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16
Jun
08

BAG zu „betrieblicher Fahrerlaubnis“ und die Folgen des Entzuges derselben

Das Bundesarbeitsgericht hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, bei dem es um eine betriebliche Fahrerlaubnis eines Busfahrers ging.

Der Fall ist aber über den Bereich der Betriebe im öffentlichen Nahverkehr hinaus interessant für die Bereiche, in denen es zusätzlich zu behördlichen Erlaubnissen noch betriebliche Erlaubnisse ausgestellt werden.

Die Arbeitgeberin betreibt ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen. Der Kläger war bei ihr als Busfahrer angestellt.

Hier hatte nun die Arbeitgeberin eine solche „betriebliche Erlaubnis“ zusätzlich zum normalen Füherschein erteilt gehabt.

Aufgrund behaupteter Verstöße hatte der Betriebsleiter diese betriebliche Fahrerlaubnis entzogen.

Nun stützte die Arbeitgeberin ihre Kündigung auf den Entzug dieser betrieblichen Erlaubnis.

Dem hat das BAG nun ein Riegel vorgeschoben. Denn der Entzug einer solchen betrieblichen Erlaubnis durch den Betrieb kann nicht dem behördlichen Entzug einer behördlichen Erlaubnis gleichgesetzt werden.

Schließlich liegen sowohl Erteilung wie auch Entzug in der Hand des Arbeitgebers, der hierfür selbst die Regeln aufstellen kann. Damit hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit inne, Kündigungsgründe zusätzlich zu schaffen. Damit könnten die Regelungen zu verhaltensbedingten Kündigungen bei Arbeitsvertragspflichtverletzungen umgangen werden.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten ist vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos geblieben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Juni 2008 – 2 AZR 984/06 –
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006 – 11 Sa 535/06 –

01
Jun
08

Vorsicht bei einer doppelten Schriftformklausel

Das Bundesarbeitsgericht musste sich wieder mit der AGB-Kontrolle einer doppelten Schriftformklausel befassen.

Dreh- und Angelpunkt ist jeweils der § 307 Absatz 1 Satz 1 des BGB:

„(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“

Der Prüfung unterliegen bekanntermassen auch Arbeitsvertragsklauseln, wenn sie vom Arbeitgeber vorformuliert Verwendung finden.

Bei der Prüfung von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist immer auch die Bestimmung im § 305b BGB zu beachten, wonach individuelle Vertragsabreden Vorrang genießen:

㤠305b Vorrang der Individualabrede
Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun einen Formulararbeitsvertrag zur Prüfung vorliegen, der ein doppeltes Schriftformerfordernis enthielt, wonach einerseits Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedurften, andererseits auch der Verzicht hierauf seinerseits der Schriftform bedurfte.

Der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde lag, war folgender:

Herr A arbeitete für die Firma B – und zwar vom Mai 2002 bis zu, 31.März 2006. Dort war er als Büroleiter in China eingesetzt, mit Wohnsitz in China.

Zunächst erstattete die Firma B ihm und seinen anderen Kollegen, die dort für die Firma B tätig waren, die Kosten für die Miete. Ab August 2005 wollte die B dem Herrn A, der mittlerweile gekündigt war, die Miete nicht mehr ersetzen.

Die Begründung hierfür war, dass die Übernahme des Mietzinses nicht im Arbeitsvertrag stehe. Eine Änderung des Arbeitsvertrages könne nicht vorliegen, da für die Wirksamkeit der Änderung gleichfalls die Schriftform vereinbart worden sei.

Wenn man jetzt daran denkt, dass bei der mündlichen Vereinbarung über die Mietzahlung gleichzeitig einvernehmlich auf das Schriftformerfordernis wirksam verzichtet worden sei, so hielt die B eben das doppelte Schriftformerfordernis, wonach auch dieser Verzicht schriftlich zu erfolgen habe, entgegen.

Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Auffassung nun entgegengetreten und hat diese Klausel mit dem doppelten Schriftformerfordernis als unwirksam angesehen.

Das Gericht berief sich hierbei im Wesentlichen darauf, dass die Schriftformklausel so zu weit gefasst war. Der Neunte Senat sieht im § 305b BGB eine Schutzvorschrift für den Arbeitnehmer. Wenn aber das Schriftformerfordernis so weit gefasst ist, hat der Arbeitnehmer bei mündlichen individuellen Abreden den Eindruck, dass diese wegen der Rechtsfolge des § 125 Satz 2 BGB unwirksam seien:

㤠125 Nichtigkeit wegen Formmangels
1Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. 2Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.“

Dies widerspricht aber der gesetzlichen Systematik des AGB-Rechts.

Im Ergebnis hatte daher Herr A einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete aufgrund betrieblicher Übung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2008 – 9 AZR 382/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2007 – 9 Sa 143/07 –

26
Mai
08

Bundesarbeitsgericht zu Urlaubsanspruch und Elternzeit

Mit dem Urlaub und der Elternzeit verhält es sich so: Wenn wegen einer Elternzeit noch ein Anspruch auf Resturlaub bestand, so muss der Arbeitgeber nach der Elternzeit diesen im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren. So steht es im Gesetz, nämlich im § 17 Absatz 2 BEEG :

 

„(2) Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.“

 

Dieser Passus stand inhaltsgleich auch im § 17 Absatz 2 des BerzGG, das bis zum 31.12.2006 Geltung hatte.

 

Wenn nun das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder aber im Anschluss daran nicht fortgesetzt wird, so regelt der Absatz 3:

 

„(3) Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten.“

 

Problematisch waren die Fälle, in denen sich der ersten Elternzeit eine zweite anschloss.

 

Der neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Frau A war bei der B seit dem Jahre 1988 beschäftigt. Nachdem sie ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte, nahm sie vom 3. Dezember 2001 bis 7. Oktober 2004 Elternzeit in Anspruch. Aus dem Jahre 2001 brachte sie noch einen Anspruch auf Resturlaub vom 27,5 Tagen mit. Im Jahr 2003 kam das zweite Kind zur Welt. Deswegen schloss sich „nahtlos“ eine weitere Elternzeit an. Diese wurde bis zum 18. August 2006 verlangt. Zum 31.12.2005 endete das Beschäftigungsverhältnis.

 

Frau A verlangte von der B nunmehr die Abgeltung dieses Resturlaubs.

 

Die Anspruchsgrundlage hierfür ist der § 17 III BerzG in der damals geltenden Fassung, der mit dem § 17 III BEEG inhaltsgleich ist.

 

Bislang hatte der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Auffassung vertreten, dass der Resturlaubsanspruch verfalle, wenn er nicht entsprechend den Regelungen des Absatzes 2 genommen werden konnte.

 

Von dieser Rechtsprechung hat der Senat nunmehr Abstand genommen. Das bedeutet, dass der Urlaubsanspruch erhalten bleibt. Der Resturlaub wird daher weiter übertragen, wenn er nach dem Ende der ersten Elternzeit wegen einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann.

 

 

Grund für diesen Meinungswandel des Gerichts ergibt zunächst die Erfordernis, den § 17 BEEG zum einen verfassungs- und europarechtskonform auszulegen.

 

So ist zunächst der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 Grundgesetz zu beachten:

 

„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

 

Europarechtlich sind von Belang die Ausführungen der Arbeitszeitrichtlinie von Belang, in deren Artikel 7 steht:

 

„Artikel 7

 

Jahresurlaub

 

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

 

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf ausser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

 

Diese Vorgaben sind mit dem Artikel 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie mit den Wertungen in den Artikeln 8 und 11 der Mutterschutzrichtlinie der EU in Einklang zu bringen.

 

Hieraus folgt, dass der Urlaubsanspruch nicht verfallen kann. Er ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.

 

 

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2008 – 9 AZR 219/07 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Januar 2007 – 18 Sa 997/06 –

27
Apr
08

Bundesarbeitsgericht erneut zur Schriftformerfordernis bei der Befristung eines Arbeitsvertrags

Wenn ein Arbeitsvertrag wirksam befristet werden soll, dann muss dies schriftlich geschehen. So steht es im § 14 Abs. 4 TzBfG :

„(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“

Wenn nun also die Befristungsabrede nur mündlich getroffen wurde, so ist diese wegen eines Verstoßes gegen diese Vorschrift unwirksam. Die Folge hiervon ist, dass dann ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Dies ergibt sich aus § 16 TbBfG:

㤠16 Folgen unwirksamer Befristung
1Ist die Befristung rechtsunwirksam, so gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen; er kann vom Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, sofern nicht nach § 15 Abs. 3 die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. 2Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden.“

Hieraus folgt auch die strenge Erfordernis, dass eine wirksame Befristungsabrede in der Regel nur vor Aufnahme der Arbeit getroffen werden kann.

Der 7. Senat hatte nun die Frage zu entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn der Arbeitgeber vor dem vereinbaren Arbeitsantritt dem neuen Arbeitnehmer ein unterschriebenes Exemplar des Arbeitsvertrages aushändigt und um die Rücksendung eines unterzeichneten Exemplares bittet, der Arbeitnehmer aber die Vertragsurkunden bei sich behält, seine Arbeit aber gleichwohl aufnimmt.

So erging es auch Herrn K. Dieser war von der Firma B als Industriemechaniker eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis war vom 01. Januar 2005 bis zum 30.06.2006 befristet. Herr A schickte kein Exemplar des Arbeitsvertrages an seinen neuen Arbeitgeber zurück. Er erschien aber vereinbarungsgemäß am 04. Januar 2005 zur Arbeit. Erst nachdem ein Vertreter der B bei Herrn K sich über den Verbleib des Vertragsexemplares erkundigte, händigte Herr K dieses der B aus.

Die Frage war nun, wie der Arbeitsvertrag wirksam zustande gekommen ist.

Nach den allgemeinen Lehren des BGB geschieht dies durch Angebot und Annahme. Die Annahmeerklärung kann auch in schlüssigem Handeln liegen, so genanntem konkludenten Tun.

Wäre also die Fallkonstellation so gehalten, dass sich die Vertragsparteien mündlich über die wesentlichen Vertragsinhalte des Arbeitsvertrages und den Arbeitsantritt sowie die Befristung geeinigt haben, so wäre der Vertrag durch Angebot und Annahme wirksam zustande gekommen, allein die Befristungsabrede wäre formunwirksam.

Wenn nun der Arbeitgeber ein mündliches Angebot erteilt und der Arbeitnehmer am vorgschlagenen Tag zur Arbeit erscheint, kann darin eine Annahmeerklärung durch konkludentes Tun gesehen werden.

Hier liegt der Fall aber nochmals anders: Dem Arbeitnehmer lag vor Arbeitsantritt ein schriftliches Angebot vor, das dieser noch anzunehmen hatte.

In diesem Falle, so hat der 7. Senat jetzt entschieden, kann die Annahmeerklärung nur durch Unterzeichnung der Urkunde erfolgen.

Das Bundesarbeitsgericht führte hierzu aus, das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG sei durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags gewahrt worden.

Dies gelte auch dann, wenn der Kläger den Vertrag erst nach dem Arbeitsantritt unterzeichnet haben sollte.

Durch die Arbeitsaufnahme ist ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden.

Die dogmatische Begründung findet das Gericht in der Annahme, dass die Beklagte ihr Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags abhängig gemacht hatte.

Damit ist eine Bedingung im Sinne des § 158 BGB in den Raum gestellt, die ihrerseits die Umgehung durch konkludentes Tun verhindert.

„§ 158 Aufschiebende und auflösende Bedingung
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.“

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. April 2008 – 7 AZR 1048/06 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. November 2006 – 4 Sa 28/06 –

27
Apr
08

Bundesarbeitsgericht zu geschlechtsspezifischer Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei einer Stellenbesetzung

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer Entscheidung vom 24. April 2008 mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft vorliegt.

Der jetzt entschiedene Fall hatte zwar noch das „alte“ Recht, also vor dem Inkrafttreten des AGG zu beachten.

Gleichwohl sind die der Entscheidung zugrunde liegenden Überlegungen auch auf die Vorschriften des AGG anwendbar.
Der bis dahin, nämlich bis zum 17.08.2008 geltende § 611 BGB bestimmte:

㤠611a BGB РGeschlechtsbezogene Benachteiligung
(1) 1Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. 2Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. 3Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.

(2) Verstößt der Arbeitgeber gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht.

(3) 1Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, so hat der Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten zu leisten. 2Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezügen zugestanden hätte.

(4) 1Ein Anspruch nach den Absätzen 2 und 3 muss innerhalb einer Frist, die mit Zugang der Ablehnung der Bewerbung beginnt, schriftlich geltend gemacht werden. 2Die Länge der Frist bemisst sich nach einer für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlussfrist; sie beträgt mindestens zwei Monate. 3Ist eine solche Frist für das angestrebte Arbeitsverhältnis nicht bestimmt, so beträgt die Frist sechs Monate.

(5)Die Absätze 2 bis 4 gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht.“

Im Hinblick auf das AGG wäre die Eínstiegsnorm dea § 1 AGG zu beachten:

㤠1 AGG Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

Dem Fall, den das BAG jetzt zu entscheiden hatte, lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Frau A war bei der B beschäftigt. Im Bereich „Internationales Marketing“ war sei eine von drei Abteilungsleitern. Diesem Bereich stand Herr E vor. Er war in dieser Eigenschaft „Vizepräsident“ der Arbeitgeberin.

Dessen Stelle wurde nun im Herbst 2005 frei.

Frau A bewarb sich um die Stelle – und bekam sie nicht. Zu diesem Zeitpunkt war Frau A nämlich schwanger.

Frau A sah sich benachteiligt – und behauptete eine geschlechtsspezifische Benachteiligung. Deswegen verlangte sie entsprechend der gesetzlichen Regelung eine Entschädigung.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht wiederum hatte die Klage abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zurückverwiesen.

Allein die Schwangerschaft der Frau A reichte noch nicht aus. Das BAG hat aber in seiner Entscheidung klar herausgestellt, dass sie ihre geschlechtsspezifische hinreichend glaubhaft gemacht hat, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vortragen kann, die eine Benachteiligung des Geschlechts vermuten lassen. Das Bundesarbeitsgericht hat daher angenommen, dass Frau A Tatsachen vorgetragen hatte, die die Annahme einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung – hier noch nach dem alten Recht – nahelegten.

Im nun entschiedenen Falle hatte Frau A noch folgendes vortragen können:

Zum Einen sei sie Vertreterin des E. Gewesen. Dieser habe ihr auch seine Nachfolge in Aussicht gestellt. Zum Anderen sei sie bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung damit getröstet worden, dass sie sich auf ihr Kind freuen solle.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun herausgestellt, dass an den weiteren Tatsachenvortrag keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Das Landesarbeitsgericht hat deswegen bei seiner neuerlichen Entscheidungen diese beiden Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

In der Grundtendenz ist diese Entscheidung aber auch für die neue Rechtslage nach dem AGG durchaus beachtenswert.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AZR 257/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2006 – 2 Sa 1776/06 und 10 Sa 1050/06 –

18
Dez
07

Bundesgerichtshof: Keine Obliegenheit des Unterhaltsschuldners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz zwecks Sicherung des Ehegattenunterhalts

Der XII. Senat hat sich jetzt in einem Urteil vom 30.11.2007 der Frage zu stellen gehabt, ob ein Unterhaltsschuldner dazu verpflichet ist, ein Verbraucherinsolvenzverfahren in die Wege zu leiten. Dadurch wäre es möglich, den laufenden Unterhaltsansprüchen einen Vorrang vor den sonstigen Verbindlichkeiten einzuräumen.Für den Kindesunterhalt hatte der BGH diese Frage schon bejaht. Die Entscheidung vom 23. Februar 2005 findet sich im 162 Band der Entscheidungssammlung des BGH ab Seite 234. (BGHZ 162, 234).

Damals vertrat das Gericht die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens dann besteht, wenn durch dieses Verfahren den laufenden Unterhaltsansprüchen der Kinder ein Vorrang eineräumt werden kann. Diese Obliegenheit besteht demnach grundsätzlich, wenn so der Kindesunterhalt gesichert werden kann. Der BGH hatte damals zur Begründung ausgeführt, dass sich diese Verpflichtung aus dem § 1603 Abs. 2 BGB herleiten lasse:

„§ 1603 Leistungsfähigkeit

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) 1Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. 2Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. 3Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.“

Dies wird auch „gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Kindern“ genannt.

Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn nicht dem Kindesunterhalt sondern dem Trennungsunterhalt oder dem nachehelichen Unterhalt ein Vorrang eingeräumt werden soll.

Ob nun auch in dieser Fallkonstellation eine solche Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens besteht, war in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Der BGH hat mit der jetzigen Entscheidung eine solche Obliegenheit verneint. Damit kann der Unterhaltsgläubiger nicht verlangen, dass der Unterhaltsschuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleitet, damit Geldmittel zur Bedienung seiner Unterhaltsansprüche frei werden.

Begründet hat dies das Gericht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen. Eine Obliegenheit zur Einleitung eines solchen Verfahrens berührt nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit. Es war nun also die Frage, ob dieser allgemeinen Handlungsfreiheit, die aus Art. 2 Grundgesetz abzuleiten ist, das Verhältnis der getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, das seinen Schutz aus Art. 6 GG genießt, der Vorrang eingeräumt werden kann – oder eben nicht.

Den Vorrang der persönlichen Handlungsfreiheit hat das Gericht auch aus der Tatsache abgeleitet, dass der Ehegattenunterhalt ein wesentlich geringeres Gewicht hat wie der Kindesunterhalt.

Aufgrund der Tatsache, dass der § 1569 BGB schon in der alten Fassung die Eigenverantwortlichkeit nach der Scheidung als Grundsatz postulierte und deswegen auch keine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, kann keine gesteigerte Unterhaltspflicht erkannt werden.

Hinzu kommt, dass die minderjährigen Kinder schon deswegen besonders schutzbedürftig sind, weil sie nicht in der Lage sind, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen.

Das Gericht hat auch die bereits beschlossenen Änderungen im Unterhaltsrecht, die noch nicht in Kraft sind in seine Überlegungen mit aufgenommen, indem es ausführt:

„Auch im Rang wird der Ehegattenunterhalt den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder nach der vom Gesetzgeber beschlossenen und zum 1. Januar 2008 in Kraft tretenden Unterhaltsrechtsreform (§ 1609 BGB) nachgehen.“

Schließlich rundet eine Billigkeitserwägung die Argumentation des Gerichtes ab. Wenn nämlich die Tilgung von Verbindlichkeiten die Leistungsfähigkeit schmälert, so ist beim Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen regelmäßig um solche handelt, die schon während der ehelichen Lebensgemeinschaft eingegangen wurden. Deswegen hatten sie auch schon die ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten geprägt.

Urteil vom 12. Dezember 2007 XII ZR 23/06

AG Kassel – 540 F 91/03 – Entscheidung vom 7.4.2005

OLG Frankfurt a. M. in Kassel – 2 UF 166/05 -Entscheidung vom 30.11.2005

17
Nov
07

BGH: Elterliche Sorge im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und Schulpflicht

Der XII. Zivilsenat des BGH, der unter anderem auch für das Familienrecvht zuständig ist, hatte jetzt zwei Fälle zu entscheiden, bei denen die Ausübung der elterlichen Sorge in einen Interessenskonflikt zwischen Religionsausübung und Schulpflicht geriet.Die elterliche Sorge ist ein Pflichtenrecht, die Grundsätze sind geregelt im § 1626 BGB:

„§ 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze

(1) 1Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). 2Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) 1Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. 2Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) 1Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. 2Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.“

Das Familiengericht hat eine Eingriffsbefugnis für den Fall, dass dieses Sorgerecht fahrlässig oder vorsätzlich missbräuchlich ausgeübt wird, dies ergibt sich aus dem § 1666 BGB:

„§ 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Das Gericht kann Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.“

Damit ist der Rahmen für die beiden Beschlüsse des BGH vom 11.09.2007 abgesteckt:

Es ging nämlich um Eltern, die ihre Kinder der allgemeinen Schulpflicht entzogen. Das besodnere hieran war, dass die Eltern hierfür Glaubensgründe anführten.

Den Beschlüssen lag im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:

De Eltern – Familie A – sind Mitglieder einer christlichen Glaubensgemeinschaft. Gemeinsam mit anderen Glaubensgenossinnen und Genossen kamen sie als Spätaussiedler nach Deutschland.

Sie waren der Meinung, dass die Erziehung und Bildung in der öffentlichen Grundschule mit ihren Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar seien. Aus diesem Grunde teilte Familie A der Schule mit, dass zwei ihrer Kinder in Zukunft zuhause unterrichtet würden. Weder Gespräche mit Schulleitung, Bezirksregierung und Integrationsbeauftragtem noch die Verhängung eines Bußgeldes führten dazu, dass die Eltern ihre Kinder zum Schulunterricht brachten; ein Zwangsgeldverfahren wurde nicht erfolgreich abgeschlossen.

Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern die im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge in Schulangelegenheiten sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für diese Kinder.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof die – auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gestützte – Auffassung der Vorinstanzen bestätigt, dass der Besuch der staatlichen Grundschule dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags diene. Hierzu stütze das Gericht sich auf folgende Argumentationskette:

„Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren. Integration setze dabei auch voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen nicht verschlössen. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren sei eine wichtige Aufgabe der Grundschule.“

Hieraus folgt nun der zwingende Schluß, dass die beharrliche Weigerung der Eltern, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, deshalb als Missbrauch der elterlichen Sorge darstellt. Damit ist der Anwendungsbereich des § 1666 BGB eröffnet.

Wenn hier jetzt die Ausübung der Glaubensfreiheit der Schulpflicht entgegenzustehen scheint, dann gibt aber auch dies den Eltern keine Berechtigung, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen.

Mit der Schulpflicht ist ja nicht die Glaubensausübung insgesamt infrage gestellt, Lediglich einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule stehen nach Auffassung der Eltern ihren Glaubensüberzeugungen entgegen.

Der Maßstab kann aber nur der Erziehungsauftrag der Schule im Sinne des Grundgesetzes sein. Wenn der Staat diesem Auftrag verantwortungsvoll nachkommt, bleibt kein Platz für einen Entzug der Kinder aus der Schulpflicht.

Wenn nun also die beharrliche Weigerung, den Kindern die Erziehung in der öffentlichen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule zu ermöglichen, einen Sorgerechtsmissbrauch darstellt, so ist in einem solchen Falle auch der Sorgerechtsentzug angemessen und geeignet, um dem rechtswidrigen Zustand zu begegnen.

Soweit- sogut. Der Fall hatte aber noch eine weitere Dimension.

Diese hatte mit der Pflegerbestellung zu tun. Denn ein minderjähriges Kind, das nicht der elterlichen Sorge untersteht, braucht jemanden, der diese elterliche Sorge auch ausführt. Dies gilt auch, wenn wie hier nur ein Teil der elterlichen Sorge entzogen wird, der Rest des Sorgerechts aber bei den Eltern verbleibt. Geregelt ist dies im § 1909 BGB:

„§ 1909 Ergänzungspflegschaft

(1) 1Wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. 2Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt oder das ihm unter Lebenden unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen.

(2) Wird eine Pflegschaft erforderlich, so haben die Eltern oder der Vormund dies dem Vormundschaftsgericht unverzüglich anzuzeigen.

(3) Die Pflegschaft ist auch dann anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft vorliegen, ein Vormund aber noch nicht bestellt ist.“

Hierauf gestützt bestellte das Familiengericht schon im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens die zuständige Stadt P. (Jugendamt) zum Pfleger der Kinder.

Was gut gemeint war, zeigte aber unglaubliche Folgen:

Mit Einwilligung des Pflegers verbrachten die Eltern die Kinder daraufhin in ein Dorf in Österreich. Die Eltern und die Familie behielten ihren Wohnsitz in Deutschland bei. In Österreich kann man in besonderen Fällen nämlich Kinder zuhause unterrichten. Der Pfleger erwirkte in der Folgezeit nach österreichischem Recht die Gestattung, dass die Mutter den Kindern Hausunterricht erteilen dürfe.

Seither werden die Kinder dort von ihrer Mutter unterrichtet. Die Mutter selbst hat keinerlei pädagogische Vorbildung.

Das Familiengericht hätte zwar im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit gehabt, diese Entwicklung durch eine andere Pflegerbestellung zu korrigieren, bestätigte aber seine zuvor getroffene Regelung.

Die von den Eltern hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht zurück. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Tatsache, dass die Kinder jetzt nach Österreich verbracht worden sind, hat auch eine zusätzliche prozessuale Frage aufgeworfen, nämlich, ob die deutschen Gerichte hier überhaupt noch zuständig sind.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus der Tatsache, dass die übrigen Familienmitglieder ebenso wie die Eltern ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetztes beibehalten hatte.

Die weitere Frage war die, ob die Kinder weiterhin der deutschen Schulpflicht unterliegen, wenn sie sich dauerhaft in der Alpenrepublik aufhalten. Auch diese Frage war wegen des Familienwohnsitzes im Inland zu bejahen.

Die Tatsache, dass mit der Pflegerbestellung der „Bock zum Gärtner“ gemacht worden ist, hat der BGH aber scharf kritisiert.

Denn dieser Pfleger habe sich offenkundig als in diesen Fällen ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen.

Der Pfleger habe durch sein Verhalten sogar erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kinder nach Österreich umgemeldet worden seien.
Dem nicht genug habe er sodann die Möglichkeit, die Kinder in Österreich dem Hausunterricht zuzuführen, durch eine entsprechende Antragstellung bei den österreichischen Behörden selbst eröffnet.

Der BGH führte hierzu aus:

„Damit sei der Erfolg eingetreten, den die Eltern von vornherein erstrebt hätten, nämlich die häusliche Unterrichtung der Kinder durch ihre pädagogisch nicht vorgebildete Mutter – dies allerdings nicht in Deutschland, sondern in Österreich. Es sei nicht ersichtlich, dass die vom Familiengericht – nunmehr im Hauptsacheverfahren – verfügte Übertragung des Sorgerechts in Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Stadt P. (Jugendamt) an der von der Stadt als Pfleger selbst herbeigeführten Situation etwas ändere.“

Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Bestellung der Stadt als Pfleger aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit dieses durch die Auswahl eines geeigneten Pflegers oder durch gerichtliche Weisungen sicherstelle, dass die Kinder ihrer Schulpflicht nachkommen.

Beschlüsse vom 11. September 2007

XII ZB 41/07

AG Paderborn – 8 F 810/05 – Entscheidung vom 07.03.2006

OLG Hamm – 6 UF 53/06 – Entscheidung vom 20.02.2007

und

XII ZB 42/07

AG Paderborn – 8 F 811/05 – Entscheidung vom 07.03.2006

OLG Hamm – 6 UF 51/06 – Entscheidung vom 20.02.2007

15
Nov
07

Das Privatleben der Franziska van A. und der „vorbeugende“ Schutz vor unerlaubten Bildveröffentlichungen.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes muss sich immer wieder mit dem Privatleben prominenter Persönlichkeiten beziehungsweise mit dem Schutz desselben befassen. Bewegt man sich hier doch im Spannungsfeld verfassungsrechtlich geschützter Positionen. So stehen sich das Interesse der Öffentlichkeit auf umfassende Information auf der einen Seite und das Recht auf Schutz der Privatsphäre oftmals unversöhnlich gegenüber.Der Bundesgerichtshof hat aus dieser Spannung heraus eine umfassende Rechtssprechung entwickelt. Kern dieser Rechtssprechung ist die einzelfallbezogene Abwägung dieser widerstreitenden Interessen.

In der neuesten Entscheidung ging es aber nun einen Schritt weiter: Der BGH musste sich der Frage widmen, ob dem Menschen, der Objekt der Begierde geworden ist, auch ein Anspruch darauf zusteht, dass auch zukünftig keine im Kern gleichartigen Bilder veröffentlicht werden, wenn zwischen den Parteien die Widerrechtlichkeit der bereits erfolgten Veröffentlichung außer Streit steht.

Geklagt hatte Franziska van Almsiek, die sich schon im Teenageralter als „Gold-Franzi“ in die Herzen der interessierten Öffentlichkeit geschwommen hatte.

Als sie sich nun im Jahre 2005 mit ihrem Partner in Sardinien aufgehalten hatte, waren heimlich von eimen Paparazzo Bilder angefertigt worden, die dann von der Beklagten in mehreren von ihr verlegten Zeitschriften veröffentlicht worden waren. . Die mit den Fotos bebilderten Artikel waren überschrieben mit dem Namen der Klägerin und ihres Partners und trugen Untertitel wie „Turtelnd und verliebt im Urlaub“.

Daraufhin wurde außergerichtlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend verlangt, dass die Beklagte es zu unterlassen hat, diese Bilder erneut zu verbreiten. Diese Erklärung, die im Falle des Zuwiderhandelns auch mit einer Vertragsstrafe versehen war, wurde von der Beklagten abgegeben.

Doch das war der Klägerin noch nicht genug. Denn sie befürchtete, dass die Beklagte einfach weitere Bilder veröffentlichen könnte, die im Kern eigentlich gleichartig wären. In diesem Falle liefe die strafbewehrte Unterlassungserklärung ins Leere, die Gefahr eines rechtswidrigen Eingriffs in die Privatsphäre bestünde aber weiterhin.

Aus diesem Grunde wurde letztlich in zwei Verfahren Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Bildnisse der Klägerin, die sie in ihrem privaten Alltag zeigen, zu verbreiten.

Das Berufungsgericht hat diesen Antrag für zu weitgehend erachtet. Eine Verurteilung erfolgte aber dahingehend, dass die Beklagte es zu unterlassen habe, im Kern gleichartige Bilder wie die von der Klägerin vorgerichtlich beanstandeten zu veröffentlichen.

Der VI. Zivilsenat hat nun auf die Revision der Beklagten hin beide Klagen abgewiesen – und zwar vollumfänglich.

Zwar stehe die Rechtswidrigkeit der bereits erfolgten Veröffentlichungen nicht im Streit. Dies ergibt sich auch schon aus den vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungsverpflichtungen.

Es ist aber nach Auffassung des Gerichts nicht möglich, im Voraus zu beurteilen, ob ein Unterlassungsanspruch auf die Veröffentlichung „kerngleicher“ Bilder bestehe.

Dies steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Denn für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist es in jedem Einzelfall erforderlich, dass eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre vorgenommen wird.

Das Gericht führt daher folgerichtig aus, dass eine solche Interessenabwägung nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden könne, die noch gar nicht bekannt seien und bei denen insbesondere offen sei, in welchem Kontext sie veröffentlicht würden.

Es kommt nämlich nicht nur auf die Bilder an, sondern auf die Zusammenschau von Wort- und Bildberichterstattung. Bei der gebotenen Abwägung könne nämlich auch die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen.

Urteile vom 13. November 2007 – VI ZR 265/06 und VI ZR 269/06

LG Berlin – Entscheidungen vom 22.11.2005 – 27 O 812/05 und 27 O 782/05

KG Berlin – Entscheidungen vom 6.11.2006 – 10 U 282/05 und 10 U 6/06

13
Nov
07

Dieter Bohlen ist ein Künstler

Da ist sie wieder, die leidige Diskussion, was Kunst ist. Um es mit Paul Klee zu sagen, gibt Kunst nicht sichtbares wieder sondern macht sichtbar. In diesem Zusammenhang sei auch an Joseph Beuys und seinen erweiterten Kunstbegriff, insbesondere im Hinblick auf die „soziale Plastik“ hingewiesen.

Da passt es, dass sich die verwunderte Öffentlichkeit jetzt die Augen reibt, dass das Sozialgericht in Köln Dieter Bohlen die Eigenschaft des Künstlers zugesprochen hat.

Bei genauerem Hinsehen wird  es aber klarer: Da musste das Sozialgericht entscheiden, geklagt hatte der Sender RTL – und zwar gegen einen Beitragsbescheid der Künstlersozialkasse – wegen DSDS. Gegenstand der Betrachtung war nicht nur Dieter Bohlen, vielmehr standen die gesamten Leistungen des Jury-Teams zur Diskussion, nämlich Musikproduzent Thomas Stein, Radiomoderator Thomas Bug und Musikjournalistin Shona Fraser.
Die Künstlersozialkasse ist die Sozialversicherung der freiberuflichen Künstler. Was unter diesen Begriff zu subsumieren ist, sagt das Gesetz im § 2: Demzufolge ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.

Nun ist es so, dass schon vor Schaffung dieses Gesetzes eine Möglichkeit gesucht wurde, dass nicht nur die Künstler und Publizisten beitragspflichtig sind, sondern auch die Verwerter dieser Leistungen.

Deswegen  gibt es auch den § 24 KSVG, der die Abgabepflicht regelt.In die Berechnung werden sodann die dem Künstler oder Publizisten erstattete Leistungen mit einbezogen.

Maßgeblich für die Einschätzung, ob eine künstlerische Betätigung vorliegt, ist daher die Frage, ob „eigenschöpferische, höchstpersönliche Leistungen“ vorliegen.

Dies hat das Sozialgericht Köln bejaht und weiter ausgeführt:

„Sie reagieren mit ihren Kommentaren vergleichsweise spontan auf die Darbietungen der Künstler, auch treten sie in einen Dialog mit den Interpreten und dem Publikum“.

Gerade diese eigenschöpferischen und höchstpersönlichen Leistungen waren aber laut dem Vertrag, den der Sender mit den Jury-Mitgliedern abgeschlossen hatte, geschuldet gewesen.

Wer immer noch verwundert ist und einen anderen Kunstbegriff sein Eigen nennt, der sei mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vertröstet, wonach es auf das Niveau nicht ankommt. Die Gestaltungshöhe der geschaffenen Werke ist für die Versicherung in der Künstlersozialkasse unerheblich. Es kommt nur auf die eigenschöpferische Leistung an.

Das Urteil ist noch icht rechtskräftig.

06
Nov
07

Bundesgerichtshof entscheidet zur „gespaltenen Beitragspflicht“ im Gesellschaftsvertrag eines geschlossenen Immobilienfonds

Zum wiederholten Male musste sich der II. Zivilsenat des BGH mit der der Frage der Zulässigkeit von laufenden finanziellen Belastungen der Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds zu befassen, wenn diese zu der festen Einlageschuld des Gesellschafters hinzutreten.In Berlin gibt es eine Vielzahl von Immobilien-GbR, denen wortgleiche Gesellschaftsverträge zugrunde liegen.

Diese sehen unter anderem vor, dass die Gesellschafter neben einer einmal zu zahlenden Einlage anteilige Einzahlungen zu leisten haben. Dies soll dann der Fall sein, wenn der von der GbR erwirtschaftete Überschuss nicht für die Bedienung der Darlehen ausreichen sollte.

Die Beklagten sind im Jahre 1997 der klagenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beigetreten. Gegenstand des Unternehmens war die Renovierung eines Wohn- und Geschäftshauses in Berlin.

Dem Gesellschaftsvertrag ist zu entnehmen, dass das Eigenkapital 4,415 Mio. DM betrug. Die Gesamtkosten des Bauvorhabens sollten 12,9 Mio. DM nicht überschreiten. Für die Finanzierungslücke in Höhe der Differenz zwischen Eigenkapital und Gesamtkosten nahm die Gesellschaft für die Gesellschafter Darlehen auf.

Soweit sogut. Bis Mitte des Jahres 2004 bedienten die jetzt Beklagtenauch die vierteljährlichen Zahlungen, die sie auf der vertraglichen Grundlage zu leisten hatten. Es handelt sich hier also um eine so genannte „gespaltene Beitragspflicht.“

In der Folgezeit verweigerten die Beklagten die weitere Zahlung mit der Begründung, die Nachschusspflicht sei nicht rechtswirksam begründet worden.

Daraufhin klagte die GbR.

Das Kammergericht hat eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten verneint. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Gesellschaftsvertrag enthalte für eine derartige Verpflichtung keine ausreichende Grundlage

Nach dem Gesellschaftsvertrag entstand die Einzahlungspflicht nämlich dann, wenn der erwirtschaftete Überschuss nicht ausreichte. Dieses maßgebliche Kriterium sei aber im Gesellschaftsvertag nach Grund und Höhe nicht hinreichend konkretisiert worden.

Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Gesellschafter das Ausmaß der zusätzlichen Belastungen hinreichend abschätzen können. Dem sei aber hier nicht so gewesen.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision das klagezusprechende Urteil des Landgerichts wieder hergestellt.

Der Senat ist zwar dem Berufungsgericht in seiner Einschätzung gefolgt, dass sich bei einer isoliert den Gesellschaftsvertrag in den Blick nehmenden Beurteilung aus diesem keine Zahlungspflicht der Beklagten herleiten lasse.

Dies hatte ein anderer Senat des Kammergerichts in mehreren demnächst beim II. Zivilsenat des BGH anstehenden Verfahren mit wortgleichen Gesellschaftsverträgen noch anders gesehen.

Gleichwohl vermochten die Beklagten hiermit nicht durchdringen. Das Gericht führte hierzu aus, hier zu Unrecht allein der Text des Gesellschaftsvertrages verwertet wurde. Deshalb sei aber der vorgetragene Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt worden.

Das Gericht wies nämlich auf folgendes hin:

„Im Zusammenhang mit den Angaben in der von den Beklagten unterschriebenen Beitrittserklärung zu der GbR ergibt sich hier aus dem Gesellschaftsvertrag die vom Berufungsgericht vermisste, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderliche ausreichende Klarheit darüber, dass und in welcher maximalen Höhe die Beklagten über den ziffernmäßig festgelegten Einlagebetrag hinausgehende laufende Beitragspflichten in der Zeit ihrer Mitgliedschaft in der GbR treffen.“

Aus diesem Grunde war die Klage der GbR im Ergebnis erfolgreich.

Urteil vom 5. November 2007 – II ZR 230/06

LG Berlin – Urteil vom 6. Dezember 2005 – 19 O 102/05 ./.

KG – Urteil vom 11. September 2006 – 23 U 11/06




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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