Ach, waren das noch Zeiten, als der Lottozettel noch von Hand ausgefüllt werden musste, der Name und die Anschrift in Blockschrift und nur unter Verwendung eines schwarzen Kugelschreibers. Und die samstagabendliche Glücksfee hatte einen Namen: Karin Tietze Ludwig.
Die Zeiten ändern sich und in jüngster Vergangenheit sind nicht nur die Möglichkeiten gestiegen, mussten die Gerichte sich mit der Zulässigkeit privater Wettanbieter beschäftigen und zuletzt auch sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die Regeln für den Internetvertrieb zu bewerten sind.
Jetzt musste sich der Kartellsenat des Bundesgerichtshof mit dem vom Bundeskartellamt gegenüber den Lottogesellschaften der Bundesländer ausgesprochenen Verbot beschäftigen, dass diese bei einer Ausdehnung ihres Internetvertriebs Erlaubnisvorbehalte zu beachten haben, die in anderen Bundesländern bestehen. Der Senat hat jetzt entschieden, dass dieses Verbot jetzt nicht für sofort vollziehbar erklärt werden darf.
Im Klartext bedeutet dies , dass dieses vom Bundeskartellamt ausgesprochene Verbot bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gegen die Verfügung eingelegte Beschwerde nicht durchgesetzt werden darf.
Landesrechtlicher Erlaubnisvorbehalt für Internetvertrieb staatlicher Lottogesellschaften hat der Senat aber vorläufig bestätigt
Der Hintergrund ist darin zu sehen, dass die einzelnen Lottogesellschaften der Bundesländer auf der Grundlage eines so genannten Blockvertrags zusammenarbeiten. Hieraus ist auch der Begriff des Deutschen Lottoblocks abgeleitet. Der Beginn der Geschichte war im Jahre 1948, der Totoblock erblickte das Licht der Welt. Die Idee, die dahinter steckte war einfach: Weil es nach dem Krieg an allem fehlte, bedurfte es der Schaffung einer Geldquelle für die Sportförderung. Die Toto-Wette trug so wesentlich über ihre Ausschüttungen zur Förderung des Sports nach dem zweiten Weltkrieg bei. Anfang der 1950er Jahre bildeten sich zunächst zwei Blöcke – der Nord-Süd-Block mit den Gesellschaften der Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern und der Süd-West-Block mit den Gesellschaften aus den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Am 11. November 1956 vereinigten sich diese Beiden zum Deutschen Totoblock zusammenfügten.
Lotto kam später dazu – zwischen 1955 und 1959. Am 1. Oktober 1962 trat nun der erste Blockvertrag in Kraft. Dieser regelte unter anderem sowohl die Ziehung der Gewinnzahlen als auch das pooling der Umsätze und Gewinne. Das Ziel, das hier verfolgt wurde,war, einheitliche Quoten ermitteln zu können.
Am 1. Juli 1974 wurden Toto und Lotto zum Deutschen Toto-Lottoblock zusammengeführt Nach der Wiedervereinigung folgten die Gesellschaften der neuen Länder 1992.
§ 2 des derzeit aktuellen Blockvertrages besagt, dass die Tätigkeit jeder Lottogesellschaft auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränkt.
Lotterien sind Ländersache. Deswegen gibt es auch einen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland. Dieser Lotteriestaatsvertrag enthält eine Regelungen, die dem § 2 des Blockvertrages entspricht.
Nach diesem Vetrag dürfen die Lottogesellschaften nur dann in einem anderen Land tätig werden, wenn ihnen die Zustimmung der in diesem Land zuständigen Behörden erteilt wurde. Die einzelnen Gesellschaft hat hierbei keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung.
Das Bundeskartellamt hatte verschiedene Verhaltensweisen der Lottogesellschaften einer kartellrechtlichen Prüfung unterzogen. Mehrere hiervon wurden untersagt, weil sie gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstießen. Diese Untersagungsverfügungen wurden für sofort vollziehbar erklärt.
Die Lottogesellschaften haben dagegen beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde eingelegt.
Sie haben darüber hinaus beantragt, der Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Den auf aufschiebende Wirkung gerichteten Antrag hat das OLG Düsseldorf überwiegend abgelehnt.
Mit Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof haben die Lottogesellschaften den Antrag auf Anordnung aufschiebender Wirkung teilweise weiterverfolgt.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat dieser nun teilweise stattgegeben.
Verfahrensrechtlich ist zunächst wichtig, dass es sich hier um ein Eilverfahren handelt. Der BGH prüft daher die Beschlüsse des Beschwerdegerichts, hier also des OLG Düsseldorf – zum vorläufigen Rechtsschutz nur auf rechtliche Plausibilität.
Bei dieser Plausibilitätsprüfung war nun für die Entscheidung des Kartellsenats war deshalb die Fragestellung maßgeblich, ob es rechtens war, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Bundeskartellamtes verneint hat.
Grund hierfür ist, dass bei ernstlichen Zweifeln ist auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.
Das OLG Düsseldorf hatte die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem § 2 des Blockvertrages sich um eine Gebietsaufteilung unter den Lottogesellschaften handle. Diese sei unter kartellrechlichen Gesichtspunkten aber unzulässig. Sie ist auch nicht unter den Gesichtspunkten der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben subsummierbar. Die Gebietsaufteilung ist auch nicht wegen der Begrenzung und Kanalisierung von Spiellust gerechtfertigt.
Der Kartellsenat hatte an diesen Ausführungen des OLG nichts auszusetzen.
Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen treffen oder beibehalten dürfen, die die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen können. Dies gilt auch für die einzelnen Bundesländer.
Nun hatte das Bundeskartellamt den Staatsvertrag hierauf geprüft und in dessen § 5 im Absatz 3 eine solche unzulässige Massnahme gesehen.
Diese Bestimmung im Staatsvertrag verstärke nämlich die im Blockvertrag vereinbarte Gebietsaufteilung unter den Lottogesellschaften. Diese Vorschrift sagt nämlich, dass danach die Zustimmung zu einem Tätigwerden in einem anderen Bundesland auch versagt werden könne, um Wettbewerb unter den Lottogesellschaften zu unterbinden.
Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist es mit europäischem Recht nicht vereinbar, wenn die Lottogesellschaften durch Landesrecht davon abgehalten würden, ihren Vertrieb auf andere Bundesländer auszudehnen.Dies hat der BGH ebenfalls nicht beanstandet.
Dagegen hat der Kartellsenat nun die Rechtmäßigkeit der Verfügung des Bundeskartellamtes insoweit bezweifelt, als dort den Bundesländern die Möglichkeit genommen wird, die Tätigkeit nicht erst nach Aufnahme der Tätigkeit der aus anderen Bundesländern stammenden Lottogesellschaften zu untersagen, sondern aus ordnungsrechtlichen Gründen auch schon rein präventiv.
Der BGH hat hierzu ausgeführt: „Ein landesrechtlicher Erlaubnisvorbehalt für die Tätigkeit von Lottogesellschaften anderer Bundesländer erscheine bei vorläufiger Beurteilung gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Die territoriale Beschränkung einer landesbehördlichen Erlaubnis auf das jeweilige Bundesland berühre jedenfalls hier nicht den Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, da diese Grundfreiheiten nur zwischen den Mitgliedstaaten gelten, jedoch nicht im Verhältnis zwischen staatlichen Lottogesellschaften eines Mitgliedstaates. Der Erlaubnisvorbehalt beeinträchtige bei summarischer Prüfung auch nicht ohne weiteres die praktische Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln. Nicht auszuschließen seien berechtigte ordnungsrechtliche Gründe auf Seiten der Länder, den Internetvertrieb durch Lottogesellschaften aus anderen Bundesländern von vornherein zu verbieten oder einzuschränken.“
Der BGH hat explizit bezug genommen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Staatslotteriegesetz. Danach liege es nicht fern, auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten im Internet für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lottogesellschaften als unzulässig anzusehen.
Unter Einbeziehung der neuesten Rechtsprechung des EuGH traf das Gericht auch Ausführungen zur Frage nach der Zulässigkeit des staatlichen Monopols für Glücksspiele. Nach dieser Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit ist aber dieses staatliche Monopol nicht ausgeschlossen. Daher dürften sich die Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit für oder gegen ein solches Monopol entscheiden und dieses dann auch präventiv durchsetzen.
Das Gericht hielt im Ergebnis fest, dass die Lottogesellschaften schon vor rechtskräftiger Entscheidung über ihre Beschwerde dazu verpflichtet sind, ungeachtet der Regelungen im Blockvertrag und im Staatsvertrag eine autonome Entscheidung darüber zu treffen, ob sie ihren Internetvertrieb auf andere Bundesländer ausdehnen und die dafür erforderliche Genehmigung dieser Bundesländer einholen wollen.
Diese Genehmigung darf nur aus ordnungsrechtlichen und nicht aus wettbewerblichen Gründen versagt werden.
Die Sache ist noch nicht abgeschlossen, denn mit Beschluss vom 8. Juni 2007 (VI-Kart 15/06 (V)) hat das OLG Düsseldorf den Beschluss des Bundeskartellamts in der Hauptsache im Wesentlichen bestätigt. Den Beschluss des BGH konnte das OLG hierzu noch nicht berücksichtigen.
Prozessrechtlich hat dies nun folgende Konsequenzen:
Auf die vom BGH getroffene Entscheidung hat der Beschluss des OLG Düsseldorf keinen Einfluss. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Anordnungen der aufschiebenden Wirkung gelten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens. Auch eine gegen die Ablehnung einer solchen Anordnung gerichtete Rechtsbeschwerde erledigt sich vorher nicht.
Beschluss vom 8. Mai 2007 – KVR 31/06 – Lotto im Internet
Bundeskartellamt, Beschluss vom 23. August 2006 – B 10-92713-Kc-148/05,
WuW/E DE-V 1251
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2006 – VI-Kart 15/06, WuW/E DE-869
OLG Düsseldorf Beschluss vom 8. Juni 2007 – VI-Kart 15/06 (V)