Archiv für Juli 2007

19
Jul
07

BGH schafft Klarheit bei der Frage „Wer hat mich angespamt ?“

Herr A ist privat auch mobil erreichbar. Eines Tages erhielt er eine SMS – unverlangt und mit Werbeinhalt. Herr A ärgerte sich. Aus der Telefonnummer hinter der SMS konnte er schliessen, dass sie zu einem Anschluss des Bonner Riesen gehörte – zu T-mobile nämlich. Den Absender selbst konnte er nicht ausfindig machen. Die Nummer gehörte nämlich zu dem der Gesellschaft gehörenden Rufnummernblock.

Herr A wollte den Veranlasser der ungebetenen Nachricht zivilrechtlich in Anspruch nehmen. Das ist sein gutes Recht, denn ungefragte Werbeanrufe und Werbe-SMS muss sich niemand gefallen lassen.

Um den Spamer ausfindig zu machen, wandte er sich also an T-mobile und verlangte Auskunft. T-mobile rückte diese nicht freiwillig heraus – und so kam es zum Prozess.

Streitpunkt war nämlich, ob Herr A gegenüber der Telefongesellschaft selbst einen Auskunftsanspruch geltend machen kann. T-mobile vertrat den Standpunkt, nur gegenüber Verbänden zur Auskunft verpflichtet zu sein.

Das Amtsgericht Bonn hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht Bonn hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, hat jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Diese Revision hat der BGH jetzt zurückgewiesen.

Es ging daher um die Auslegung des § 13 UklaG:

㤠13a Auskunftsanspruch sonstiger Betroffener
1Wer von einem anderen Unterlassung der Lieferung unbestellter Sachen, der Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen oder der Zusendung oder sonstiger Übermittlung unverlangter Werbung verlangen kann, hat den Auskunftsanspruch nach § 13 Abs. 1, 2 und 4 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Anspruchs nach § 1 oder § 2 sein Anspruch auf Unterlassung nach allgemeinen Vorschriften tritt. 2Satz 1 ist nicht anzuwenden, soweit nach § 13 oder nach § 8 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein Auskunftsanspruch besteht.“

T-mobile stützte sich nun auf Satz 2 dieser Vorschrift. Dieser scheint tatsächlich den Anspruch aber in der Praxis leerlaufen zu lassen. Dem Wortlaut nach macht er den individuellen Anspruch nämlich davon abhängig, dass kein entsprechender Auskunftsanspruch eines Verbandes, wie zum Beispiel eines Verbraucherschutzverbandes besteht.

Der Bundesgerichtshof hat diese Bestimmung des § 13a Satz 2 UKlaG nun restriktiv ausgelegt. Nach Auffassung des Gerichts scheidet der Auskunftsanspruch des individuellen Verbrauchers nur dann aus, wenn ein Verband den entsprechenden Auskunftsanspruch bereits geltend gemacht hat.

Diese Auslegung entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen.

Eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung führe hingegen zu einem Ergebnis, das dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Denn in der Praxis bestehen immer Auskunftsansprüche von Verbänden. Daher würde bei dieser Auslegung kaum jemals ein Auskunftsanspruch individueller Adressaten von Werbeanrufen bestehen.

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Erwägungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Inhaber eines privat genutzten Mobilfunkanschlusses, dem eine unverlangte Werbe-SMS zugesandt worden ist und der deshalb den Veranlasser zivilrechtlich in Anspruch nehmen möchte, von der Telefongesellschaft Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Anschlusses verlangen kann, von dem aus die Nachricht versandt worden ist.
Bundesgerichtshof, Urt. v. 19. Juli 2007 – I ZR 191/04 – SMS-Werbung

AG Bonn, Urt. v. 25. März 2004 – 14 C 591/03 – LG Bonn, Urt. v. 16. Juli 2004 – 6 S 77/04 –

19
Jul
07

Der Gebrauchtwagenkauf beim BGH

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat jetzt seine Rechtsprechung zu § 476 BGB fortgeführt. Erst kürzlich musste er sich Gedanken darüber machen, wie diese Vorschrift anzuwenden ist, wenn das Kaufobjekt ein lebendiger Kater ist. Diese Entscheidung habe ich hier dargestellt.

Im jetzt entschiedenen Fall kaufte sich Herr A einen Gebrauchtwagen bei Herrn B. Dieser betreibt einen Gebrauchtwagenhandel. Das Auto hatte 159.000 km auf dem Buckel. Für EUR 4.450,00 wechselte es den Eigentümer. Etwa vier Wochen nach Übergabe wurde in einer Fachwerkstatt festgestellt, dass sich im Kühlsystem des Fahrzeugs zu wenig Wasser befand. Nach der Demontage des Zylinderkopfes stellte sich weiter heraus, dass die Zylinderkopfdichtung defekt und die Ventilstege gerissen waren.

Herr A forderte zunächst vergeblich zur Mängelbeseitigung auf. Nachdem dieses Verlangen ohne Erfolg blieb, erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sodann erhob er Klage. Diese war gerichtet auf die Rückzahlung des Kaufpreises.

Sowohl vor dem Amtsgericht wie auch vor dem Landgericht blieb Herr A aber der Erfolg versagt.

Streitentscheidend war nämlich die Frage, ob Herrn A die Regel des § 476 BGB zugute kommt. Dieser Regelung zufolge tritt beim Verbrauchsgüterkauf eine Beweislastumkehr in Kraft, wenn sich ein Mangel innerhalb von 6 Monaten nach Gefahrübergang zeigt. Das heisst konkret, dass das Gesetz die Vermutung aufstellt, der Mangel sei bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen.

Der Gerfahrübergang ist hier bei der Übergabe des Autos zu sehen. Die behaupteten Mängel sind die defekte Zylinderkopfdichtung sowie die gerissenen Ventilstege.

Die gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden – die Beweislastumkehr führt dazu, dass der Verkäufer beweisen muss, dass der Mangel noch nicht bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Weil § 476 BGB eine verbraucherschützende Norm ist, gilt diese Beweislastumkehr nur, wenn Herr A Verbraucher war. Im vorliegenden Falle hatte er dies auch so vorgetragen.

Trotzdem war Herr A in den ersten zwei Instanzen gescheitert – mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Dieser hatte zuvor zwei Fälle zu entscheiden, bei denen es auch um Mängel an Kraftfahrzeugen ging:

Das eine war der Zahnriemenfall (BGHZ 159, 215), das andere der Turboladerfall (NJW 2006, 434).

In der Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zum § 476 BGB führte der VIII. Zivilsenat nun aus, dass im vorliegenden Falle ein entscheidender Unterschied zu den oben angeführten Vergleichsfällen zu sehen sei:

Dort konnte schon nicht geklärt werden, ob der jeweils eingetretene Motor- bzw. Turboladerschaden, der auch erst nach Übergabe des Fahrzeugs aufgetreten war, tatsächlich auf einen Mangel zurückzuführen war. Dort waren auch andere Ursachen denkbar, nämlich entweder ein zur sofortigen Zerstörung des Motors führender Fahrfehler des Käufers oder aber gewöhnlicher Verschleiß.

Im jetzt entschiedenen Fall ist dies dagegen nicht ungeklärt geblieben. Vielmehr steht fest, dass das Fahrzeug mangelhaft ist. Nach dem unstreitigen Sachverhalt haben sich nach der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger Mängel in Gestalt der defekten Zylinderkopfdichtung und der gerissenen Ventilstege gezeigt.

Die Frage, ob der Defekt der Zylinderkopfdichtung und die daraus folgende oder dafür ursächliche Überhitzung des Motors, auf die nach den Ausführungen des Sachverständigen auch das Reißen der Ventilstege zurückzuführen ist, bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger eingetreten waren oder ob sie erst danach – durch einen Fahr- oder Bedienfehler des Klägers – entstanden sind, konnte nicht aufgeklärt werden.

Hier kommt nun die Beweislastregel des § 476 ins Spiel: Es wird die gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass der Mangel schon bei Gefahrübergang vorhanden war.

Es folgt also hieraus, dass, falls ein Mangel tatsächlich vorhanden ist, dessen Vorhandensein bei Gefahrübergang vermutet wird. Wenn aber die Existenz eines Mangels selbst nicht bewiesen werden kann, hilft auch die Vermutung des § 476 BGB nicht weiter.

Ein Rücktrittsrecht des Käufers besteht nur dann, wenn die nach der Übergabe festgestellten Fahrzeugmängel schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an ihn vorhanden waren.

Wenn diese Frage zwischen den Parteien im Prozess nicht geklärt werdenkann, wirkt sich diese Ungewissheit zunächst grundsätzlich zu Lasten des Käufers aus.

Wenn aber ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Sache kauft, greifen die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs.In diesem Rahmen greift dann nach § 476 BGB aus Gründen des Verbraucherschutzes eine Umkehr der Beweislast Platz.

Entgegengetreten ist der Bundesgerichtshof auch einer weiteren Begründung des Landgerichts, die dieses noch hilfsweise hinzugefügt hatte. Das Landgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Vermutung des § 476 BGB greife jedenfalls deswegen nicht ein, weil es sich um Mängel handele, die typischerweise jederzeit eintreten könnten und deshalb keinen hinreichend wahrscheinlichen Schluss darauf zuließen, dass sie schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden waren.

Diese Ansicht hat der Bundesgerichtshof aber bereits wiederholt abgelehnt. Eine solche Begründung ließe nämlich den Verbraucherschutz weitgehend ins Leere laufen. Dies ist aber mit dem Gesetzeszweck der Regelung im § 476 nicht vereinbar.

Da es für die Endentscheidung weiterer tatsächlicher Feststellungen insbesondere zu den Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs bedarf, hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Urteil vom 18. Juli 2007 – VIII ZR 259/06

AG Halle-Saalkreis, Urteil vom 16. November 2005 – 101 C 943/03

LG Halle, Urteil vom 13. September 2006 – 2 S 295/05

17
Jul
07

OLG Karlsruhe : Wenn der Geländewagen nicht so brummt wie er sollte

Herr A kaufte sich einen Geländewagen – das war Anfang 2005. Für dieses Gefährt musste er EUR 29.000,00 bezahlen. Das Vorgängermodell gab er in Zahlung und wartete auf die Lieferung.

Im April war es endlich so weit. Aber Herr A war nicht zufrieden. So wandte er sich mehrfach an sein Autohaus, die B GmbH.

Das Auto wies nach seiner Meinung eine deutlich verzögerte Beschleunigung bei Geschwindigkeiten über 140 km/h auf. Hinzu kam ein starkes Bocken und Vibrieren des Fahrzeugs bei Erreichen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und deren Abregeln.

Herr A setzte der B eine Frist zur Reparatur. Diese verstrich fruchtlos. Danach verlangte Herr A die Lieferung eines neuen baugleichen Fahrzeuges. Im August schließlich erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Diese Rechte stehen Herrn A aus dem Kaufrecht zu:

„§ 437 Rechte des Käufers bei Mängeln
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
2.nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und
3.nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.“

Zunächst hatte Herr A also Nacherfüllung verlangt :

„§ 439 Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

(4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.“

Nachdem ihm dieses verweigert worden war, wählte er den Rücktritt:

„§ 440 Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
1Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. 2Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.“

Grundvoraussetzungen für diese Rechte aus dem § 437 BGB ist, dass die Sache mangelhaft ist. Den Sachmangel regelt der § 434 BGB:

㤠434 Sachmangel
(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1.wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2.wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
3Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(2) 1Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. 2Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden.

(3) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert.“

So stellte sich nun die Frage, ob der Geländewagen tatsächlich mängelbehaftet war – oder eben nicht. Das nunmehr beklagte Autohaus B stellte sich auf den Standpunkt, dass hier überhaupt keine Mänel vorlägen. Was beanstandet werde, sei Stand der Serie und fahrzeugbedingt vorgegeben. Darüber hinaus entspreche das Auto auch dem Stand der Technik eines Geländewagens.

Das angerufene Landgericht in Konstanz erhob Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die unzureichende und verzögerte Beschleunigung des gekauften Fahrzeuges bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, das starke Bocken und Vibrieren beim automatischen Abregeln beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h und die verzögerte Reaktion bei Änderung der Einstellung beim Tempomat keine Sachmängel seien.

Es handele sich vielmehr um fahrzeugspezifische Steuerungs- und Regelungsdefizite. Diese seien konzeptionell bedingt und entsprächen daher dem anzulegenden Maßstab „Stand der Technik“.

Die Folge hiervon war, dass die Klage abgewiesen wurde.

Herr A ging in Berufung.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe – Senate in Freiburg – hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Das Oberlandesgericht ging zunächst auf die Frage ein, wann Sachmängel vorliegen. Hiernach ist nach der fast einhelligen Meinung in der Rechtsprechung auf den allgemeinen „Stand der Technik“ abzustellen.

Was unter dem Stand der Technik ist, definierte das Gericht so: Es ist der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge. Damit kommt es eben gerade nicht allein auf den Stand der Serie an.

Unter Anlegung dieses Maßstabes kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass das streitbefangene Fahrzeug nicht dem Stand der Technik entspricht. Dieser Geländewagen weicht nach den Feststellungen des Gerichts in folgenden Punkten hiervon ab:

Er beschleunigt nach dem automatischen Gangwechsel bei Geschwindigkeiten über 140 km/h nur verzögert. Das Dreiganggetriebe mit einer zu-/abschaltbaren Overdrive-Stufe bewirkt mit seiner Leistungsauslegung einen zu starken Abfall der Drehzahl und damit verbunden eine zu lange Spanne, bis sich die Beschleunigung trotz unveränderter Gaspedalstellung nach Gangwechsel in den höheren Gang von zwei auf drei wieder fortsetzt. Statt dessen tritt zunächst ein Geschwindigkeitsgleichstand von mindestens zehn Sekunden ein, der nicht dem üblichen Standard eines Geländewagens vergleichbarer Art und Preisklasse entspricht.

Weiter führte das Gericht aus, dass Geländewagen hierzulande üblicherweise weitgehend auch im normalen Straßenverkehr eingesetzt werden. Aus diesem Grunde war auch der Geschwindigkeitsbereich über 140 km/h für den Fahrbetrieb von Bedeutung. Die Zeitspanne von 10 Sekunden bis zum Ansprechen der Beschleunigung ist im Fahrbetrieb ungewöhnlich und störend.

Das Gericht bezog sich auch auf die Ansprüche an die Verkehrssicherheit und sah diese durch diese Beschleunigungsverzögerung beeinträchtigt. Als Beispiel wurde hier angeführt, dass eine Gefährdungssituation eintreten kann, wenn ein Überholvorgang knapp ist und ergänzend wurde ausgeführt, dass selbst ein vorausschauender Fahrer nicht alle schwierigen Verkehrssituationen vorhersehen kann und deswegen dieses Sicherheitsrisiko nicht vollständig durch ein Mehr an Sorgfalt und Vorsicht ausgeschaltet werden kann.

Unter diesen Prämissen kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Fahrzeug mit diesem Mangel nicht nur vom Standard der Fahrzeugklasse, sondern auch vom Vorgängermodell abweicht.

Darüber hinaus postulierte das Gericht auch eine weitgehende Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Vertragsschluss:

„Der Kläger, der das Vorgängermodell zuvor gefahren und bei der Beklagten in Zahlung gegeben hat, durfte erwarten, über die gravierende, die Verkehrssicherheit beeinflussende Änderung zum Vorgängermodell von der Beklagten informiert zu werden, was nicht der Fall war. Dieser Mangel war auch im Rahmen der innerstädtischen Probefahrt für den Kläger nicht feststellbar.“

Die weitergehenden Abweichungen wurden gleichfalls als Mängel eingestuft. Das Gericht führte hierzu aus:

„Es bestehen auch weitere, weniger gravierende Abweichungen sowohl vom Standard des Vorgängermodells als auch der Fahrzeugklasse. Das Fahrzeug bockt und vibriert beim automatischen Abregeln bei Erreichen der Höchstgeschwindigkeit. Dies hat ein starkes Verzögerungsrucken und Nachnickbewegungen zur Folge. Das Fahrzeug ruckt und pendelt so, dass die Insassen zunächst recht unangenehm nach vorne und hinten bewegt werden. Das Verzögerungsrucken schwächt sich sogleich wieder ab.

Auch dieser Mangel ist nicht durch die Konzeption eines Geländewagens vorgegeben, sondern beruht allein darauf, dass der Motor bei 174 km/h seine Leistungsgrenze noch nicht erreicht hat und deshalb automatisch abgeregelt wird. Auf Änderungen der Einstellung reagiert der Tempomat nur mit einer ungewöhnlich langen Verzögerung. Auch diese ist nicht konzeptionell bedingt. Vielmehr ist die angewandte Technik schlicht veraltet. Dies entspricht weder dem Bedien- und Komfortstandard des Vorgängermodells noch dem von Konkurrenzfahrzeugen.“

Damit war klar, dass Herr A berechtigt war, wirksam vom Kaufvertrag zurückzutreten. Die B GmbH muss das Auto zurücknehmen und den Kaufpreis – abzüglich der genossenen Gebrauchsvorteile erstatten.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28.06.2007 – 9 U 239/06

17
Jul
07

Bundesgerichtshof: Ebay haftet mit Einschränkungen für das Angebot jugendgefährdender Medien

drei – zwei – eins – meins….

auf ebay wird allerhand verkauft. Darunter fanden sich – zumindest in der Vergangenheit – gelegentlich auch jugendgefährdende Schriften.

Im streitbefangenen Zeitraum von Juli 2001 bis Mai 2002 waren auf dieses Plattform indizierte jugendgefährdende Medien angeboten worden.

Das Modell „ebay“ funktioniert bekanntlich so, dass ebay die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stellt, die Anbieter dort ihre Waren einstellen und zum Verkauf anbieten können.

Die fraglichen Medien waren daher von Dritten dort eingestellt worden.

Geklagt hatte ein Interessenverband des Video- und Medienfachhandels. Dieser sah in den Angeboten ein wettbewerbswidiges Verhalten der Anbieterin von ebay.de

Das Landgericht Potsdam und das OLG Brandenburg haben die Klage auf Unterlassung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Interessenverbandes hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat wie bereits im Verfahren wegen gefälschter ROLEX-Uhren ( Urteil vom 19.4.2007 – I ZR 35/04) herausgestellt, dass das im Telemediengesetz (TMG) geregelte Haftungsprivileg für Host-Provider nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung, nicht dagegen den Unterlassungsanspruch betrifft.

Während die ROLEX-Entscheidung das Markenrecht betrifft, befinden wir uns hier allerdings im Wettbewerbsrecht.

Denn das Wettbewerbsrecht schützt die Interessen der jugendlichen Verbraucher. Diese sind aber besonders schutzwürdig. Daher hat auch das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien diesen besonderen Schutz im Auge. Verstöße hiergegen sind wettbewerbwidrig.

Der BGH hat hierzu festgestellt, dass die im Markenrecht entwickelten Grundsätze auch im Wettbewerbsrecht Geltung haben. Demnach kommt eine Haftung von ebay wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten in Betracht. Das gilt auch dann, wenn die Beklagte nicht selbst als Anbieterin aufgetreten ist sondern nur die Plattform hierfür bereitgestellt hatte.

Der Bundesgerichtshof hat darauf abgestellt, dass die Beklagte die ernsthafte und naheliegende Gefahr geschaffen hat.

Die Gefahr dafür, dass die Internetplattform von Verkäufern zum Vertrieb indizierter jugendgefährdender Schriften genutzt wird, reicht demnach bereits dafür aus, bei Verstößen in die Haftung genommen zu werden.

Der BGH hat hierzu weitreichende Forderungen aufgestellt. .

So reicht es nicht nur aus, wenn nach Kenntniserlangung von einem konkreten Verstoß dieses unverzüglich gesperrt wird. Vielmehr trifft den Betreiber der Plattform demnach auch die Pflicht, auch Vorsorge dafür zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen komme.

Sie müsse deshalb verhindern, dass die ihr konkret benannten jugendgefährdenden Medien von anderen Verkäufern erneut auf ihrer Plattform angeboten würden.

Den Begriff der Gleichartigkeit hat der BGH nun weit gefasst: hierunter fallen auch solche Angebote, bei denen derselbe Versteigerer nach Kategorie und Medium entsprechende indizierte Werke anbietet. Daher sind nach Kenntniserlangung eines Verstoßes auch etwaige weitere in diesem Zusammenhang zu prüfen. Der BGH hat hier eine weitreichende Prüfpflicht der Betreiberin angenommen.

Dennoch hat der BGH Augenmaß bewahrt. So dürfen die Prüfungspflichten nicht das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen. Ähnliches hatte das Gericht bereits in der oben genannten ROLEX-Entscheidung ausgeführt.

Darüber hinaus darf es keine grundsätzliche Sperrung geben, da das jugendschützende Verbot selbst eine durch den Jugendschutz vorgegebene Schranke hat. Soweit also ein wirksames System eingerichtet ist, das zuverlässig das Alter des Auktionspartners prüft, muss hierdurch sichergestellt sein, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt. In diesem Falle entfällt die Pflicht zur Sperrung des Angebotes.

Da es noch an für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen fehlt, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht Brandenburg zurückverwiesen. In der erneuten Verhandlung wird insbesondere zu klären sein, was im vorliegenden Fall gleichartige Angebote sind, auf die sich die Prüfungspflicht der Beklagten beschränkt, und welche Filterprogramme oder sonstigen technischen Möglichkeiten der Beklagten zur Verfügung stehen, um jugendgefährdende Medienangebote zu identifizieren.

Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04 – Jugendgefährdende Medien bei eBay

LG Potsdam – Urteil vom. 10. Oktober 2002 – 51 O 12/02 ./. OLG Brandenburg – Urteil vom 16. Dezember 2003 – 6 U 161/02

11
Jul
07

„Hoorig hoorig isch die Katz“

So tönt es in der schwäbisch-alemannischen Fasnet durch die Gassen. Für alle der schwäbischen oder alemannischen Mundart nicht Mächtigen sei die Übersetzung ins Hochdeutsche nachgeliefert: Haarig, haarig ist die Katze.

Haarig war auch, was der BGH jetzt zum Kauf einer Katze – oder genauer – eines Katers zu entscheiden hatte.

Die Beklagte verkaufte also der Klägerin einen Kater. Für den stolzen Preis von EUR 660,00 wechselte das Tier die Besitzerin. Die Beklagte betreibt eine Katzenzucht. Die Klägerin selbst besaß schon zwei Kätzinnen, deren Würfe sie jeweils verkaufte.

Verkauft wurde das Tier am 11. August, der neuen Halterin übergeben wurde es dann am 6. Oktober. Am 26. Oktober wurde bei dem Kater eine Pilzinfektion festgestellt.

Solche Hautpilzinfektionen, man nennt sie auch „Dermatophytosen“ beim Haustier zeigen sich auf vielfältige Art. Die Symptome sind stumpfes Fell, Schuppenbildung, Haarbruch bis hin zu kreisrundem Haarausfall sowie entzündete Hautpartien.

Sie lassen sich zwar beim Kraulen oder bei der Fellpflege bereits im Anfangsstadium entdecken. Da die befallenen Stellen aber schuppig gerötet sind, werden die ersten Symptome jedoch leicht mit einer Allergie verwechselt.

Die Klägerin verlangte nun von der Beklagten Schadensersatz wegen aufgewendeter Tierarztkosten für die Behandlung des Katers sowie ihrer weiteren Katzen.

Der BGH hat sich erst in diesem Jahr mit den tierspezifischen Fragestellungen im Kaufrecht bei einem Pferd auseinandersetzen müssen. (Urteil vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06 )

Entscheidend für den jetzt vorliegenden Fall ist die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beweislastumkehr des § 476 BGB eingreift.

§ 476 BGB bestimmt:

㤠476 Beweislastumkehr

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.“

Dass der Kater als eine Sache zu behandeln ist, ergibt sich aus dem § 90 a BGB:

㤠90a Tiere

1Tiere sind keine Sachen. 2Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. 3Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“

Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 476 ist aber § 474 BGB:

„§ 474 Begriff des Verbrauchsgüterkaufs

(1) 1Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache (Verbrauchsgüterkauf), gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. 2Dies gilt nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann.

(2) Die §§ 445 und 447 finden auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge keine Anwendung.“
Fraglich war nun also, ob der Kater bei der Übergabe bereits mit den Pilzen infiziert war.

Das Amtsgericht hatte hierzu ein tiermedizinisches Gutachten eingeholt. Das Ergebnis war, dass die Inkubationszeit zwischen 7 und 14 Tagen liegt, aber bis zu 1 ½ Jahre betragen kann.

Ein Sachmangel, für den der Verkäufer haftet, liegt nämlich nur dann vor, wenn er bei Gefahrübergang bereits vorhanden war.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Dreh- und Angelpunkt war die Auslegung des § 476: Hier haben wir eine Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers. Es wird – widerlegbar – vermutet, dass bei Auftreten eines Mangels dieser bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Demzufolge hätte die Beklagte zu beweisen, dass der Mangel, alaso die Infektion bei der Übergabe des Tieres noch nicht erfolgt war.

Das Landgericht sah aber den Anwendungsbereich des § 474 BGB für nicht eröffnet an und argumentierte dahingehend, Zweck der Vorschrift sei es, das Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher auszugleichen, das sich aus den besseren Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten des Unternehmers hinsichtlich der Beschaffenheit der von ihm verkauften Ware ergebe.

Hieraus schloss das Landgericht, dass dann kein Anlass für die Beweislastumkehr bestehe, wenn der Unternehmer den Mangel aber trotz sorgfältiger Untersuchung ebenso wenig wie der Verbraucher erkennen könne.

Folglich gab es nach Auffassung des Landgerichts keinen Anlass, den Verbraucher durch eine Beweislastumkehr zu schützen.

Dadurch war die Klägerin in die Beweisnot gestürzt, aus der sie sich nicht befreien konnte, weil bekanntermaßen das Gutachten keine eindeutige Aussage zur Infektion bei Gefahrübergang machen konnte.

Der Bundesgerichtshof hat nun der Rechtsauffassung des Landgerichts eine klare Absage erteilt.

Die Erwägung, die hinter der gesetzlichen Regelung steht, war zwar vom Landgericht richtig erkannt worden. Demnach hat ein Verkäufer, der als Unternehmer eine bewegliche Sache an einen Verbraucher verkauft, jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe typischerweise über bessere Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten als der Verbraucher.

Die Beweislastumkehr und damit das Eingreifen der Vermutungkann aber nicht davon abhängen, ob im Einzelfall ein Wissensvorsprung des Unternehmers hinsichtlich der Mangelfreiheit der Kaufsache besteht.

Wäre die Argumentation des Landgerichts rechtsfehlerfrei, würde die Beweislastumkehr bei verdeckten Mängeln nicht greifen. Gleiches gilt beim Verkauf originalverpackter Ware, da hier der Verkäufer keinen Wissensvorsprung erwerben kann. Damit würde aber, so der BGH, der Verbraucher schützende Charakter der Vorschrift damit weitgehend leer laufen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Aufhebung erfolgte in diesem Falle aber aus einem ganz anderen Grunde.

Voraussetzung für das Greifen der Beweislastumkehr ist, wie oben bereits ausgeführt, dass Verkäufer und Käufer sich als Unternehmer und Verbraucher gegenüberstehen.

Im konkreten Fall ist aber die Verbrauchereigenschaft der Klägerin noch nicht aufgeklärt.

Schließlich könnte deren Katzenzucht als gewerbliche Tätigkeit einzustufen sein.

Die Beweislast dafür, dass die Klägerin als Verbraucherin gehandelt hat obliegt hier der Klägerin . Hier kommen nämlich nur die allgemeinen Beweislastgrundsätze zur Abwendung, da sie sich auf den für sie günstigen § 476 BGB beruft.

Urteil vom 11. Juli 2007 – VIII ZR 110/06

AG Krefeld – Urteil vom 12. September 2005 – 70 C 139/04 ./. LG Krefeld – Urteil vom 7. April 2006 – 1 S 116/05

10
Jul
07

Was soll das Pfand in meiner Hand ?

BGH II ZR 232/05 und II ZR 233/05Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat jetzt in zwei Verfahren Stellung bezogen zur Rechtsnatur des Flaschenpfandes sowie zur Frage, wer eigentlich Eigentümer der Mehrwegflaschen ist.

In beiden Verfahren war die Beklagte die selbe. Sie vertreibt stilles Mineralwasser. Dieses füllt sie in 1,5 l-PET-Flaschen ab und bringt diese im Volksmund so genannten Plastikflaschen als Einwegpfandflaschen in den Verkehr. In die Flaschen selbst ist der Name des Wassers eingestanzt. Das Wort „Pfand“ oder „Pfandflasche“ ist aufgedruckt. Auf den Banderolen selbst ist ein Text aufgedruckt, der unter anderem die Worte „Pfand € 0,25″ oder „0,25 € Pfand“ enthält. Weil es sich um Einwegpfandflaschen handelt, werden diese nach Rückgabe zerkleinert und das so gewonnene Rohmaterial erneut verwendet.

Im ersten Fall klagte eine Firma, die sich mit der Sortierung von Getränkeflaschen befasst. Das Geschäftsmodell funktioniert so, dass sie aus den Kästen ihrer Vetragspartner die Flaschen anderer Hersteller aussortiert. Als Entgelt für diese Tätigkeit ist vereinbart, dass sie einen bestimmten Anteil der Flaschen, die von ihr aussortiert wurden, behalten darf. So sammelten sich im Laufe der Zeit erhebliche Bestände derjenigen Flaschen an, die die Beklagte zuvor in den Verkehr gebracht hatte.

Die Klägerin wollte „ihr Pfand einlösen“ – und verlangte die Zahlung von EUR 0,25 je Flasche aus ihrem Bestand – selbstverständlich Zug um Zug gegen Herausgabe dieser Flaschen.

Landgericht und Oberlandesgericht verurteilten die Beklagte vollumfänglich. Der BGH hat jetzt die Revision zurückgewiesen.

Der II. Zivilsenat hat die Rechtsnatur des Flaschenpfandes in diesem Falle näher beleuchtet. Zu diesem Zweck hat der den Aufdruck auf der Flaschenbanderole „Pfand € 0,25″ ausgelegt.

Die Auslegung ergibt, dass der Begriff so zu verstehen ist, dass hierin ein Angebot der Beklagten dergestalt zu sehen ist, dass sie demjenigen den dort aaufgeführten Betrag erstattet, der ihr wiederum den Besitz an dieser Flasche verschafft.

Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen, indem sie die Beklagte aufforderte, ihr den aufgedruckten Betrag auszubezahlen.

Damit ist nach den allgemeinen Regeln des BGB wirksam ein Vertrag über die Wiedereinräumung des Besitzrechtes gegen Erstattung des aufgedruckten Betrages zustande gekommen. Die Frage, wer ursprünglich den Pfandbetrag eingesetzt hatte und ob dieser durch seinen Verzicht auf Einlösung damit auch für alle Nachfolgenden das Rechts auf Rückerstattung verwirkt haben könnte, spielt daher keine Rolle.

Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte nicht auch aufgrund der Vorschriften der Verpackungsverordnung zur Rücknahme verpflichtet wäre. Diese Frage hat de Senat offen gelassen.

Urteil vom 9. Juli 2007 – II ZR 232/05

LG Wiesbaden – Urteil vom 15. November 2004 – 11 O 84/03 ./. OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. Juli 2005 – 10 U 274/ 04
Im zweiten Verfahren war die Klägerin gewissermaßen ein Konkurrenzunternehmen, denn sie vertreibt gleichfalls stilles Wasser in 1,5 l-PET-Flaschen. Allerdings nutzt sie diese nicht als Einwegpfandflaschen sondern befüllt diese nach eigenen Angaben bis zu 15 Mal neu.

Diese Flaschen bringt die Klägerin mit einem Pfand von EUR 0,15 in den Handel. Die Anschaffungskosten je Flasche belaufen sich auf EUR 0,173. Diese Flaschen sind mit einer Einprägung versehen, auf der „“GG-Pool“ zu lesen ist.

Bei der Beklagten sammelten sich nun im Laufe der Zeit 728.552 solcher Flaschen an. Wir erinnern uns, dass die Beklagte ja das PET-Einwegverfahren nutzt und die Flaschen nach dem Rücklauf zermahlen lässt.

Die Klägerin verlangt nun Schadenersatz dafür, dass die Beklagte diese Flaschen, die in ihrem Eigentum standen, vernichtet habe. Als Zeitwert setzt sie die hälftigen Entstehungskosten in Höhe von EUR 0,0865 an. Das ergibt insgesamt immerhin einen Betrag von EUR 63.019,748.

Außerdem verlangt sie die Unterlassung weiterer Vernichtungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur Herausgabe dieser Flaschen verpflichtet ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision wurde vom Oberlandesgericht aber zugelassen.
Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Vorstellungen des Rechtsverkehrs von einer einvernehmlichen Abrede zwischen allen Beteiligten auszugehen, dass es dem Endkunden freistehe, die Pfandflasche zurückzugeben oder stattdessen den eingesetzten Pfandbetrag verfallen zu lassen. Es könne zwar unterstellt werden, dass die Klägerin beim Verkauf des Wassers das Eigentum an den Flaschen nicht verloren habe.
Allerdings lasse diese so genannte „Ersetzungsbefugnis“ des Endkunden weitergehende Rechte der Eigentümerin verfallen. Der Endkunde erwerbe nach den Vorstellungen des OLG diese Ersetzungsbefungnis bei Zahlung des aufgedruckten Pfandbetrages. Bei jedem weiteren Besitzwechsel der Flasche gehe nun diese Ersetzungsbefugnis auf jeden neuen Besitzer der Pfandflasche über, da dieser sein Besitzrecht vom Endkunden ableiten kann. Folglich könne jeder neue Besitzer entscheiden, ob er den Pfandbetrag wieder einlösen wolle oder aber nicht. Diese Ersetzungsbefugnis steht aber dem Klageantrag entgegen.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat der Revision der Klägerin teilweise stattgegeben. Die
vom Berufungsgericht angenommene „Ersetzungsbefugnis“ hat der Senat verneint.

Vielmehr ist es so, dass der Eigentümer einer Pfandflasche sein Eigentum daran nicht verliert, wenn er diese Flasche aufgrund einer dauerhaften Kennzeichnung individualisiert und damit als sein Eigentum gekennzeichnet hat.

Er kann deshalb Herausgabe seiner Flaschen fordern und seine Konkurrenten wegen der Vernichtung seiner Flaschen auf Unterlassung und grundsätzlich auch auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, sofern ihm ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist.

Dieser Anspruch ergibt sich direkt aus §985 BGB.

Allederings hat das Gericht dem Ansinnen, für die vernichteten Flaschen Schadenersatz zu verlangen, einen Riegel vorgeschoben. Denn die Klägerin hatte ja für jede vernichtete Flasche ursprünglich einen Pfandbetrag in Höhe von EUR 0,15 vereinnahmt. Diesen Betrag muss sie sich dem entstandenen Schaden als Vorteil entgegenhalten lassen. Da der wirtschaftliche Wert der zerstörten Flaschen aber geringer war als dieser Vorteil, waren die weiteren Voraussetzungen für einen Schadenersatz nicht erfüllt.

Urteil vom 9. Juli 2007 – II ZR 233/05

LG Wiesbaden – Urteil vom 9. Dezember 2004 – 13 O 149/04 ./. OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. Juli 2005 – 10 U 11/05

09
Jul
07

Klagefrist von drei Wochen ist zu beachten

Herr A ist Kraftfahrer. Am 08. November begann er bei seinem Arbeitgeber. Nach vorheriger Abmahnung kündigte ihm dieser am 01. März 2005 fristlos. Er begründete dieses mit Arbeitsverweigerung des Herrn A.Diese Kündigung erfolgte also innerhalb der Wartefrist des § 1 I KschG:

„§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.“

Herr A erhob Kündigungsschutzklage. Diese ging auch am 31.03.2005 beim Arbeitsgericht ein,

Damit lag er ausserhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KschG:

㤠4 Anrufung des Arbeitsgerichts

1Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. 2Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. 3Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. 4Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“

Da es sich um eine außerordentliche Kündigung handelte, war §13 KschG einschlägig:

„§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen

(1) 1Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. 2Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. 3Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. 4Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. 5Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.“
Hier verweist Satz 2 auf die Frist des § 4. Da Herr A diese Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage versäumt hatte, gilt die außerordentliche Kündigung gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 7 KSchG als wirksam. Ob der Kündigungsgrund der Arbeitsverweigerung tatsächlich vorlag, war nicht mehr zu prüfen.“

Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit von seiner bisherigen Rechtsprechung verabschiedet:

So hatte das BAG noch im Urteil vom 17.8.1972 – 2 AZR 415/71 – (Fundstellen: AP Nr. 65 zu § 626 BGB; EzA Nr. 22 zu § 626 BGB; NJW 1973, 553; BB 1973, 1396; DB 1973, 481) veröffentlicht im 24. Entscheidungsband des Bundesarbeitsgerichts BAGE 24, 401 anders geurteilt:

„Auch für die Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes ist daran festzuhalten, daß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate besteht oder die noch nicht 18 Jahre alt sind, bei einer außerordentlichen Kündigung die Klagefrist und -form des § 4 KSchG nicht einzuhalten brauchen.“

Diese Rechtsprechung ist dem BAG zufolge durch die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Änderung des Kündigungsschutzgesetzes überholt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Juni 2007 – 6AZR 873/06 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11. Mai 2006 – 16 Sa 2151/05 –

09
Jul
07

Wenn einer eine Reise tut

…. dann kann er was erzählen. Für den Fall, dass die schönsten Wochen des Jahres nicht so verlaufen, wie man sich das im Vorfeld gedacht hat, hat der Gesetzgeber das Reisevertragsrecht ins BGB geschrieben – und zwar in den §§ 651 a bis m, gleich hinter dem Werkvertragsrecht.Das Reisevertragsrecht hat nun auch seine Tücken, insbesondere die knapp bemessene Ausschussfrist von nur einem Monat im § 651 g I BGB birgt die Gefahr in sich, dass allein wegen Fristversäumnis Ansprüche nicht mehr beachtet werden können:

„§ 651g Ausschlussfrist, Verjährung

(1) 1Ansprüche nach den §§ 651c bis 651f hat der Reisende innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. 2§ 174 ist nicht anzuwenden. 3Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.

(2) 1Ansprüche des Reisenden nach den §§ 651c bis 651f verjähren in zwei Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an dem die Reise dem Vertrag nach enden sollte.“

Werden also Ansprüche verspätet geltend gemacht, so ist der Reisende in der Beweisnot hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung, dass er das Fristversäumnis nicht schuldhaft zu vertreten hat. Hierbei gelten die üblichen Regeln, so dass unter Verschulden alle Fälle der Fahrlässigkeit und des Vorsatzes subsummiert werden können.

Nicht zuletzt um verbraucherschützenden Aspekten auch in diesem Bereich gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber aber auch Aufklärungspflichten der Reiseveranstalter ins Gesetz geschrieben. So legt schon die Eingangsnorm des §651 a den Pflichtenkatalog fest:

㤠651a Vertragstypische Pflichten beim Reisevertrag

(1) 1Durch den Reisevertrag wird der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. 2Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.

(2) Die Erklärung, nur Verträge mit den Personen zu vermitteln, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen (Leistungsträger), bleibt unberücksichtigt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt.

(3) 1Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) zur Verfügung zu stellen. 2Die Reisebestätigung und ein Prospekt, den der Reiseveranstalter zur Verfügung stellt, müssen die in der Rechtsverordnung nach Artikel 238 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Angaben enthalten.

(4) 1Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis nur erhöhen, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und damit einer Erhöhung der Beförderungskosten, der Abgaben für bestimmte Leistungen, die Hafen- oder Flughafengebühren, oder einer Änderung der für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird. 2Eine Preiserhöhung, die ab dem 20. Tage vor dem vereinbarten Abreisetermin verlangt wird, ist unwirksam. 3§ 309 Nr. 1 bleibt unberührt.

(5) 1Der Reiseveranstalter hat eine Änderung des Reisepreises nach Absatz 4, eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung oder eine zulässig Absage der Reise dem Reisenden unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungs- oder Absagegrund zu erklären. 2Im Falle einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als fünf vom Hundert oder einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten. 3Er kann stattdessen, ebenso wie bei einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter, die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen anderen Reise verlangen, wenn der Reiseveranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. 4Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung durch den Reiseveranstalter diesem gegenüber geltend zu machen.“

Hier findet sich nun im Absatz 3 versteckt, dass dem Reisenden gewisse Angaben nach der Rechtsverordnung zu Artikel 238 des EGBGB gemacht werden müssen.

„Art 238
Reiserechtliche Vorschriften

(1) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates,

1.
soweit es zum Schutz des Verbrauchers bei Reisen erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen, durch die sichergestellt wird,

a)
dass die Beschreibungen von Reisen keine irreführenden, sondern klare und genaue Angaben enthalten und
b)
dass der Reiseveranstalter dem Verbraucher die notwendigen Informationen erteilt und

2.
soweit es zum Schutz des Verbrauchers vor Zahlungen oder Reisen ohne die vorgeschriebene Sicherung erforderlich ist, den Inhalt und die Gestaltung der Sicherungsscheine nach § 651k Abs. 3 und der Nachweise nach § 651k Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzulegen und zu bestimmen, wie der Reisende über das Bestehen der Absicherung informiert wird.

2Zu dem in Satz 1 Nr. 1 genannten Zweck kann insbesondere bestimmt werden, welche Angaben in einem vom Veranstalter herausgegebenen Prospekt und in dem Reisevertrag enthalten sein müssen sowie welche Informationen der Reiseveranstalter dem Reisenden vor dem Vertragsabschluss und vor dem Antritt der Reise geben muss.

(2) Der Kundengeldabsicherer (§ 651k Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist verpflichtet, die Beendigung des Kundengeldabsicherungsvertrags der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.“

Soweit so gut – die Pflichtangaben sind auf dieser Ermächtigtungsgrundlage in die BGB-InfoV geschrieben worden, dort im Abschnitt 3 in die §§ 4 bis 11.

Jetzt findet sich hier im Paragraphen 6 folgende Vorschrift:

„§ 6 Reisebestätigung, Allgemeine Reisebedingungen

(1) Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) auszuhändigen.

(2) Die Reisebestätigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, außer den in § 4 Abs. 1 genannten Angaben über Reisepreis und Zahlungsmodalitäten sowie über die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 folgende Angaben enthalten:

1.
endgültiger Bestimmungsort oder, wenn die Reise mehrere Aufenthalte umfasst, die einzelnen Bestimmungsorte sowie die einzelnen Zeiträume und deren Termine,
2.
Tag, voraussichtliche Zeit und Ort der Abreise und Rückkehr,
3.
Besuche, Ausflüge und sonstige im Reisepreis inbegriffene Leistungen,
4.
Hinweise auf etwa vorbehaltene Preisänderungen sowie deren Bestimmungsfaktoren (§ 651a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und auf nicht im Reisepreis enthaltene Abgaben,
5.
vereinbarte Sonderwünsche des Reisenden,
6.
Namen und ladungsfähige Anschrift des Reiseveranstalters,
7.
über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags (§ 651e des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,
8.
über die nach § 651g des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuhaltenden Fristen, unter namentlicher Angabe der Stelle, gegenüber der Ansprüche geltend zu machen sind,
9.
über den möglichen Abschluss einer Reiserücktrittskostenversicherung oder einer Versicherung zur Deckung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit unter Angabe von Namen und Anschrift des Versicherers.

(3) Legt der Reiseveranstalter dem Vertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde, müssen diese dem Reisenden vor Vertragsschluss vollständig übermittelt werden.

(4) 1Der Reiseveranstalter kann seine Verpflichtungen nach den Absätzen 2 und 3 auch dadurch erfüllen, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach den Absätzen 2 und 3 entsprechen. 2In jedem Fall hat die Reisebestätigung den Reisepreis und die Zahlungsmodalitäten anzugeben.

(5) 1Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn die Buchungserklärung des Reisenden weniger als sieben Werktage vor Reisebeginn abgegeben wird. 2Der Reisende ist jedoch spätestens bei Antritt der Reise über die in Absatz 2 Nr. 7 bezeichnete Obliegenheit und die in Absatz 2 Nr. 8 bezeichneten Angaben zu unterrichten.“
– und damit endlich in Absatz 2 Nr. 8 die Aufklärungspflicht in Bezug auf die in § 651g BGB genannten Fristen.

Der für das Reisevertragsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über einen Fall der Schadensersatzpflicht des Reiseveranstalters für Reisemängel zu entscheiden, bei dem der Reisende diese einmonatige Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB versäumt hatte.

Dem Gericht lag folgender Sachverhalt vor:
„Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfalls, der ihr während eines bei dem beklagten Reiseveranstalter gebuchten Urlaubs in einem Ferienclub zustieß. Sie besuchte eine Animationsveranstaltung, bei der die Animateurin im Rahmen eines Wetten-dass-Spiels einem Kind die Wette anbot: „Wetten, dass es deiner Mama nicht gelingt, in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einzusammeln?“ Daraufhin begannen die Zuschauer, Schuhe auf die Bühne zu werfen. Dabei traf ein Schuh mit hohem, spitzem Absatz die in der ersten Reihe sitzenden Klägerin am Hinterkopf. Nach ihrer alsbaldigen Rückkehr von der Reise diagnostizierte ihr Hausarzt eine Gehirnerschütterung. Zwei Wochen nach dem Unfall hatte die Klägerin keine Beschwerden mehr. Einige Monate später traten bei ihr Kopfschmerzattacken und Sprach- und Koordinationsstörungen auf. Im Krankenhaus wurde aufgrund eines Elektroenzephalogramms ein Herdbefund festgestellt. Daraufhin meldete die Klägerin bei der Beklagten Schadensersatzansprüche an. Sie trägt vor, sie habe bei dem Vorfall im Ferienclub ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, das ein symptomatisches fokales Anfallsleiden ausgelöst habe, und es sei noch nicht abzusehen, ob ihr Leiden ausheilen oder aber sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln werde.“

Das Landgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat jetzt das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat die vertragliche Haftung des Reiseveranstalters dem rechtlichen Ansatz nach bejaht (§ 651f BGB).

Der Unfall stellte zumindest deshalb einen Reisemangel dar, weil nach der vom Bundesgerichtshof als Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren Feststellung des Berufungsgerichts die Gefahr des Schuhewerfens und die damit verbundene Verletzungsgefahr nicht fern lagen und die als Erfüllungsgehilfin des Reiseveranstalters zu behandelnde Animateurin diese Gefahr hätte vorhersehen und durch ein Verbot des Schuhewerfens hätte abwenden können.

Damit war also der Anwendungsbereich des Reisevertragsrechts eröffnet. Zu prüfen war nun weiterhin, ob die Mängelanzeige rechtzeitig erfolgt war, da die Ausschlussfrist des § 651 g versäumt worden ist.

Einen Ausschluss des Ausspruchs wegen Fristversäumung nach § 651g Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof hingegen deshalb verneint, weil die Klägerin an der Fristversäumung kein Verschulden traf.

Der Reiseveranstalter hatte sie nicht, wie aus obiger Paragraphenkette hergeleitet, auf die Ausschlussfrist hingewiesen. Damit hatte er sie gar nicht erst in Gang gesetzt.

Darüber hinaus hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ein Verschulden der Klägerin auch deshalb abgelehnt, weil diese, solange sie an eine harmlose Gehirnerschütterung glauben konnte, auf die Anmeldung von Ansprüchen verzichten durfte.

Der Rechtsstreit war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses noch keine tragfähigen Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen hat, ob der Unfall für das von der Klägerin geltend gemachte fokale Anfallsleiden kausal war.

Urteil vom 12.6.2007- X ZR 87/06

OLG Celle, Beschluss v. 20. Juli 2006 – 11 U 255/05

LG Hannover, Beschluss v. 20. September 2005 – 18 O 231/05

08
Jul
07

Das Bundesarbeitsgericht zur Schriftformerfordernis bei der Befristung eines Arbeitsvertrags

Der 7. Senat des BAG hat seine Rechtsprechung zur wirksamen Befristung eines Arbeitsverhältnisses fortentwickelt.

Es stand ein Fall zur Entscheidung, in dem ein Arzt zur Weiterbildung, nennen wir ihn der Einfachheit halber Herrn A, geklagt hatte. Er hatte zunächst seine Tätigkeit aufgenommen. Danach erst schloss er mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Dies geschah am 26. Februar 2004. In diesem Vertrag fand sich eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 19.02.2005.

 

Vor der Unterzeichnung hatten Herr A und sein Arbeitgeber keine mündliche Befristungsabrede getroffen. Auch konkludent liess sich solches nicht herleiten.

 

Die Zulässigkeit der Befristung ergibt sich aus § 14 TzBfG:

 

„§ 14 Zulässigkeit der Befristung

(1) 1Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. 2Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

 

1.der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,

2.die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,

3.der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,

4.die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,

5.die Befristung zur Erprobung erfolgt,

6.in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,

7.der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder

8.die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) 1Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. 2Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. 3Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. 4Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

 

(2a) 1In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. 2Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. 3Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. 4Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

 

(3) 1Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. 2Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

 

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“

 

Der Absatz 4 verlangt hierfür die Schriftform.

 

Im Falle des Herrn A war es nun so, dass die Befristung ist durch einen der in § 1 Abs. 1 ÄArbVertrG genannten Sachgründe gerechtfertigt war und auch nicht gegen die sonstigen befristungsrechtlichen Bestimmungen des ÄarbVertrG verstößt.

 

Fraglich war lediglich, ob dem Schriftformerfordernis des § 14 TzBfG Genüge getan wurde, schließlich war die Befristung im schriftlichen Arbeitsvertrag erst nach der Arbeitsaufnahme erfolgt.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass hier mehrere Fallkonstellationen unterschieden werden müssen.

 

Grundsätzlich gilt: Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien zunächst nur mündlich die Befristung eines Arbeitsvertrags, so ist die Befristungsabrede unwirksam und ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Dem steht nämlich die gesetzliche Regelung entegegen: nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

 

Halten die Vertragsparteien die Befristungsabrede nach Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer in einem schriftlichen Arbeitsvertrag fest, liegt darin regelmäßig keine eigenständige Befristungsabrede über die nachträgliche Befristung des unbefristet entstandenen Arbeitsverhältnisses. Die nachträgliche schriftliche Bestätigung der mündlichen Abrede vermag den Formmangel demnach nicht zu heilen. Hierin sieht das Gericht regelmäßig nur die Wiedergabe des bereits mündlich Vereinbarten. Und dieses ist befristungsrechtlich bedeutungslos.

 

Etwas anderes gilt aber, wenn die Parteien vor der Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags mündlich keine Befristung vereinbart haben.

 

In diesem Falle enthält der schriftliche Arbeitsvertrag eine eigenständige, dem Schriftformgebot genügende Befristung.

 

Gleiches gilt, wenn die Parteien ursprünglich eine Befristungsabrede getroffen haben, die inhaltlich mit der in dem schriftlichen Vertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt.

 

Wenn dann noch die Befristung sachlich gerechtfertigt ist, so ist die Befristung insgesamt rechtens.

 

Im jetzt entschiedenen Falle hatte Herr A in den Vorinstanzen obsiegt, das BAG hat mit dieser Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zum § 14 TzBfG seine Klage abgewiesen.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Juni 2007 – 7 AZR 700/06 –

Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil vom 9. Mai 2006 – 19 Sa 2043/05 –

08
Jul
07

Bundesarbeitsgericht: Der Interessenausgleich bei Änderungskündigung

Frau A arbeitete in einem Bahnhof in Sachsen. Ihre Arbeitgeberin beabsichtigte eine Umstrukturierung, die mit erheblichem Personalabbau einhergehen sollte. Für die Umsetzung dieser Aufgabe vereinbarten Betriebsrat und Arbeitgeberin einen so genannten Interessenausgleich.

 

Der Interessenausgleich ist ein Instrument der betrieblichen Mitbestimmung Die Idee, die dahinter steckt ist die Verhinderung wirtschaftlicher Nachteile bei einer Betriebsänderung.

Der Begriff des Interessenausgleichs wird im Gesetz nicht definiert. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt vor, dass dieser Interessenausgleich schriftlich niederzulegen und von den Parteien der Vereinbarung, dem Betriebsrat und dem Unternehmer zu unterschreiben ist.

Inhalt einer solchen Vereinbarung kann das ob, wann und wie einer geplanten Änderung des Betriebes sein.

 

Hierbei ist vorab zu entscheiden, was angestrebt wird: Entweder wird ein Sozialplan aufgestellt oder ein Interessenausgleich vereinbart. Beide Regelungen schließen sich gegenseitig aus. Daraus folgt, dass der Inhalt eines Interessenausgleichs nicht Gegenstand eines Sozialplanes sein kann.

 

So werden für gewöhnlich folgende Regelungskreise in Interessenausgleichen einer Lösung zugeführt:

  • Festlegung der Termine für Entlassungen

  • Freistellungen bei Betriebsstillegung

  • Regelungen zur Kurzarbeit

  • Regelungen zur Umschulung und Qualifizierung, Schaffung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit

  • Auswahlrichtlinien für Versetzung und Entlassung

  • Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter.

 

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat vereinbarten unter anderem in dem Interessenausgleich auch eine Namensliste der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf dieser Liste war auch Frau A aufgeführt. Die Arbeitgeberin kündigte Frau A Ende 2004 fristgemäß und bot ihr gleichzeitig die Weiterbeschäftigung in Dortmund an. Nun ist Dortmund von Sachsen weit entfernt – und so lehnte Frau A die Weiterbeschäftigung zu den angebotenen Bedingungen ab, bestritt das Vorliegen betrieblicher Gründe und hielt den Ortswechsel, der ihr angeboten worden war, für unzumutbar.

 

Es stellte sich nun die Frage, welche die Parteien die Tatsachen zu beweisen hatte, die die Kündigung bedingen.

 

Das Gesetz hat hier nun einen Grundsatz in § 1 II S4 KSchG aufgestellt. Demzufolge obliegt dies regelmäßig dem Arbeitgeber:

 

„§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

 

(2) 1Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. 2Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

 

1.in Betrieben des privaten Rechts

a)die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,

b)der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann

und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,

2.in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts

a)die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,

b)der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann

und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.

3Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. 4Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.“

Nun gibt es in dem § 1 auch noch einen Absatz 5, dieser kehrt die Beweislast um:

 

„(5) 1Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. 2Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. 4Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.“

 

wobei im § 111 BetrVG näher definiert ist, welche Änderungen gemeint sind:

 

„§ 111 Betriebsänderungen

1In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. 2Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. 3Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

 

1.Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,

2.Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,

3.Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,

4.grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,

5.Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.“

 

Die weitere Frage, der sich das Gericht zu stellen hatte, war, ob diese Beweislastumkehr nur für Beendigungskündigungen oder aber wie im vorliegenden Falle auch für Änderungskündigung gilt.

 

Das BAG hat hierzu nun ausgeführt, dass die Regelung des § 1 V KSchG auch in diesen Fällen gilt. Es führte dazu aus:

 

„Hier wird – wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste vorliegt – zu Gunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch betriebliche Erfordernisse veranlasst war. Außerdem ist auch hier die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.“

 

Die Klage blieb deswegen – wie schon in den Vorinstanzen – auch beim Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die Klägerin konnte die gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit nicht widerlegen. Einen anderen freien Arbeitsplatz als den ihr angebotenen hat sie nicht benannt. Die Sozialauswahl war nicht grob fehlerhaft.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2007 – 2 AZR 304/06 –

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Dezember 2005 – 7 Sa 584/05 –




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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