Der Bundesgerichtshof hat jetzt die Anforderungen an Altersverifikationssystem für Internetzugang konkretisiert. Während im realen Leben die Alterskontrolle einfach zu bewältigen ist, stellt das Internet die Anbieter vor gewisse Probleme.
So haben die Länder aufgrund ihrer grundgesetzlichen Medienhoheit einen Staatsvertrag geschlossen. Dessen § 1 zeigt den Zweck dieses Vertragswerkes auf:
„§ 1
Zweck des Staatsvertrages
Zweck des Staatsvertrages ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie der Schutz vor solchen Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen.“
Was hiernach unter unzulässigen Angeboten zu verstehen ist, regelt der § 4 :
„§ 4
Unzulässige Angebote
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie
1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist,2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden,
3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen,
5. grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen,
7. den Krieg verherrlichen,
8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich,
9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, oder
11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind.
In den Fällen der Nummern 1 bis 4 und 6 gilt § 86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches, im Falle der Nummer 5 § 131 Abs. 3 des Strafgesetzbuches entsprechend.(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie
1. in sonstiger Weise pornografisch sind,2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in diese Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind, oder
3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden.
In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).(3) Nach Aufnahme eines Angebotes in die Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes wirken die Verbote nach Absatz 1 und 2 auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen bis zu einer Entscheidung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.“
Hieraus folgt, dass es Angebote gibt, die nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden dürfen.
Deswegen bedarf es so genannter Altersverifikationssysteme, die erlauben, die Volljährigkeit des Nutzers festzustellen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine „effektive Barriere“ für den Zugang Minderjähriger besteht. Einfache und naheliegende Umgehungsmöglichkeiten müssen deshalb ausgeschlossen sein.
Zum Prozess kam es zwischen zwei Wettbewerbern auf dem Markt für solche Alterskontrollen für die Betreiber von Internetangeboten mit pornografischen Inhalten.
Die Klägerin machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend mit der Argumentation, das System der Beklagten erfülle die notwendigen Anforderungen nicht.
Dieses System funktioniert so, dass bei einer Version vor der Zugangsgewährung eine Personal- oder Reisepassnummer und die Postleitzahl des Ausstellungsortes angegeben werden muss. Bei einer anderen Version ist außerdem die Eingabe eines Namens, einer Adresse und einer Kreditkartennummer oder Bankverbindung erforderlich.
Die Beklagte verweist darüber hinaus auf ihrer Homepage auf die Internetangebote ihrer Kunden, die ihr Altersverifikationssystem benutzen.
So kann der Nutzer über einen Link direkt zu den pornographischen Internetangeboten ihrer Kunden gelangen.
Das Altersverikationssystem der Klägerin hingegen basiert auf dem Post-Ident-Verfahren.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat jetzt entschieden, dass es den jugendschutzrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wenn pornographische Internet-Angebote den Nutzern nach der Eingabe einer Personal- oder Reisepassnummer zugänglich gemacht werden.
Auch wenn zusätzlich eine Kontobewegung erforderlich ist oder eine Postleitzahl abgefragt wird, genügt ein solches System den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass sich Jugendliche leicht die Ausweisnummern von Familienangehörigen oder erwachsenen Bekannten beschaffen könnten. Sie verfügten auch häufig über ein eigenes Konto. Deswegen würde auf diesem Wege keine effektive Barriere für den Zugang Minderjähriger zu pornographischen Angeboten im Internet. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch besteht daher zurecht.
Es war darüber hinaus auch der Einwand zu prüfen, mit den hohen Anforderungen werde der Zugang Erwachsener zu pornographischen Angeboten unverhältnismäßig eingeschränkt. Hier verwies das Gericht auf die verschiedenen Konzepte, die von der Kommission für Jugend- und Medienschutz (KJM) positiv bewertet worden waren. Beispielhaft nennt hier das Gericht eine einmalige persönliche Identifizierung der Nutzer etwa durch einen Postzusteller und eine Authentifizierung bei jedem Abruf von Inhalten (z.B. durch einen USB-Stick in Verbindung mit einer PIN-Nummer). Auch eine Identifizierung mit technischen Mitteln (Webcam-Check, biometrische Merkmale) sei nicht ausgeschlossen, müsse aber entsprechende Sicherheit bieten.
Das Internet macht bekanntlich nicht vor Grenzen halt. Deswegen musste sich das Gericht auch mit der Frage befassen, ob die deutschen Anbieter pornographischer Inhalte durch die Jugendschutzbestimmungen gegenüber ausländischen Anbietern nicht vielleicht diskriminiert würden.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Zugangsbeschränkungen des deutschen Rechts für pornographische Inhalte im Internet grundsätzlich auch ausländische Angebote erfassten, wenn diese im Inland aufgerufen werden könnten. Die Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung bei Angeboten aus dem Ausland führten aber nicht zu einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, so der I. Zivilsenat.
Zusammenfassend stellte das Gericht fest, dass die Beklagte aufgrund des Vertriebs ihres Altersverifikationssytems an den jugendschutzrechtlich unzulässigen Angeboten ihrer Kunden beteiligt ist. Über den jeweiligen link zu ihren Kunden bietet sie mit dem Angebot auf ihrer Homepage selbst pornographische Inhalte ohne ausreichende Alterssicherung an.
Im Hinblick auf diesen Rechtsverstoß steht der Klägerin ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Urteil vom 18. Oktober 2007 – I ZR 102/05 – ueber18.de
OLG Düsseldorf – Urteil vom 24. Mai 2005 – I-20 U 143/04 (MMR 2005, 611)
LG Düsseldorf – Urteil vom 28. Juli 2004 – 12 O 19/04