Posts Tagged ‘Recht

10
Apr
10

Wenn der Gerichtsvollzieher das Auto holen will

Der Bundesgerichtshof musste sich zur Frage nach der Pfändbarkeit eines Kraftfahrzeugs, das der Ehegatte des Schuldners zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit benötigt, äußern.

Grundsätzlich gehören Autos zum pfändbaren Vermögen.  Eine Ausnahme macht hier lediglich der § 811 ZPO. Dieser bestimmt die unpfändbaren Sachen. In  seiner Nummer 5 heißt es :

„5. bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände;“

Es ist gesichert, dass das Auto zu diesen Gegenständen zu zählen ist, wenn dies zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlich ist.  Ein Kraftfahrzeug ist  für die Beförderung allerdings regelmäßig dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann. Dies ist im Einzelfall gesondert zu betrachten. Allerdings ist zu beachten, dass wegen der schlechten  Verkehrsanbindung im ländlich geprägten Gebiet solches in der Regel nicht der Fall ist.

In dem Fall, der dem  VII. Zivilsenat zur Entscheidung vorlag, gehörte das Auto der Ehefrau. Diese war erwerbsunfähig und hatte nur eine kleine Rente. Gleichwohl hatte sie Schulden in Höhe von ca. EUR 2500 bei einer Gläubigerin.

Diese betrieb die Zwangsvollstreckung – in eben diesen PkW. Dieser wurde aber vom Ehemann benötigt, um damit zu seinem Arbeitsplatz zu kommen.

Der BGH hat nun entschieden, dass diese Norm nicht nur den Schuldner schützt, der seine Erwerbstätigkeit aufrecht erhalten können muss, sondern auch die Familie.

Damit ist ein Kraftfahrzeug, das der Ehegatte des Schuldners zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit benötigt, unpfändbar.

Das Gericht hat hierzu ausgeführt:

Durch eine Pfändung dieser Gegenstände wäre die wirtschaftliche Existenz der Familie in gleicher Weise gefährdet wie durch Pfändung beim erwerbstätigen Schuldner.

Aus diesem Grunde ist es zweitrangig, welcher Ehegatte den zu pfändenden Gegenstand für seine Erwerbstätigkeit benötigt

Im Rahmen des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO spielt diese Frage aber nach Meinung des Gerichtes keine Rolle.

Beschluss vom 28. Januar 2010 – VII ZB 16/09

AG Nordhausen – Beschluss vom 26. November 2008 – 2 M 1320/08

LG Mühlhausen – Beschluss vom 28. Januar 2009 – 2 T 286/08

17
Nov
07

BGH: Elterliche Sorge im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und Schulpflicht

Der XII. Zivilsenat des BGH, der unter anderem auch für das Familienrecvht zuständig ist, hatte jetzt zwei Fälle zu entscheiden, bei denen die Ausübung der elterlichen Sorge in einen Interessenskonflikt zwischen Religionsausübung und Schulpflicht geriet.Die elterliche Sorge ist ein Pflichtenrecht, die Grundsätze sind geregelt im § 1626 BGB:

„§ 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze

(1) 1Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). 2Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) 1Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. 2Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) 1Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. 2Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.“

Das Familiengericht hat eine Eingriffsbefugnis für den Fall, dass dieses Sorgerecht fahrlässig oder vorsätzlich missbräuchlich ausgeübt wird, dies ergibt sich aus dem § 1666 BGB:

„§ 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Das Gericht kann Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.“

Damit ist der Rahmen für die beiden Beschlüsse des BGH vom 11.09.2007 abgesteckt:

Es ging nämlich um Eltern, die ihre Kinder der allgemeinen Schulpflicht entzogen. Das besodnere hieran war, dass die Eltern hierfür Glaubensgründe anführten.

Den Beschlüssen lag im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:

De Eltern – Familie A – sind Mitglieder einer christlichen Glaubensgemeinschaft. Gemeinsam mit anderen Glaubensgenossinnen und Genossen kamen sie als Spätaussiedler nach Deutschland.

Sie waren der Meinung, dass die Erziehung und Bildung in der öffentlichen Grundschule mit ihren Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar seien. Aus diesem Grunde teilte Familie A der Schule mit, dass zwei ihrer Kinder in Zukunft zuhause unterrichtet würden. Weder Gespräche mit Schulleitung, Bezirksregierung und Integrationsbeauftragtem noch die Verhängung eines Bußgeldes führten dazu, dass die Eltern ihre Kinder zum Schulunterricht brachten; ein Zwangsgeldverfahren wurde nicht erfolgreich abgeschlossen.

Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern die im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge in Schulangelegenheiten sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für diese Kinder.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof die – auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gestützte – Auffassung der Vorinstanzen bestätigt, dass der Besuch der staatlichen Grundschule dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags diene. Hierzu stütze das Gericht sich auf folgende Argumentationskette:

„Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren. Integration setze dabei auch voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen nicht verschlössen. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren sei eine wichtige Aufgabe der Grundschule.“

Hieraus folgt nun der zwingende Schluß, dass die beharrliche Weigerung der Eltern, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, deshalb als Missbrauch der elterlichen Sorge darstellt. Damit ist der Anwendungsbereich des § 1666 BGB eröffnet.

Wenn hier jetzt die Ausübung der Glaubensfreiheit der Schulpflicht entgegenzustehen scheint, dann gibt aber auch dies den Eltern keine Berechtigung, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen.

Mit der Schulpflicht ist ja nicht die Glaubensausübung insgesamt infrage gestellt, Lediglich einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule stehen nach Auffassung der Eltern ihren Glaubensüberzeugungen entgegen.

Der Maßstab kann aber nur der Erziehungsauftrag der Schule im Sinne des Grundgesetzes sein. Wenn der Staat diesem Auftrag verantwortungsvoll nachkommt, bleibt kein Platz für einen Entzug der Kinder aus der Schulpflicht.

Wenn nun also die beharrliche Weigerung, den Kindern die Erziehung in der öffentlichen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule zu ermöglichen, einen Sorgerechtsmissbrauch darstellt, so ist in einem solchen Falle auch der Sorgerechtsentzug angemessen und geeignet, um dem rechtswidrigen Zustand zu begegnen.

Soweit- sogut. Der Fall hatte aber noch eine weitere Dimension.

Diese hatte mit der Pflegerbestellung zu tun. Denn ein minderjähriges Kind, das nicht der elterlichen Sorge untersteht, braucht jemanden, der diese elterliche Sorge auch ausführt. Dies gilt auch, wenn wie hier nur ein Teil der elterlichen Sorge entzogen wird, der Rest des Sorgerechts aber bei den Eltern verbleibt. Geregelt ist dies im § 1909 BGB:

„§ 1909 Ergänzungspflegschaft

(1) 1Wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. 2Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt oder das ihm unter Lebenden unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen.

(2) Wird eine Pflegschaft erforderlich, so haben die Eltern oder der Vormund dies dem Vormundschaftsgericht unverzüglich anzuzeigen.

(3) Die Pflegschaft ist auch dann anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft vorliegen, ein Vormund aber noch nicht bestellt ist.“

Hierauf gestützt bestellte das Familiengericht schon im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens die zuständige Stadt P. (Jugendamt) zum Pfleger der Kinder.

Was gut gemeint war, zeigte aber unglaubliche Folgen:

Mit Einwilligung des Pflegers verbrachten die Eltern die Kinder daraufhin in ein Dorf in Österreich. Die Eltern und die Familie behielten ihren Wohnsitz in Deutschland bei. In Österreich kann man in besonderen Fällen nämlich Kinder zuhause unterrichten. Der Pfleger erwirkte in der Folgezeit nach österreichischem Recht die Gestattung, dass die Mutter den Kindern Hausunterricht erteilen dürfe.

Seither werden die Kinder dort von ihrer Mutter unterrichtet. Die Mutter selbst hat keinerlei pädagogische Vorbildung.

Das Familiengericht hätte zwar im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit gehabt, diese Entwicklung durch eine andere Pflegerbestellung zu korrigieren, bestätigte aber seine zuvor getroffene Regelung.

Die von den Eltern hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht zurück. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Tatsache, dass die Kinder jetzt nach Österreich verbracht worden sind, hat auch eine zusätzliche prozessuale Frage aufgeworfen, nämlich, ob die deutschen Gerichte hier überhaupt noch zuständig sind.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus der Tatsache, dass die übrigen Familienmitglieder ebenso wie die Eltern ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetztes beibehalten hatte.

Die weitere Frage war die, ob die Kinder weiterhin der deutschen Schulpflicht unterliegen, wenn sie sich dauerhaft in der Alpenrepublik aufhalten. Auch diese Frage war wegen des Familienwohnsitzes im Inland zu bejahen.

Die Tatsache, dass mit der Pflegerbestellung der „Bock zum Gärtner“ gemacht worden ist, hat der BGH aber scharf kritisiert.

Denn dieser Pfleger habe sich offenkundig als in diesen Fällen ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen.

Der Pfleger habe durch sein Verhalten sogar erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kinder nach Österreich umgemeldet worden seien.
Dem nicht genug habe er sodann die Möglichkeit, die Kinder in Österreich dem Hausunterricht zuzuführen, durch eine entsprechende Antragstellung bei den österreichischen Behörden selbst eröffnet.

Der BGH führte hierzu aus:

„Damit sei der Erfolg eingetreten, den die Eltern von vornherein erstrebt hätten, nämlich die häusliche Unterrichtung der Kinder durch ihre pädagogisch nicht vorgebildete Mutter – dies allerdings nicht in Deutschland, sondern in Österreich. Es sei nicht ersichtlich, dass die vom Familiengericht – nunmehr im Hauptsacheverfahren – verfügte Übertragung des Sorgerechts in Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Stadt P. (Jugendamt) an der von der Stadt als Pfleger selbst herbeigeführten Situation etwas ändere.“

Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Bestellung der Stadt als Pfleger aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit dieses durch die Auswahl eines geeigneten Pflegers oder durch gerichtliche Weisungen sicherstelle, dass die Kinder ihrer Schulpflicht nachkommen.

Beschlüsse vom 11. September 2007

XII ZB 41/07

AG Paderborn – 8 F 810/05 – Entscheidung vom 07.03.2006

OLG Hamm – 6 UF 53/06 – Entscheidung vom 20.02.2007

und

XII ZB 42/07

AG Paderborn – 8 F 811/05 – Entscheidung vom 07.03.2006

OLG Hamm – 6 UF 51/06 – Entscheidung vom 20.02.2007

06
Nov
07

Bundesgerichtshof entscheidet zur „gespaltenen Beitragspflicht“ im Gesellschaftsvertrag eines geschlossenen Immobilienfonds

Zum wiederholten Male musste sich der II. Zivilsenat des BGH mit der der Frage der Zulässigkeit von laufenden finanziellen Belastungen der Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds zu befassen, wenn diese zu der festen Einlageschuld des Gesellschafters hinzutreten.In Berlin gibt es eine Vielzahl von Immobilien-GbR, denen wortgleiche Gesellschaftsverträge zugrunde liegen.

Diese sehen unter anderem vor, dass die Gesellschafter neben einer einmal zu zahlenden Einlage anteilige Einzahlungen zu leisten haben. Dies soll dann der Fall sein, wenn der von der GbR erwirtschaftete Überschuss nicht für die Bedienung der Darlehen ausreichen sollte.

Die Beklagten sind im Jahre 1997 der klagenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beigetreten. Gegenstand des Unternehmens war die Renovierung eines Wohn- und Geschäftshauses in Berlin.

Dem Gesellschaftsvertrag ist zu entnehmen, dass das Eigenkapital 4,415 Mio. DM betrug. Die Gesamtkosten des Bauvorhabens sollten 12,9 Mio. DM nicht überschreiten. Für die Finanzierungslücke in Höhe der Differenz zwischen Eigenkapital und Gesamtkosten nahm die Gesellschaft für die Gesellschafter Darlehen auf.

Soweit sogut. Bis Mitte des Jahres 2004 bedienten die jetzt Beklagtenauch die vierteljährlichen Zahlungen, die sie auf der vertraglichen Grundlage zu leisten hatten. Es handelt sich hier also um eine so genannte „gespaltene Beitragspflicht.“

In der Folgezeit verweigerten die Beklagten die weitere Zahlung mit der Begründung, die Nachschusspflicht sei nicht rechtswirksam begründet worden.

Daraufhin klagte die GbR.

Das Kammergericht hat eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten verneint. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Gesellschaftsvertrag enthalte für eine derartige Verpflichtung keine ausreichende Grundlage

Nach dem Gesellschaftsvertrag entstand die Einzahlungspflicht nämlich dann, wenn der erwirtschaftete Überschuss nicht ausreichte. Dieses maßgebliche Kriterium sei aber im Gesellschaftsvertag nach Grund und Höhe nicht hinreichend konkretisiert worden.

Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Gesellschafter das Ausmaß der zusätzlichen Belastungen hinreichend abschätzen können. Dem sei aber hier nicht so gewesen.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision das klagezusprechende Urteil des Landgerichts wieder hergestellt.

Der Senat ist zwar dem Berufungsgericht in seiner Einschätzung gefolgt, dass sich bei einer isoliert den Gesellschaftsvertrag in den Blick nehmenden Beurteilung aus diesem keine Zahlungspflicht der Beklagten herleiten lasse.

Dies hatte ein anderer Senat des Kammergerichts in mehreren demnächst beim II. Zivilsenat des BGH anstehenden Verfahren mit wortgleichen Gesellschaftsverträgen noch anders gesehen.

Gleichwohl vermochten die Beklagten hiermit nicht durchdringen. Das Gericht führte hierzu aus, hier zu Unrecht allein der Text des Gesellschaftsvertrages verwertet wurde. Deshalb sei aber der vorgetragene Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt worden.

Das Gericht wies nämlich auf folgendes hin:

„Im Zusammenhang mit den Angaben in der von den Beklagten unterschriebenen Beitrittserklärung zu der GbR ergibt sich hier aus dem Gesellschaftsvertrag die vom Berufungsgericht vermisste, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderliche ausreichende Klarheit darüber, dass und in welcher maximalen Höhe die Beklagten über den ziffernmäßig festgelegten Einlagebetrag hinausgehende laufende Beitragspflichten in der Zeit ihrer Mitgliedschaft in der GbR treffen.“

Aus diesem Grunde war die Klage der GbR im Ergebnis erfolgreich.

Urteil vom 5. November 2007 – II ZR 230/06

LG Berlin – Urteil vom 6. Dezember 2005 – 19 O 102/05 ./.

KG – Urteil vom 11. September 2006 – 23 U 11/06

25
Okt
07

Bundesarbeitsgericht zu AGB und Bonuszahlungen

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt zur Frage Stellung bezogen, wie Regelungen in vorformulierten Arbeitsverträgen zu Bonuszahlungen und zu Stichtagsklauseln zu bewerten sind.

Wird vom Arbeitgeber ein vorformulierter Arbeitsvertrag verwendet, so unterliegt dieser der AGB-Kontrolle des § 307 BGB, wobei nach § 310 Abs. 4 S 2 BGB die Besoderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind:

„ § 310

Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen;
…“
§ 307 BGB selbst hat folgenden Wortlaut:

㤠307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.“
Dem Gericht lag folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor:

Herr A war als Berater beim Finanzdienstleistungsunternehmen F beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war ihm die Teilnahm an einem Bonussystem zugesagt worden. Dieses war so ausgestaltet, dass die Höhe der Bonuszahlung vom Geschäftsergebnis und der individuellen Leistung des Arbeitnehmers abhing.

Im Arbeitsvertrag fanden sich nun zwei Klauseln. Die eine bestimmte, dass die Zahlung auf jeden Fall freiwillig erfolge und keinerlei Rechtsansprüche für die Zukunft begründe.

Die andere Klausel wiederum regelte, dass der Anspruch auf die Bonuszahlung dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis am 1. April des Folgejahres gekündigt ist.

Für die Jahre 2002 und 2003 hatte Herr A seine Bonuszahlungen bekommen. Für das Jahr 2004 zahlte ihm die F aber nichts. Herr A hatte nämlich vor dem 01. April 2005 gekündigt gehabt.

Nun klagte er die Bonuszahlung für 2004 ein. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage mit Hinweis auf die Verwirkung der Bonuszahlung für den Fall der Kündigung vor dem 01.04. des Folgejahres ab. Dies sei ja arbeitsvertraglich so geregelt gewesen.

Das Bundesarbeitsgericht gab jetzt Herrn A Recht. Denn die Regelungen im Arbeitsvertrag hielten den Anforderungen des § 307 BGB nicht stand.

Die vorformulierten Vertragsbedingungen der F eröffneten den Anwendungsbereich des AGB-Rechts.

Nachdem dem Herrn A die Teilnahme am Bonussystem selbst arbeitsvertraglich zugesichert war, widersprechen die Regelungen zum Ausschluss des Rechtsanspruches auf die Bonuszahlung dieser vereinbarten Teilnahme. Von daher ist dieser Widerspruch nicht aufzulösen. Vielmehr liegt ein Verstoß gegen das in § 307 normierte Transparenzgebot vor. Die Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel. Denn nach § 307 BGB sind die vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertragsklauseln dann unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Benachteiligung ergibt sich dann direkt aus der Regelung in § 307 I S 2 BGB

Für die Stichtagsregelung, wonach die Bonuszahlung nur erfolgen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis am 01.04. des Folgejahres noch ungekündigt sein sollte, kam das Gericht zum selben Ergebnis. Diese Regelung stellt nämlich nach Auffassung des Gerichts bezüglich der Dauer der Bindung nicht auf die Höhe der Bonuszahlung ab. Von daher ist sie jedenfalls insoweit zu weit gefasst. Dies führt dazu, dass deswegen der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird.

Die Rechtsfolge ergibt sich auch hier aus dem § 307 BGB. Auch diese Klausel war daher unwirksam.

Mangels ausreichender tatrichterlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts konnte der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Höhe der dem Herrn A zustehenden Bonuszahlung nicht selbst beurteilen.

Er hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts deshalb aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 –
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Mai 2006 – 14 Sa 18/06 –

25
Okt
07

Wettbewerbsverbot und Sonderkündigungsrecht nach Kündigungsschutzklage

Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage entschieden, ob dem Arbeitnehmer auch dann ein Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG zusteht, wenn er sich während des Kündigungsschutzprozesses selbständig gemacht hat.§ 12 KSchG gibt dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsrecht, wenn er ein neues Arbeitsverhältnis im laufenden Kündigungsschutzprozess eingegangen war.

„§ 12 Neues Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, Auflösung des alten Arbeitsverhältnisses
1Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, ist jedoch der Arbeitnehmer inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, so kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei diesem verweigern. 2Die Frist wird auch durch eine vor ihrem Ablauf zur Post gegebene schriftliche Erklärung gewahrt. 3Mit dem Zugang der Erklärung erlischt das Arbeitsverhältnis. 4Macht der Arbeitnehmer von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch, so ist ihm entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. 5§ 11 findet entsprechende Anwendung.“

Fraglich war nun, ob diese Regelung auch dann Anwendung findet, wenn sich der Arbeitnehmer selbständig gemacht hat. Das Gesetz selbst geht von einem neuen Arbeitsverhältnis, also einer arbeitsvertraglich geregelten, abhängigen Beschäftigung aus.

Der Entscheidung des Gerichts lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Herr K ist Steuerberater. Als solcher er bei Herrn B angestellt. Im Arbeitsvertrag war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Herr B kündigte dem Herrn A, was dieser sich nicht gefallen ließ und deswegen Kündigungsschutzklage erhob. Noch während die Kündigungsfrist lief, verzichtete Herr B auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot.

Nun kam es so, dass Herr A vor dem Arbeitsgericht gewann, denn das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.

Herr A kehrte aber nicht an seinen Arbeitsplatz zurück, sondern erklärte daraufhin gegenüber dem Herrn B, er verweigere die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dabei hatte er die Regelung des § 12 KSchG im Sinn.

Unmittelbar nach dieser Erklärung nahm der Kläger seine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater auf.
Zu denken wäre aufgrund der Tatsache, dass eben hier gerade keine neue abhängige Beschäftigung eingegangen worden ist, daher allenfalls an eine analoge Anwendung.

Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist darin zu sehen, dass dem Arbeitnehmer, der einen Kündigungsschutzprozess führen muss, weil ihm sein Arbeitgeber gekündigt hatte, nicht zugemutet werden kann, mit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu warten, bis das Gericht letztendlich seinen Fall entschieden hat. Es ist ja nicht gesagt, dass der Kündigungsschutzklage unbedingt Erfolg beschieden sein wird.

Die Interessen des Arbeitgebers sind hinreichend gewahrt, weil dieser ja bereits zuvor durch seine Kündigung kundgetan hatte, dass er diesen Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen wollte. Er wird durch die Möglichkeit des § 12 KSchG im Ergebnis fast so gestellt, wie wenn er den Prozess nicht verloren sondern gewonnen hätte.

Jetzt ist aber eine selbständige Tätigkeit etwas völlig anderes als eine abhängige Beschäftigung. Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt entschieden, dass hier auch eine analoge Anwendung nicht in Frage kommt. Vielmehr sei in diesem Fall die Erklärung nach § 12 KSchG regelmäßig in eine ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin umzudeuten.

Der Fall hatte noch eine weitere Besonderheit in der Frage der Beurteilung des vertraglichen Wettbewerbsverbots.

Hier gilt zunächst § 60 HGB:

㤠60
(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.“

Die weitere Frage, die sich stellte, war die, wie sich dieses mit dem Verzicht auf ein im Arbeitsvertrag vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot auswirkt. Der Verzicht selbst ist nach § 75 a HGB zu bewerten:

㤠75a
Der Prinzipal kann vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.“

Nachdem aber hier das Arbeitsverhältnis eben gerade nicht mit sofortiger Wirkung beendet wurde sondern eben die Erklärung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet wurde, bestand logischerweise bis zu diesem Zeitpunkt das vertragliche Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB fort. Die Folge hiervon ist, dass der Arbeitnehmer während dieser Zeit keine Konkurrenztätigkeit ausüben kann.

Hieran kann auch ein zuvor vom Arbeitgeber nach § 75a HGB erklärter Verzicht nichts ändern, da diese Erklärung sich nur auf die nachvertraglichen Rechte und Pflichten beziehen kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 6 AZR 662/06 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 2. Mai 2006 – 13 Sa 1585/05 –

24
Okt
07

Bundesarbeitsgericht zum Betriebsübergang

Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung zum Betriebsteilübergang dahingehend gefestigt, dass es bei Fragen zum Betriebsteilübergang grundsätzlich auf die Identität der wirtschaftlichen Einheit ankommt.Im jetzt entschiedenen Falle ging es um eine Müllsortieranlage.
In S gibt es eine Mülldeponie. Auf dieser wird von der Firma S GmbH eine automatisierte Müllsortieranlage betrieben.

Herr A arbeitete bei der SD GmbH als Müllsortierer. Das heisst, er führte die Sortierarbeiten, die von Hand anfallen durch.

Die S GmbH hatte mit der SD GmbH einen Vertrag geschlossen, wonach die SD GmbH die bei der S GmbH anfallenden manuellen Sortierarbeiten durchführen sollte. Die SD GmbH beschäftigte 115 Arbeitnehmer, darunter 32 Leiharbeitnehmer.

Im März 2004 nun vereinbarten die beiden Firmen eine Änderung des bestehenden Vertrages. So sollte ab 1. Juli 2004 die von der SD GmbH zu bearbeitende Müllmenge halbiert werden. Außerdem wurde das Vergütungssystem geändert. Die SD GmbH sollte demzufolge 30 % weniger je Tonne sortierten Mülls vergütet bekommen.

Daraufhin erledigte die SD GmbH die ihr übertragenen Sortierarbeiten ausschließlich in einer Frühschicht. Dies geschah ohne die bislang beschäftigten Leiharbeiter.

Sodann kam die D GmbH ins Spiel. Sie übernahm nun die restlichen Sortierarbeiten, also die andere Hälfte, aufgrund eines neuen Auftrages von der S GmbH.

Die Sache ging so nicht lange. Bereits am 01. Oktober 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der SD GmbH auf deren Antrag hin eröffnet.

Die S GmbH kündigte daraufhin den Sortiervertrag.

Der Insolvenzverwalter kündigte dann dem Herrn A am 29.10.2004 fristgemäß zum 31.01.2005.

Damit war Herr A nicht einverstanden. Er vertrat die Auffassung, dass sein Arbeitsverhältnis spätestens ab der Einstellung der Betriebstätigkeit der SD GmbH auf die S GmbH übergegangen sei. Außerdem habe die Übernahme eines Teils der bisher von der SD GmbH erledigten Sortieraufgaben ab dem 1. Juli 2004 einen Betriebsteilübergang dargestellt.

Die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsteilübergang sind in § 613 a BGB geregelt:

„§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) 1Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 2Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. 3Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. 4Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) 1Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. 2Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) 1Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. 2Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) 1Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. 2Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.“

Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Identität des Betriebes oder des Betriebsteiles gewährt sein muss, wenn von einem Betriebsübergang gesprochen werden kann. Gegen einen Übergang spricht darüber hinaus, wenn sich der Betriebszweck ändert.

Das Gericht hatte nun anhand seiner Kriterien zu prüfen, ob der Betrieb auf die S GmBH übergegangen war. Maßgeblich war hier die Frage nach der wirtschaftlichen Einheit. Nur die Identität der wirtschaftlichen Einheit vermag die Identität des Betriebes zu begründen.

Hier war von wesentlicher Bedeutung, dass es um Arbeiten an einer im Eigentum eines Dritten stehenden Anlage handelte. Wenn dieser Dritte als Eigentümer des Produktionsmittels die Arbeiten so vergibt, dass nicht mehr eines sondern zwei Unternehmen damit befasst sind, so ist die wirtschaftliche Einheit nach Auffassung des BAG nicht mehr gegeben.

Herr A konnte deshalb mit seiner Klage keinen Erfolg haben.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27. September 2007 – 8 AZR 911/06 – (Parallelsache zu – 8 AZR 889/06 -)
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – Urteil vom 27. April 2006 – 19 Sa 69/05 –

22
Okt
07

Neues vom BGH zu AGB beim Autokauf

Der Bundesgerichtshof hat in einer jüngst ergangenen Entscheidung wiederum die Verbraucherrechte beim Autokauf gestärkt.

Das Gericht hatte folgenden Fall zu entscheiden:

Herr A hatte sich ein gebrauchtes Auto gekauft. Für dieses Fahrzeug wählte er die Option einer so genannten Reparaturkostengarantie. In dem hierfür verwendeten Formularvertrag hatte der Käufer oder Garantienehmer Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nach den vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Richtlinien vornehmen zu lassen.

Für den Fall, dass diese Richtlinien nicht eingehalten werden, war in den Garantiebedingungen vorgesehen, dass dann die Leistungspflicht entfalle. Begründet wurde dies damit, dass dies eine Verletzung einer Obliegenheit darstelle.

Anfang 2004 wurde ein erhöhtes Axialspiel an der Kurbelwelle des Fahrzeugs festgestellt. Herr A ließ dieses reparieren. Das Wartungsintervall, das nach den Herstellerrichtlinien vorgesehen war, hatte Herr A um 827 km überschritten gehabt. Statt 15.000 km war er immerhin bereits 15827 km gefahren gewesen.

Damit begründete die B nun die Weigerung, die Reparaturkosten zu übernehmen.

Herr A gewann in zweiter Instanz, der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der B zurückgewiesen.

Streitig war die Klausel über die Befreiung der Beklagten von ihrer Leistungspflicht.

Diese unterliegt der gesetzlich vorgesehenen Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Grund ist darin zu sehen, dass die Klausel das im Garantievertrag zuvor gegebene Leistungsversprechen der Beklagten einschränkt. Das ergibt sich aus § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB:

㤠307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.“

Das Gericht kam jetzt zu dem Ergebnis, dass die Klausel unwirksam sei. Begründet wird dies mit der Regelung im § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Garantienehmer wird nämlich nach Auffassung des Gerichts unangemessen benachteiligt.

Wenn die Klausel pauschal darauf abhebt, ob die vom Hersteller empfohlenen Wartungsintervalle eingehalten wurden, so schließt sie nämlich die Leistungspflicht des Verwenders aus, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob die Überschreitung des Wartungsintervalls für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist.

Das Gericht bezog darüber hinaus noch Stellung zur Frage, wie unter Beweislastgesichtspunkten eine zulässige Klausel aussehen könnte.

Demnach ist es dem Verwender einer Ausschlussklausel nicht nicht verwehrt, die Beweislast für das Fehlen der Ursächlichkeit dem Kunden aufzuerlegen. Dadurch kann der Verwender der Gefahr einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme wirksam begegnen.

Wichtig ist auf alle Fälle, dass der Ausschluss nur dann formularmäßig möglich ist, wenn das Überschreiten des Wartungsintervalls kausal für den eingetretenen Schaden ist.

Urteil vom 17. Oktober 2007 – VIII ZR 251/06

AG Ansbach – Urteil vom 22. September 2005 – 3 C 1266/04 ./.

LG Ansbach – Urteil vom 27. Juli 2006 – 1 S 1346/05

19
Okt
07

Frei ab 18 !

Der Bundesgerichtshof hat jetzt die Anforderungen an Altersverifikationssystem für Internetzugang konkretisiert. Während im realen Leben die Alterskontrolle einfach zu bewältigen ist, stellt das Internet die Anbieter vor gewisse Probleme.

So haben die Länder aufgrund ihrer grundgesetzlichen Medienhoheit einen Staatsvertrag geschlossen. Dessen § 1 zeigt den Zweck dieses Vertragswerkes auf:

㤠1
Zweck des Staatsvertrages
Zweck des Staatsvertrages ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie der Schutz vor solchen Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen.“

Was hiernach unter unzulässigen Angeboten zu verstehen ist, regelt der § 4 :

㤠4
Unzulässige Angebote
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie
1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist,

2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden,

3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,

4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen,

5. grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,

6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen,

7. den Krieg verherrlichen,

8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich,

9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,

10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, oder

11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind.
In den Fällen der Nummern 1 bis 4 und 6 gilt § 86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches, im Falle der Nummer 5 § 131 Abs. 3 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie
1. in sonstiger Weise pornografisch sind,

2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in diese Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind, oder

3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden.
In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).

(3) Nach Aufnahme eines Angebotes in die Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes wirken die Verbote nach Absatz 1 und 2 auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen bis zu einer Entscheidung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.“

Hieraus folgt, dass es Angebote gibt, die nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden dürfen.

Deswegen bedarf es so genannter Altersverifikationssysteme, die erlauben, die Volljährigkeit des Nutzers festzustellen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine „effektive Barriere“ für den Zugang Minderjähriger besteht. Einfache und naheliegende Umgehungsmöglichkeiten müssen deshalb ausgeschlossen sein.

Zum Prozess kam es zwischen zwei Wettbewerbern auf dem Markt für solche Alterskontrollen für die Betreiber von Internetangeboten mit pornografischen Inhalten.

Die Klägerin machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend mit der Argumentation, das System der Beklagten erfülle die notwendigen Anforderungen nicht.

Dieses System funktioniert so, dass bei einer Version vor der Zugangsgewährung eine Personal- oder Reisepassnummer und die Postleitzahl des Ausstellungsortes angegeben werden muss. Bei einer anderen Version ist außerdem die Eingabe eines Namens, einer Adresse und einer Kreditkartennummer oder Bankverbindung erforderlich.

Die Beklagte verweist darüber hinaus auf ihrer Homepage auf die Internetangebote ihrer Kunden, die ihr Altersverifikationssystem benutzen.

So kann der Nutzer über einen Link direkt zu den pornographischen Internetangeboten ihrer Kunden gelangen.

Das Altersverikationssystem der Klägerin hingegen basiert auf dem Post-Ident-Verfahren.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat jetzt entschieden, dass es den jugendschutzrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wenn pornographische Internet-Angebote den Nutzern nach der Eingabe einer Personal- oder Reisepassnummer zugänglich gemacht werden.

Auch wenn zusätzlich eine Kontobewegung erforderlich ist oder eine Postleitzahl abgefragt wird, genügt ein solches System den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass sich Jugendliche leicht die Ausweisnummern von Familienangehörigen oder erwachsenen Bekannten beschaffen könnten. Sie verfügten auch häufig über ein eigenes Konto. Deswegen würde auf diesem Wege keine effektive Barriere für den Zugang Minderjähriger zu pornographischen Angeboten im Internet. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch besteht daher zurecht.

Es war darüber hinaus auch der Einwand zu prüfen, mit den hohen Anforderungen werde der Zugang Erwachsener zu pornographischen Angeboten unverhältnismäßig eingeschränkt. Hier verwies das Gericht auf die verschiedenen Konzepte, die von der Kommission für Jugend- und Medienschutz (KJM) positiv bewertet worden waren. Beispielhaft nennt hier das Gericht eine einmalige persönliche Identifizierung der Nutzer etwa durch einen Postzusteller und eine Authentifizierung bei jedem Abruf von Inhalten (z.B. durch einen USB-Stick in Verbindung mit einer PIN-Nummer). Auch eine Identifizierung mit technischen Mitteln (Webcam-Check, biometrische Merkmale) sei nicht ausgeschlossen, müsse aber entsprechende Sicherheit bieten.

Das Internet macht bekanntlich nicht vor Grenzen halt. Deswegen musste sich das Gericht auch mit der Frage befassen, ob die deutschen Anbieter pornographischer Inhalte durch die Jugendschutzbestimmungen gegenüber ausländischen Anbietern nicht vielleicht diskriminiert würden.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Zugangsbeschränkungen des deutschen Rechts für pornographische Inhalte im Internet grundsätzlich auch ausländische Angebote erfassten, wenn diese im Inland aufgerufen werden könnten. Die Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung bei Angeboten aus dem Ausland führten aber nicht zu einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, so der I. Zivilsenat.

Zusammenfassend stellte das Gericht fest, dass die Beklagte aufgrund des Vertriebs ihres Altersverifikationssytems an den jugendschutzrechtlich unzulässigen Angeboten ihrer Kunden beteiligt ist. Über den jeweiligen link zu ihren Kunden bietet sie mit dem Angebot auf ihrer Homepage selbst pornographische Inhalte ohne ausreichende Alterssicherung an.

Im Hinblick auf diesen Rechtsverstoß steht der Klägerin ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Urteil vom 18. Oktober 2007 – I ZR 102/05 – ueber18.de

OLG Düsseldorf – Urteil vom 24. Mai 2005 – I-20 U 143/04 (MMR 2005, 611)

LG Düsseldorf – Urteil vom 28. Juli 2004 – 12 O 19/04

17
Okt
07

Der digitale Tachograph und die Fahrerkarte beim Bundesarbeitsgericht

Aufwendungsersatz für Fahrerkarten im Güterverkehr
Tachoscheibe – das war einmal. Seit dem 01. Mai 2006 sind für die neu zugelassenen Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen oder mehr digitale Tachographen vorgeschrieben. Das ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates. Grund hierfür war das Anliegen, für mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu sorgen und Manipulationsmöglichkeiten einzuschränken.

Damit diese digitalen Geräte bedient werden können, bedarf es unterschiedlicher Chipkarten. Jeder Fahrer benötigt eine so genannte Fahrerkarte. Auf dieser Karte sind die persönlichen Daten des Fahrers gespeichert.

Diese Fahrerkarte wird persönlich für den Inhaber ausgestellt. Sie ist nicht an ein bestehendes Arbeitsverhältnis gebunden. Die Gültigkeitsdauer beträgt für diese Karte 5 Jahre. Die Ausstellung dieser Fahrerkarte befähigt deren Inhaber, Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen zu führen, wenn dieses Fahrzeug mit dem digitalen Tachographen ausgestattet sein muss. Weil diese Karte personalisiert ist, ist sie weder an ein bestimmtes Fahrzeug noch an ein bestimmtes Transportunternehmen gebunden.

Herr A ist Berufskraftfahrer. Seit nahezu 20 Jahren ist er bei dem selben Transportunternehmen beschäftigt. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates brauchte er eine solche Fahrerkarte, um seinen Beruf ausüben zu können.

Hierfür musste er in die Tasche greifen. Für seine Fahrerkarte hat er eine Gebühr von 38,00 Euro bezahlen müssen. Außerdem musste er weitere 20,00 Euro für die erforderliche Meldebescheinigung und für ein Lichtbild ausgeben.

Herr A wollte dieses Geld von seinem Arbeitgeber erstattet haben, dieser weigerte sich – und so kam es zum Prozess, der jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht ein Ende fand.

Herr A meinte, seinen Erstattungsanspruch auf den § 670 BGB stützen zu können:

㤠670 Ersatz von Aufwendungen

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.“

Im Arbeitsrecht ist schon seit langer Zeit anerkannt, dass der Arbeitnehmer auch Geschäftsbesorger im Sinne dieser Vorschrift sein kann. Hierzu hat schon die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.1961 dazu beigetragen. ( BAG 12, 15, 24 (BAG 10.11.1961 – GS 1/60 ))

Diese Rechtsprechung hat die so bezeichneten „Auslagen“ des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers als Aufwendungen über § 670 ersetzt.

In der Folge sind als erstattungsfähige Aufwendungen des Arbeitnehmers anerkannt worden beispielsweise die Fahrtkosten zu auswärtigen Arbeitsstellen, Dienstfahrten, Reisespesen und Auslagen zur Beschaffung von Handwerkzeugen. Aber auch Kosten für die Reparatur des Arbeitsmaterials sind hierüber erstattungsfähig anerkannt worden.

Kriterium hier ist aber immer die Frage nach der jeweiligen Interessenslage. Wie die obigen Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, ist immer dann Auslagenersatz zu gewähren, wenn die Aufwendungen des Arbeitnehmers im Interesse des Arbeitgebers liegen.

Anders ist es aber, wenn das Eigeninteresse des Arbeitnehmers im Vordergrund steht.

Wenn dieser mit der Aufwendung lediglich eigene Zwecke verfolgt, so ist die Aufwendung für die Geschäftsbesorgung nicht erforderlich.

Das hat der Bundesgerichtshof im Urteil BGH NJW 1960, 1568 entschieden. Diese strenge Auffassung wird aber wiederum eingeschränkt mit der Massgabe, dass es für den Anspruch auf Aufwendungsersatz dann unschädlich ist, wenn die Aufwendungen dem Geschäftsbesorger einen Vorteil bringen.

In diesem Spannungsfeld hat nun der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass im Falle der Fahrerkarte das Eigeninteresse des Arbeitnehmers eindeutig überwiegt.

Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass diese Karte für den Arbeitnehmer eben persönlich ausgestellt wird. Sie ermöglicht ihm das Führen von LKW ab 3,5 t zulässigen Gesamtgewichts ohne Rücksicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis.

Deswegen hat das Gerich ebenso wie die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 170/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2007 – 3 Sa 1225/06 –

16
Okt
07

Bundesarbeitsgericht zur Personalakte

Die Personalakte gibt Auskunft über den innerbetrieblichen Werdegang eines jeden Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin.

Angefangen von den Bewerbungsunterlagen bis hin zu den sozialversicherungsrechtlich relevanten Unterlagen wird hier alles gesammelt, was der Arbeitgeber benötigt, um sein Personalbüro verwalten zu können.

Weder Form noch Inhalt sind gesetzlich geregelt, sieht man einmal von der Vorschrift im Bundesbeamtengesetz ab. Hier hat der Bund für die Beamten genaue Regelungen im § 90 getroffen:

„ § 90
(1) Über jeden Beamten ist eine Personalakte zu führen; sie ist vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsicht zu schützen. Zur Personalakte gehören alle Unterlagen einschließlich der in Dateien gespeicherten, die den Beamten betreffen, soweit sie mit seinem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (Personalaktendaten); andere Unterlagen dürfen in die Personalakte nicht aufgenommen werden. Personalaktendaten dürfen nur für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft verwendet werden, es sei denn, der Beamte willigt in die anderweitige Verwendung ein. Nicht Bestandteil der Personalakte sind Unterlagen, die besonderen, von der Person und dem Dienstverhältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, insbesondere Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten. Kindergeldakten können mit Besoldungs- und Versorgungsakten verbunden geführt werden, wenn diese von der übrigen Personalakte getrennt sind und von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit bearbeitet werden; § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und die §§ 67 bis 78 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberührt.

(2) Die Personalakte kann nach sachlichen Gesichtspunkten in Grundakte und Teilakten gegliedert werden. Teilakten können bei der für den betreffenden Aufgabenbereich zuständigen Behörde geführt werden. Nebenakten (Unterlagen, die sich auch in der Grundakte oder in Teilakten befinden) dürfen nur geführt werden, wenn die personalverwaltende Behörde nicht zugleich Beschäftigungsbehörde ist oder wenn mehrere personalverwaltende Behörden für den Beamten zuständig sind; sie dürfen nur solche Unterlagen enthalten, deren Kenntnis zur rechtmäßigen Aufgabenerledigung der betreffenden Behörde erforderlich ist. In die Grundakte ist ein vollständiges Verzeichnis aller Teil- und Nebenakten aufzunehmen.

(3) 1Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist; dies gilt auch für den Zugang im automatisierten Abrufverfahren. 2Zugang zu entscheidungsrelevanten Teilen der Personalakte haben auch Gleichstellungsbeauftragte, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(4) Der Dienstherr darf personenbezogene Daten über Bewerber, Beamte und ehemalige Beamte nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Fragebogen, mit denen solche personenbezogenen Daten erhoben werden, bedürfen vom 1. Januar 1994 an der Genehmigung durch die zuständige oberste Dienstbehörde.“

Gleichwohl hat sich im Laufe der Zeit die Anforderung herauskristallisiert, dass der Inhalt der Personalakten wahrheitsgemäß und möglichst vollständig Auskunft über die Person des Arbeitnehmers und dessen beruflichen Werdegang im Arbeitsverhältnis Aufschluss geben soll.

Aus diesem Grunde ist unter dem Begriff der Personalakte die Sammlung aller Unterlagen und Schriftstücke, die sich mit der Person eines bestimmten Arbeitnehmers und der Entwicklung seines Arbeitsverhältnisses befassen, zu verstehen.

Der Mitarbeiter hat das Recht zu wissen, welche Daten der Arbeitgeber über ihn gesammelt und zur Akte zusammengeführt hat. Aus diesem Grunde steht ihm das Recht zur uneingeschränkten Einsicht in die ihn betreffenden Aufzeichnungen zu. Diese Einsichtnahme kann auch in Begleitung einer betriebsfremden Person geschehen. Der Anspruch auf die gemeinsam mit dem Betriebsrat vorzunehmende Akteneinsicht ist in den §§ 82, 83 BetrVG geregelt.

Bei der Aufbewahrung hat der Arbeitgeber die entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten.

Nachdem nun ein Anspruch auf Einsicht in die vollständige Personalakte besteht, stand nun das Bundesarbeitsgericht vor der Frage, ob darüber hinaus ein Anspruch dafür besteht, dass der Arbeitgeber die Aktenseiten durchnummerieren muss.

Die hier durchaus berechtigte Frage war die, ob dem Arbeitnehmer bei der Akteneinsicht tatsächlich die vollständige Akte vorgelegen hat oder ob beispielsweise Seiten entfernt oder später hinzugefügt worden sind.

Herr A arbeitet seit 1991 bei der Sparkasse in S beschäftigt. Im März 2004 nahm er Einsicht in seine Personalakte. Hierbei musste er feststellen, dass die darin enthaltenen Unterlagen nicht mit Seitenzahlen versehen waren.

Mit seiner Klage verlangt er die nachträgliche und zukünftige Paginierung seiner Personalakte. Der Arbeitgeber sollte demzufolge verpflichtet werden, die Seiten in der Akte von vorne bis hinten zu nummerieren und neu hinzukommende Seiten entsprechend fortlaufend weiter zu beziffern.

Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die hierauf gerichtete Klage des Herrn A jetzt wie die Vorinstanzen abgewiesen.

Nachdem es keine Regelungen darüber gibt, wie die Akten zu führen sind, entscheidet der Arbeitgeber allein über die Art und Weise seiner Aktenführung.

Das Bundesarbeitsgericht konnte daher keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Paginierung finden. Eine solche Anspruchsgrundlage gibt es nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 110/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Juni 2006 – 10 Sa 665/05 –




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

Kanzlei bei der Hedinger Kirche Josefinenstraße 11/1 72488 Sigmaringen Tel.: 07571/52227 FAX: 07571/50285 Zweigstelle Biere August-Bebel-Straße 26a 39221 Biere Tel.: 039297/23370 Fax.: 039297/23371
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