 2002 war die Zusatzversorgung auf ein Betriebsrentensystem umgestellt worden.

Wenn die Versorgungsanstalt dem Ansinnen Folge geleistet hätte, wäre die Folge hieraus gewesen,dass die bisher zurückgelegten Anwartschaften unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/0 zu berechnen gewesen wären. Außerdem bestünde die Möglichkeit, dass dem überlebenden Lebenspartner im Todesfalle eine Hinterbliebenenrente zu gewähren wäre.

Die Versorgungsanstalt lehnte ab. Herr A blieb jetzt in allen Instanzen erfolglos.

Dies hat mehrere Gründe:

Zunächst einmal hat das Gericht die Tarifverträge genauer betrachtet. Es stellte hierbei klar, dass in den Tarifverträgen keine Rechte eingetragener Lebenspartner vorgesehen sind. Diese Tarifverträge sind aber die Grundlage der Satzung der Versorgungsanstalt.

Zu den Tarifvertragsparteien gehören Bund, Länder und Gemeinden. Es handelt sich ja um einen Fall aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz war den Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Tarifvertrages bestens bekannt. Gleichwohl haben sie bewusst davon abgesehen, hier die verheirateten Arbeitnehmer den in Lebenspartnerschaft lebenden gleichzustellen.

Damit ist die Prüfung aber noch nicht beendet.

Vielmehr kommt noch durchaus ein Verstoß gegen das Grundgesetz oder europäisches Recht in Frage. Schließlich ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu beachten, das seit dem vergangenen Sommer Diskriminierungen verhindern sollte.

Hinsichtlich des Grundgesetzes kommt eine Anknüpfung an Artikel 6 GG in Betracht. Hier verhält es sich aber gerade so, dass das Grundgesetz eine Bevorzugung der Ehe durchaus zulässt. Und über die Unterschiede, warum Lebenspartnerschaft gerade nicht Ehe sein durfte, war nicht zuletzt im Gesetzgebungsverfahren hiermit begründet worden.

Bleibt also noch europäisches Recht:

Hier hat das Gericht zunächst ausgeführt, dass die Satzung der Versorgungsanstalt an den Familienstand anknüpfe. Sodann waren die Art. 141 EG und die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zu prüfen. Hierzu liegt bereits Rechtsprechung des EuGH vor. Hieraus ergibt sich der Umstand, dass die Ehe durchaus gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens bevorzugt werden dürfe. Dies folgt aus einem allgemeinen gesellschaftlichen Anliegen, nämlich die Sicherung des Generationenvertrages.
Fortpflanzung und Erziehung eigenen Nachwuchses sichert die Zukunft nicht nur der Familie sondern im Ganzen betrachtet auch die Zukunft der Gesellschaft. Nachdem die Gerichte den Ort für Fortpflanzung und Erziehung vorrangig in der Ehe gesehen haben, darf sie im Hinblick hierauf auch bevorzugt werden.

Weil hier schon Rechtsprechung des EuGH vorliegt, war der BGH auch nicht gehalten, eine Vorlage an den EuGH zur Beantwortung dieser Frage zu richten.

Außerdem würde die Satzung aufgrund der Anknüpfung eben an den Familienstand und nicht an die sexuelle Ausrichtung keine Diskriminierung des Herrn A darstellen. Dies gelte sowohl für den Maßstab des AGG wie auch für die dem nationalen Recht zugrunde liegenden Richtlinie.

Der BGH hat hier den Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft weiter zementiert.

Ob diese Rechtsprechung vor allem im Lichte der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen dauerhaften Bestand haben wird, wird sich zeigen.

Urteil vom 14. Februar 2007 – IV ZR 267/04

LG Karlsruhe – Urteil vom 26.3.2004 – 6 O 968/03 ./. OLG Karlsruhe – Urteil vom 21.10.2004 – 12 U 195/04

06
Feb
07

Das Bundesverfassungsgericht und die Jagd (4)

Im letzten Beitrag hatten wir uns damit beschäftigt, ob durch die gesetzgeberische Ausgestaltung des Jagdausübungsrechtes eine Verletzung des in Artikel 14 Grundgesetz garantierten Eigentums vorliegt.

Wir hatten uns das Schrankensystem näher betrachtet. Hieraus lässt sich nun der Schluss ziehen, dass es entscheidend darauf ankommt, was der Gesetzgeber zu regeln beabsichtigte. Wenn es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich geht, genießt das Eigentum einen besonders ausgeprägten Schutz. Das hat das Verfassungsgericht mehrfach entschieden, so zum Beispiel in den Entscheidungen BVerfGE 42, 263 ; 50, 290 ; 70, 191 ; 95, 64 . Diese hat das Gericht auch in der nun vorliegenden Entscheidung ausdrücklich zitiert.

Anders sieht es aber aus, wenn der soziale Bezug des Eigentums stärker in den Vordergrund rückt. Während auf der einen Seite die persönliche Freiheit oben an steht, kommt es bei der Gestaltung des sozialen Bezuges des Eigentumsobjekts auf die Eigenart und die Funktion desselben an.

Hierfür hat das Gericht seine Entscheidungen aus dem 53. und 100. Band der Sammlung herangezogen. (BVerfGE 53, 257 ; 100, 226 ).

Im nächsten Schritt hat das Gericht sodann geprüft. Sowohl die Abspaltung des Jagdausübungsrechtes vom Grundeigentum als auch die Einbindung der Grundstücke in gemeinschaftliche Jagdbezirke stellen sowohl Inhaltsbestimmungen als auch Schrankenbestimmungen des Eigentums dar. Dass dies zulässig ist, haben wir bereits im letzten Beitrag gesehen.

Wenn es jetzt um die Einordnung dieser Inhalts- und Schrankenbestimmungen geht, war folglich zu fragen, ob es sich nun eher um die Sicherung der persönlichen Freiheit oder aber um den sozialen Bezug des Eigentums geht. Je stärker der soziale Bezug im Vordergrund steht, umso mehr kann der Gesetzgeber in das Eigentum eingreifen.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat das Bundesverfassungsgericht diese Inhalts- und Schrankenbestimmungen als mit der Eigentumsfreiheit in Artikel 14 in den Absätzen 1 und 2 des Grundgesetzes gesehen.

Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes dürfen darüber hinaus aber auch nicht unverhältnismäßig sein. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung hat drei Elemente.

Zuerst ist nach den legitimen Zielen zu fragen gewesen, danach nach der Erforderlichkeit der Regelung und zuletzt war der Frage nachzugehen, ob die Eigentümerinteressen vielleicht nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt waren. Hierbei ist es von erheblicher Bedeutung, dass die erhöhte Sozialbindung des Eigentums zu berücksichtigen war, sowie die Tatsache, dass die Regelung des Jagdrechts aus naturgegebenen Gründen nicht an Grundstücksgrenzen halt machen kann.

Das Gericht kam hierbei zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber bei der Zweckbestimmung des Jagdrechtes den ihm aufgrund der erhöhten Sozialbindung zustehenden Spielraum nicht überschritten habe. Es schließt daraus, dass er damit legitime Ziele verfolge.

Dies gelte, so das Bundesverfassungsgericht, sowohl für die im § 1 BJagdG ausdrücklich
geregelten Zwecke. Aber auch für das gesetzgeberische Anliegen, die Jagdbefugnisse grundstücksübergreifend zu regeln, bewege sich in diesem Rahmen.
Um dieses Ergebnis zu untermauern, hat das Gericht die Gesetzgebungsmaterialen mit zu Rate gezogen.

Den Ausgangspunkt finden wir im zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976, wie es im Bundesgesetzblatt I, Seite 2841 veröffentlicht ist.

Mit diesem Gesetz wurde der § 1 des BJagdG neu gefasst. Hierbei wurden die Belange des Tierschutzes ausdrücklich berücksichtigt. Deswegen findet sich im Absatz 1 im zweiten Satz die Pflicht zur Hege.

Im zweiten Absatz dieses ersten Paragrafen wird das Ziel der Hege definiert, nämlich sowohl die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes, als auch die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen.

Hierbei hat das Wort „landeskulturell“ eine besondere Bedeutung. Zunächst einmal besteht eine enge Verbindung zwischen der Landschaftspflege und der angestrebten Verbesserung der Agrarstruktur. Auch schon damals war die Wichtigkeit der ökologischen Ausgleichsfunktion des ländlichen Raumes erkannt worden. Der mit der Hege zu erhaltende Wildbestand sollte auf diese Bedürfnisse der Landeskultur hin ausgerichtet werden.

Im Gesetzentwurf liest sich in der Begründung dazu, dass der Begriff nach den Vorstellungen des Gesetzgebers alle ökonomischen und ökologischen Aspekte umfassen sollte, die bei der Anpassung des Wildbestandes an die land- und forstwirtschaftlich genutzte und betreute Landschaft zu berücksichtigen sind. Dies kann man so in der Bundestagsdrucksache mit der Nummer 4285 aus der siebenten Legislaturperiode auf der Seite 11 nachlesen.
Im Gesetzgebungsprozess war der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestags der Meinung, dass es auch eine Funktion der Hege sei, dass sie auch der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung diene.

Um dieses Anliegen noch klarer herauszustellen, schlug der Ausschuss dem Deutschen Bundestag den Gesetz gewordenen § 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG vor. Gesetzeszweck war daher, dass durch die Hege nicht nur Wildschäden vermieden werden sollten, sondern darüber hinaus möglichst jede Art von Beeinträchtigung einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung unterbunden werdeb sollte. Diesen Willen des Gesetzgebers kann man im Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wie er in der Bundestagsdrucksache 7/5471, S. 3, 6 abgedruckt ist, nachlesen.

Nun musste das Verfassungsgericht wieder den Weg zum Ausgangsfall zurück finden. Schließlich ist in Karlsruhe keine Superrevisionsinstanz. Herr A hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil er glaubte, durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in seinen verfassungsmässigen Rechten verletzt worden zu sein. Außerdem hatte er gerügt, die Gerichte hätten dem Bundesjagdgesetz weitere Zwecke unterlegt, um dem Anwendungsbereich der Europäischen Menschenrechtskonvention zu entgehen.

Das Gericht hatte nun folglich zu prüfen, welche Gesetzeszwecke die Gerichte ihren Entscheidungen zugrunde gelegt hatten. Ein Vergleich dieser Entscheidungen ergab, dass diese gesetzgeberischen Zwecke so wie sie im Bundesjagdgesetz ausdrücklich festgelegt waren, und wie sie sich – wie oben dargestellt – aus den Materialien zur Gesetzgebung ergeben, auch den verwaltungsgerichtlichen Urteilen zugrunde gelegt worden waren.

Hieraus folgt nun dreierlei:

Der Gesetzgeber durfte so handeln, wie er es getan hat. Wegen der Sozialbindung des Eigentums hat er sich zulässig innerhalb der Inhalts- und Schrankenbestimmung bewegt.

Die Gerichte haben den Gesetzeszweck, wie ihn das Bundesverfassungsgericht aus den Materialien herausgearbeitet hat, korrekt angewendet.

Hieraus folgt auch drittens, dass das Vorbringen des Herrn A, die Gerichte dürften dem Bundesjagdgesetz nicht Zwecke unterlegen, um dem Anwendungsbereich der Europäischen Menschenrechtskonvention zu entgehen, daher unberechtigt war.

….. to be continued ………

06
Feb
07

Wer erbt was im Deutschen Kaiserhaus ?

Die Nachkommen des letzten Deutschen Kaisers, Wilhelm II beschäftigen nicht nur die yellow-press. Auch für die Juristen sind die innerfamiliären Vorgänge äußerst interessant.

Nicht weit von Württemberg und Baden,
von Bayern und der schönen Schweiz,
da ragt ein Berg so hoch erhaben,
den man den Hohenzollern heißt.
Er schaut herab so stolz und kühn
auf alle die vorüberziehn
an Hohenzollerns steilem Felsen
wo unverzagt die Eintracht ruht !

Dieses Lied gilt als Hymne der Hohenzollerischen Lande, seit Mitte des 19. Jahrhunderts dem preußischen Königreiche zugehörig. Den mächtigen Berg krönt die Burg Hohenzollern, Stammsitz des Adelsgeschlechtes, aus dem 1414 beim Konzil in Konstanz der Burggraf von Nürnberg mit der Mark Brandenburg belehnt worden war. Diese fränkische Linie Brandenburg-Preußen stellte ab 1701 die preußischen Könige und von 1871 bis 1918 die Deutschen Kaiser. Das Haus Hohenzollern stellte außerdem von 1866 bis 1947 die rumänischen Könige. Die Tatsache, dass ein weiterer Hohenzoller den spanischen Thron besteigen sollte, führte zur „Emser Depesche“ und damit direkt in den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.

Ob hier auf dem Zoller aber nach wie vor die Eintracht unverzagt ruht, darf durchaus als fraglich bezeichnet werden, nachdem zwischen den Mitgliedern des Hauses Preußen ein Erbstreit entbrannt ist.

Von diesem Berg da geht die Sage,
die schweres Leid im Lande weckt,
und mancher Vater kennt die Klage,
die sich auf seinen Sohn erstreckt;
man nahm ihn fort ins ferne Land,
das Liebchen glaubt, er sei verbannt
von Hohenzollern steilem Felsen,
wo unverzagt die Eintracht ruht.

Am 25. September 1994 verstarb SKH Dr. Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, Sohn des ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen. Der Streit entbrannte nun um das Hausvermögen des Königshauses. Es war die Frage zu klären, ob diese Vermögensmasse zum Nachlass zu zählen war.

Kronprinz Wilhelm hatte im Jahre 1938 einen Erbvertrag geschlossen. In diesem ist die Vor- und Nacherbfolge in das Hausvermögen geregelt worden.

In diesem Erbvertrag findet sich die Bestimmung, dass die Abkömmlinge des Vorerben im Mannesstamm nach dem Grundsatz der Erstgeburtsfolge Nacherben werden sollten.

Hierzu war aber im Vertrag noch eine Einschränkung gemacht worden, die sowohl Rechtsprechung als auch Rechtswissenschaft unzählige Male beschäftigen sollte. Von der Nacherbenschaft wird nämlich ausgeschlossen, wer entweder nicht aus einer den Grundsätzen der Hausverfassung des Brandenburgisch-Preußischen Hauses entsprechenden Ehe stammt oder aber in einer nicht hausverfassungsmäßigen Ehe lebt.

Diese Bestimmung wurde unter dem Namen Erbunfähigkeitsklausel berühmt.

Die Hausverfassung verlangt, dass der angeheiratete Partner aus einer dem Hause Preußen ebenbürtigen Familie stammt. Und bei der Ebenbürtigkeit geht es um die Blaublütigkeit, wobei hier zwischen den verschiedensten Adelsfamilien offensichtlich deutliche Unterschiede bestehen. Der „Gotha“ als Handbuch der internationalen Heiratsvermittlung scheint hier mehr als aktuell zu sein.

Diese Klausel war in der Folge von verschiedenen Mitgliedern des Hauses für sittenwidrig und daher für nichtig erachtet worden.

Wenn die Gerichte dieser Auffassung folgen wollten, würde dies dazu führen, dass das Hausvermögen zum Nachlaß zu rechnen wäre und damit Pflichtteilsansprüche bestünden.

Die Fachgerichte hatten aber die Wirksamkeit dieser vertraglichen Regelungen bejaht. Das Oberlandesgericht verkündete am 23. Mai 2002 ein Urteil. In diesem zitierte es zur Begründung einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 1998, der in der Entscheidungssammlung im 140. Band ab Seite 118 Aufnahme gefunden hatte. Dieser hatte zur Frage der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge und insbesondere der Erbunfähigkeitsklausel sehr differenzierte Ausführungen gemacht und ausdrücklich die Wirksamkeit bejaht.

Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Herrn von Preußen hatte die Kammer des Bundesverfassungsgerichtes mit Beschluss vom 26. April 2004 (1 BvR 795/03) mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen.

Zwischenzeitlich hatte aber auch der älteste Bruder beim Bundesverfassungsgericht dagegen geklagt. Und ihm war mehr Erfolg beschieden.

Mit Beschluss vom 22. März 2004 (- 1 BvR 2248/01 – BVerfGK 3, 112) hob das Gericht unter anderem den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 1998 auf.

Die Sache war nämlich die, dass dieser nicht in einer hausverfassungsmäßigen Ehe lebte. Er fiel somit unter die erbvertragliche Erbunwürdigkeitsklausel. Damit schied er entsprechend der Vorschrift im Erbvertrag als Nacherbe aus.

Der Erbvertrag stammt zwar aus dem Jahre 1938. Am 23. Mai 1949 passierte aber etwas, was für den Erbvertrag als nicht unwesentlich angesehen werden musste. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland trat in Kraft – und damit auch die Grundrechte. Diese wirken zwar nicht unmittelbar auf private Rechtsverhältnisse. Darüber ist schon sehr viel geschrieben worden. Aber eine mittelbare Wirkung entfalten sie doch,über so genannte Generalklauseln. Der § 242 im BGB ist zum Beispiel so eine Klausel, die „Treu und Glauben“ als Grundlage für die Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen normiert. Oder aber die Vorschrift, dass ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig ist. Wenn nun gesagt werden kann, dass ein Vertrag, der die Grundrechte missachtet, als sittenwidrig anzusehen ist, dann wirken diese Rechte doch, zwar nicht unmittelbar, aber quasi um die Ecke. Die Rechtswissenschaft nennt diese Generalklauseln daher auch die Einfallstore für die Grundrechtswirkung. Dass diese Generalklauseln in den Jahren vor 1945 für ganz andere Sachen herhalten mussten, ist ein anderes Thema.

Nun war also der Erbvertrag an den Grundrechten zu messen. Und da gibt es ein Recht in Artikel 6. Das ist das Recht auf Eheschließungsfreiheit.

Vereinfacht gesprochen sagt dieses Recht: Wo die Liebe hinfällt, da soll auch geheiratet werden dürfen. Ursprünglich ist dieses Recht dazu gedacht, dass der Staat hier keine Hindernisse aufstellen darf, von Altersbeschränkungen und Geschwisterehe einmal abgesehen.

Die Erbunwürdigkeitsklausel ist nun aber kein Akt staatlicher Gewalt, auch wenn der Erbvertrag notariell beurkundet ist. Auch dass eine Vetragspartei Kronprinz des Deutschen Reiches war, macht die Sache noch nicht öffentlich. Aber das Einfallstor der Generalklausel ließ die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen, obgleich damals bei Vertragsschluss niemand an den Artikel 6 denken konnte.

Nun war eine unangenehme Situation eingetreten. Der Bruder war in Karlsruhe erfolgreich gewesen. Herr von Preußen aber abgewiesen worden. Seine Eheschließungsfreiheit war ja nicht berührt gewesen. Wenn aber schon ein Gericht die Unanwendbarkeit der Erbunwürdigkeitsklausel festgestellt hatte, so musste das doch zumindest in der Folge auch für ihn gelten.

Und so kam es zum neuerlichen Rechtsstreit:

Herr von Preußen strengte eine so genannte Restitutionsklage an:

Die Restitutionsklage schafft eine Möglichkeit, wie an sich rechtskräftige Urteile überprüft werden könne. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass dies der Fall ist, wenn die Grundlagen eines solchen Urteiles für jedermann erkennbar in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert sind. Veröffentlicht wurde diese Entscheidung in der NJW des Jahres 1988 auf der Seite 1914.

Der Gesetzestext des § 580 ZPO lautet:

„Die Restitutionsklage findet statt:

1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7. wenn die Partei

a) ein in derselben Sache erlassenes früher rechtskräftig gewordenes Urteil
oder
b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.“

Hier könnte nun ein Fall der Nr. 6 vorliegen:

„Gegründet“ im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass die angefochtene Entscheidung im aufgehobenen Urteil eine Stütze finden muss. Dies hat der BGH in der oben bereits erwähnten Entscheidung so ausformuliert.
Im Erbrecht gilt aber noch eine Besonderheit: Bei unrichtigen Erbscheinen hilft § 2361 BGB.

Das Restitutionsverfahren ging wiederum bis zum Bundesgerichtshof. Ergebnis war: Abweisung der Klage. Alles bleibt wie es war. Das Gericht hat sich hierzu intensiv mit § 79 BVerfGG auseinandergesetzt.

§ 79 BVerfGG regelt in seinen Absätzen 1 und 2 die Folgen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, durch die eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklärt wird, auf deren Grundlagen Entscheidungen ergangen sind, die schon rechtskräftig geworden oder sonst nicht mehr anfechtbar sind.

Nun haben wir ja keine Rechtsnorm im Hintergrund, sondern den Erbvertrag. Der BGH hat daher auch die Möglichkeit der analogen Anwendung geprüft und festgehalten, dass hiervon auch Entscheidungen nicht ausgenommen werden können, durch welche die Zivilgerichte angehalten werden, bei der Auslegung und Anwendung von Generalklauseln und sonstigen auslegungsbedürftigen Regelungstatbeständen des bürgerlichen Rechts die jeweils einschlägigen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Schließlich soll deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleiben.

Das Gericht erkannte den grundlegenden Unterschied zwischen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und der verfassungskonformen Auslegung einer Regelung. Der BGH vertrat aber weiterhin die Meinung, dass, wenn man sie unter dem Aspekt der Gewährung von Grundrechtsschutz betrachtet, sich Ähnlichkeiten ergäben. Dies erfordere im Hinblick auf Artikel 3 und damit auf den allgemeinen Gleichheitssatz, dass beide Fallkonstellationen gleich behandelt werden müssen.

Der BGH lieferte aber sogleich eine Einschränkung dahingehend mit, dass dies nur gelten dürfe, wenn das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Verfehlung verfassungsrechtlicher Vorgaben im Einzelfall beanstandet, sondern für die Auslegung des bürgerlichen Rechts über den Einzelfall hinausreichende Maßstäbe setzt, an welche die Zivilgerichte bei ihrer künftigen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen gebunden sind.

Nach der Erkenntnis der Grundzüge dessen, was zur Entscheidung herangezogen werden muss, war der konkrete Sachverhalt daran zu messen. Es ging ja letztlich darum, ob ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wieder aufgenommen werden kann, nachdem das Bundesverfassungsgericht dem ältesten Bruder Recht gegeben hatte.

Und so kam der BGH zur Erkenntnis, dass in dem fraglichen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2004 zwar über den Einzelfall hinaus allgemeine Maßstäbe zur Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB gesetzt werden – also auf die Regelungen zur Sittenwidrigkeit und auf Treu und Glauben.

Diese Maßstäbe gelten für solche letztwilligen Verfügungen, die die Eheschließungsfreiheit der als Erben eingesetzten Abkömmlinge beeinflussen.
Diese Maßstäbe sind auch von den Gerichten bei zukünftigen Entscheidungen zu beachten.

Nach Auffassung des BGH ändern sie aber nichts an der Tatsache, dass ein bereits unanfechtbar abgeschlossenes Verfahren Bestand behält. Dies gilt im Interesse der Rechtssicherheit auch dann, wenn es auf einer nunmehr als verfassungswidrig erkannten Auslegung und Anwendung der Generalklauseln beruht.
Dies ergibt sich aus den Einschränkungen, die das Gesetz selbst in § 79 BGerfGG getroffen hat.

Hieraus schließt der BGH den unvermeidbaren Schluß, dass ein solches Verfahren daher auch nicht im Wege einer Restitutionsklage einer neuen Sachentscheidung zugeführt werden kann. Lapidar schreibt das Gesetz in die Begründung, dass ein Wandel der Rechtsauffassung kein Restitutionsgrund sei und verweist auf die umfangreiche Rechtsprechung hierzu. (BVerfGE 2, 380, 395, 405; BGH, Urteil vom 11. März 1953 – II ZR 180/52 – BB 1953, 273; BAG, AP Nr. 1 zu § 580 ZPO; BFHE 123, 310, 311 f.).

Damit war nun wiederum Karlsruhe gefragt. Der Rechtsweg war erschöpft. Und die Hoffnung lag darin, dass dieses Urteil des BGH grundrechtswidrig war.

Das Bundesverfassungsgericht indess hat die Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es mit dem Gedanken der Rechtssicherheit unvereinbar wäre, wenn Gerichtsentscheidungen wegen einer Änderung der Rechtssprechung beseitigt werden könnten. Zumal diese Entscheidungen aufgrund gültiger Gesetze und einem unangreifbaren Verfahren zustandegekommen waren. Dies gilt umso mehr, wenn sogar Akte staatlicher Gewalt dann aufrecht erhalten werden können, wenn sie auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhen. Etwas anderes wäre der Rechtssicherheit im höchsten Maße abträglich.

Das Verfassungsgericht verweist in diesem Zusammenhang auch auf die vom BGH zitierte Entscheidung aus dem zweiten Entscheidungsband und bestätigt so nochmals, dass die Änderung der Rechtsauffasung keinen Restitutionsgrund darstellen dürfe.

Das Bundesverfassungsgericht musste sich in diesem Zusammenhang auch noch mit der Frage befassen, wie es ist, wenn ein Gericht seine Rechtsauffassung mit Hilfe einer Entscheidung eines anderen Gerichtes stützt und diese Entscheidung dann rechtskräftig wird. § 580 Nr. 6 ZPO spricht ja von „gegründet“ – wenn das Verfassungsgericht später dann diese Auslegung und Anwendung des ennfachen Rechts – also nicht des Verfassungsrechts – in der der zugrundegelegten Entscheidung als verfassungswidrig beanstandet.
Also anders herum gefragt: Das Gericht in A entscheidet einen Fall und zieht zur Begründung eine Entscheidung des Gerichtes in B heran und zitiert diese Entscheidung sogar über weite Strecken. Die Entscheidung des Gerichtes in A wird rechtskräftig. Die Entscheidung aus B nimmt einen anderen Weg, landet in Karlsruhe und wird wegen verfassungswidriger Auslegung des einfachen Rechts aufgehoben. Muß dann das Verfahren aus A wieder neu aufgerollt werden ?

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage verneint, denn auch darin liege ein die Durchbrechung der Rechtssicherheit nicht rechtfertigender Rechtsprechungswandel. Und nur ein Wandel der Rechtsprechung genügt ja nicht.

Aber das ist dem Bundesverfassungsgericht noch nicht genug:

Es argumentiert nicht nur mit der Rechtssicherheit sondern auch mit nicht hinnehmbaren Wertungswidersprüchen. Das Verfassungsgericht ist nunmal keine Superrevisionsinstanz. Damit einher geht eine Einschränkung, welche Entscheidungen überhaupt der Verfassungsbeschwerde zugänglich sind. Dies ist in § 90 II S1 BVerfGG geregelt. Würde nun in jedem Fall die Restitution zugelassen werden, würde dies zu einer unübeschaubaren Zahl von Fällen führen und dem Verfassungsgericht würde eine ihm nicht zugedachte Rolle anheimfallen. Dies widerspricht aber der gesetzgeberischen Wertung.

Schließlich hatte sich das Gericht noch mit der Frage beschäftigt, ob nicht doch etwas anderes gelten müsse, weil die zitierte und die zitierende Entscheidung denselben Tatsachenkomplex betreffen.

Das Stichwort lautet hier: konzeptionelle Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung

Das Verfassungsgericht hat im 78. Entscheidungsband auf den Seiten 123 ff. hierzu dezidiert Stellung bezogen. Auf Seite 126 findet sich die Argumentation, dass es hinzunehmen ist, wenn im Einzelfall die gerichtliche Beurteilung der Rechtslage für an einem einheitlichen Lebensgeschehen Beteiligte aufgrund unterschiedlich zuständiger Gerichte und/oder zeitlich versetzt stattfindender Gerichtsverfahren differieren und zu voneinander abweichenden Ergebnissen führen kann.

Damit ist das Ergebnis nachvollziehbar begründet.

Der Erbstreit im Hause Preußen hat wenigstens den Juristen einen Erkenntnisgewinn gebracht, auch wenn die hierzu ergangenen Fachaufsätze wohl kaum die Auflagenstärke eines der bunten Blätter erreichen dürfte. Und so bleibt uns zum Schluß die letzte Strophe des Hohenzollernliedes:

Doch kommt die lang ersehnte Stunde,
die uns zur Heimat wieder ruft
dann jauchzen wir mit frohem Munde
dem schönen Hohenzollern zu.
Und rufen laut: O Heimatland,
wie ist mein Herz an dich gebannt,
an Hohenzollerns steilen Felsen,
wo unverzagt die Eintracht ruht.

31
Jan
07

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Regelung der Erbschaftsteuer in jetziger Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer heute veröffentlichten Entscheidung die lange erwartete Klarheit zur Erbschaftssteuer geschafften.

Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, da sie mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs abstellt, obwohl die Werte unterschiedlich ermittelt werden.

Der Bundesfinanzhof hatte dem Gericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß oben genannter Vorschrift auf alle Erwerbsvorgänge verfassungswidrig ist, weil die Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei verschiedenen Vermögensarten unterschiedlich ist.

Grundsätzlich darf der Staat Steuern auf den schenkweisen Erwerb oder den Erwerb im Zuge einer Erbschaft erheben. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, den anfallenden unentgeltlichen Vermögenszuwachs mit einer Steuer zu belegen. Dies nennen wir die Belastungsgrundentscheidung.

Diese ist an Artikel 3 Grundgesetz zu messen – nämlich im Hinblick auf die Bewerung der unterschiedlichen Vermögensarten.

Das Gesetz differenziert zunächst nicht zwischen Erbschaft und Schenkung. Von daher ist es unerheblich, ob das Vermögen zu Lebzeiten oder von Todes wegen übergeht. Im § 19 I ErbStG ist nun ein Prozentsatz des Erwerbs als der Steuertarif bestimmt. Es wird allenfalls nach den Verwandtschaftsgraden abgestuft in drei Steuerklassen unterschieden. Für alle steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge wird einheitlich nach dem Wert des Erwerbs besteuert. Aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, ist daher nicht von Belang.

Kein Problem bereitet dies bei reinen Geldbeträgen. Alle anderen Vermögensarten müssen aber zunächst in einen Geldwert umgerechnet werden. Hierfür bedarf es einer Bewertungsmethode, um die Bemessungsgrundlage zu erhalten.

Das Gesetz enthält die Bestimmung, dass dies nach dem Bewertungsgesetz zu erfolgen habe. Daraus folgt aber nun, dass gerade keine einheitliche Bewertung erfolgt.

Normalerweise wird der so genannte gemeine Wert in Ansatz gebracht. Darunter ist der Verkehrswert zu verstehen. Anderes gilt aber bei wirtschaftlich sehr wichtigen Vermögensarten.

Vier verschiedene Ausprägungen stehen zur Disposition:

Die Betriebsvermögen
Das Grundvermögen
Die Anteile an Kapitalgesellschaften
land- und forstwirtschaftliche Vermögen.

Das Gericht führte im Einzelnen dazu aus :

Beim Betriebsvermögen werden weitgehend die Steuerbilanzwerte übernommen. Dadurch wird aber strukturell gerade die Annäherung an den gemeinen Wert verhindert. Dies führt zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sind. Gerade ertragsstarke Unternehmen werden daher deutlich „unter Wert“ in die Berechnung eingestellt.

Die Grundvermögen werden gleichfalls schon auf der Bewertungsebene Ungleichheiten hergestellt, die mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen sind. Dies hat das Gericht sowohl für bebaute als auch für unbebaute Grundstücke festgestellt. Gleiches gilt für die Bewertung von Erbbaurechten und von mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken, mit der Maßgabe, dass hier auf die bis zum 31.12.2006 geltende Rechtslage abgestellt wurde.

Auch die Anteile an Kapitalgesellschaften werden dem Gericht zufolge derzeit in einer Art und Weise bewertet, dass der ermittelte Wert deutlich hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt.

Schließlich ist für den Betriebsteil land- und forstwirtschaftlicher Betriebe die Bewertung nach dem Ertragswertverfahren vorgesehen. Auch hier liegt schon strukturell ein nicht hinnehmbares Missverhältnis zum gemeinen Wert vor.

Das Gericht hat es aber für geboten erachtet, die Anwendung der gleichheitswidrigen Regelung weiter zuzulassen. Es hat aber dem Gesetzgeber Frist bis zum Jahresende 2008 gesetzt, den grundgesetzwidrigen Zustand zu beseitigen.

Hier hat das Gericht dem Gesetzgeber deutliche Vorgaben gemacht: Dieser ist nun auf der Bewertungsebene gehalten, sich einheitlich am gemeinen Wert zu orientieren.

Dies bedeutet zunächst eine deutlich höhere Bewertung der oben genannten Vermögensarten wie bisher.

Das Gericht hat es aber für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, dass in einem weiteren Schritt dann mit Hilfe von Verschonungsregelungen der Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände begünstigt wird.Die Begünstigungswirkungen müssen, so schreibt das Gericht dem Gesetzgeber deutlich in die Agenda, ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten.Außerdem müssen hier ausreichende Gemeinwohlgründe vorliegen, die eine solche Begünstigung rechtfertigen.

Das Gericht hat dem Gesetzgeber freie Wahl darin gelassen, welche Wertermittlungsmethode er wählt. Es muss aber gewährleistet sein, dass in einem ersten Schritt der Verkehrswert zumindest annäherungsweise erreicht wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verletzung des Gleichheitssatzes im Wesentlichen nämlich darin gesehen, dass, wenn der Gesetzgeber sich schon bei der Bewertung auf andere Bewertungsmaßstäbe zurückzieht, er sich von seiner Grundentscheidung hinsichtlich der Belastung löst. Damit seien bereits strukturell Brüche und Wertungswidersprüche im gesamten Regelungssystem angelegt worden.

Dem Gesetzgeber steht damit also eine große Herausforderung ins Haus.




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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