Archive for the 'Unterhalt' Category

18
Dez
07

Bundesgerichtshof: Keine Obliegenheit des Unterhaltsschuldners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz zwecks Sicherung des Ehegattenunterhalts

Der XII. Senat hat sich jetzt in einem Urteil vom 30.11.2007 der Frage zu stellen gehabt, ob ein Unterhaltsschuldner dazu verpflichet ist, ein Verbraucherinsolvenzverfahren in die Wege zu leiten. Dadurch wäre es möglich, den laufenden Unterhaltsansprüchen einen Vorrang vor den sonstigen Verbindlichkeiten einzuräumen.Für den Kindesunterhalt hatte der BGH diese Frage schon bejaht. Die Entscheidung vom 23. Februar 2005 findet sich im 162 Band der Entscheidungssammlung des BGH ab Seite 234. (BGHZ 162, 234).

Damals vertrat das Gericht die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens dann besteht, wenn durch dieses Verfahren den laufenden Unterhaltsansprüchen der Kinder ein Vorrang eineräumt werden kann. Diese Obliegenheit besteht demnach grundsätzlich, wenn so der Kindesunterhalt gesichert werden kann. Der BGH hatte damals zur Begründung ausgeführt, dass sich diese Verpflichtung aus dem § 1603 Abs. 2 BGB herleiten lasse:

„§ 1603 Leistungsfähigkeit

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) 1Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. 2Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. 3Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.“

Dies wird auch „gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Kindern“ genannt.

Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn nicht dem Kindesunterhalt sondern dem Trennungsunterhalt oder dem nachehelichen Unterhalt ein Vorrang eingeräumt werden soll.

Ob nun auch in dieser Fallkonstellation eine solche Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens besteht, war in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Der BGH hat mit der jetzigen Entscheidung eine solche Obliegenheit verneint. Damit kann der Unterhaltsgläubiger nicht verlangen, dass der Unterhaltsschuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleitet, damit Geldmittel zur Bedienung seiner Unterhaltsansprüche frei werden.

Begründet hat dies das Gericht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen. Eine Obliegenheit zur Einleitung eines solchen Verfahrens berührt nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit. Es war nun also die Frage, ob dieser allgemeinen Handlungsfreiheit, die aus Art. 2 Grundgesetz abzuleiten ist, das Verhältnis der getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, das seinen Schutz aus Art. 6 GG genießt, der Vorrang eingeräumt werden kann – oder eben nicht.

Den Vorrang der persönlichen Handlungsfreiheit hat das Gericht auch aus der Tatsache abgeleitet, dass der Ehegattenunterhalt ein wesentlich geringeres Gewicht hat wie der Kindesunterhalt.

Aufgrund der Tatsache, dass der § 1569 BGB schon in der alten Fassung die Eigenverantwortlichkeit nach der Scheidung als Grundsatz postulierte und deswegen auch keine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, kann keine gesteigerte Unterhaltspflicht erkannt werden.

Hinzu kommt, dass die minderjährigen Kinder schon deswegen besonders schutzbedürftig sind, weil sie nicht in der Lage sind, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen.

Das Gericht hat auch die bereits beschlossenen Änderungen im Unterhaltsrecht, die noch nicht in Kraft sind in seine Überlegungen mit aufgenommen, indem es ausführt:

„Auch im Rang wird der Ehegattenunterhalt den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder nach der vom Gesetzgeber beschlossenen und zum 1. Januar 2008 in Kraft tretenden Unterhaltsrechtsreform (§ 1609 BGB) nachgehen.“

Schließlich rundet eine Billigkeitserwägung die Argumentation des Gerichtes ab. Wenn nämlich die Tilgung von Verbindlichkeiten die Leistungsfähigkeit schmälert, so ist beim Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen regelmäßig um solche handelt, die schon während der ehelichen Lebensgemeinschaft eingegangen wurden. Deswegen hatten sie auch schon die ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten geprägt.

Urteil vom 12. Dezember 2007 XII ZR 23/06

AG Kassel – 540 F 91/03 – Entscheidung vom 7.4.2005

OLG Frankfurt a. M. in Kassel – 2 UF 166/05 -Entscheidung vom 30.11.2005

26
Sept
07

Der Bundesgerichtshof zur Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts

Der XII: Zivilsenat hat sich in zwei Entscheidungen mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, der als Aufstockungsunterhalt zu gewähren ist, zeitlich befristet werden darf.Die Anspruchsgrundlage für den Aufsrockungsunterhalt ergibt sich aus dem §1573 II BGB:

„(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.“

Die Möglichkeit der Befristung ergibt sich aus dem Absatz 5 des § 1573 BGB:

„(5) 1Die Unterhaltsansprüche nach Absatz 1 bis 4 können zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre; dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. 2Die Zeit der Kindesbetreuung steht der Ehedauer gleich.“

Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt verfolgt den Zweck, dass der Lebensstandard des geringer verdienenden Ehegatten gewahrt bleibt. Mit dieser Vorschrift hat sich auch schon das Bundesverfassungsgericht auseinandergesetzt, und zwar in der Entscheidung vom 14.7.1981 mit dem Aktenzeichen – 1 BvL 28/77 u. a. – . Das Ergebnis war, dass diese Regelung verfassungskonform ist.

Der Gesetzgeber hat für diesen Unterhaltsanspruch eine zeitliche Befristungsmöglichkeit vorgesehen. Der Grund hierfür liegt in der Überlegung, dass es im Einzelfall unbillig wäre, unbeschränkt Unterhalt zu gewähren, weil die Teilhabe am ehelichen Lebensstandard aufgrund der Dauer und Art der Ehegestaltung nicht mehr gerechtfertigt wäre.

Gerade die Surrogatrechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat faktisch die Dauer der Unterhaltsgewährung ausgedehnt, so dass dieser Befristungsmöglichkeit ein größeres Gewicht zugewachsen ist.

Nachfolgende Sachverhaltsdarstellungen stammen aus der Pressemitteilung des BGH:

1.

„Die Parteien in dem Verfahren XII ZR 11/05, die beide im Jahre 1960 geboren sind, hatten 1982 die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe sind zwei – 1982 und 1984 geborene – Kinder hervorgegangen. 2001 trennten sich die Ehegatten; ihre Ehe wurde 2004 geschieden. Während ihrer Ehezeit in der früheren DDR gingen beide Parteien einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach. Die Ehefrau verdiente als Bauingenieurin monatlich 690 Mark, während der Ehemann in herausgehobener Stellung monatlich rund 1.000 Mark erhielt. Seit 1992 war die Ehefrau zunächst bei verschiedenen Arbeitgebern, zeitweise nur in Teilzeit, und später selbständig als Bauingenieurin tätig. Inzwischen ist sie im öffentlichen Dienst beschäftigt und erzielt ein Nettoeinkommen von rund 1.400 €. Der Ehemann erzielt als Geschäftsführer monatliche Einkünfte in Höhe von rund 4.850 €. Das Amtsgericht hat den Ehemann zur Zahlung eines monatlichen Aufstockungsunterhalts in Höhe von 1.116 € verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Ehemannes, mit der er eine Befristung des Unterhaltsanspruchs auf die Zeit bis März 2006 begehrte, zurückgewiesen.“

2.

„In dem Verfahren XII ZR 15/05 hatten die 1961 bzw. 1962 geborenen Parteien im Jahre 1982 die Ehe geschlossen, die kinderlos blieb. Nach Trennung im Jahre 2002 wurde die Ehe 2004 geschieden. Der Ehemann erzielt als Zerspanungsmechaniker ein unterhaltsrelevantes Nettoeinkommen von monatlich rund 1.500 €. Die Ehefrau hat während der Ehezeit ihren schwer erkrankten Vater gepflegt und war daneben halbschichtig berufstätig. Seit 2003 arbeitet sie vollschichtig als Kassiererin und erzielt ein unterhaltsrelevantes Monateinkommen von rund 1.000 €. Während der Ehezeit hatte die Ehefrau im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Hausgrundstück im Wert von rund 133.000 € erhalten; mit Rechtskraft der Ehescheidung erhielt sie außerdem einen Zugewinnausgleich in Höhe von 60.000 €. Das Amtsgericht hat den Ehemann zur Zahlung eines monatlichen Aufstockungsunterhalts in Höhe von 164 € verurteilt. Auf die Berufung des Ehemannes hat das Oberlandesgericht die Unterhaltspflicht auf die Zeit bis Juli 2011 befristet. Dagegen richtet sich die – vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision der Ehefrau.“

Im ersten Fall hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, während im zweiten Fall die Revision verworfen wurde.

Das Gericht verwies hier auf seine neueren Rechtsprechung des Senats.

In beiden Fällen lagen vergleichbar lange Ehezeiten von mehr als 20 Jahren vor. Dem Senat zufolge genügte allein die lange Ehedauer vom mehr als 20 Jahren nicht aus, um von einer Befristung abzusehen.

Nachdem im zweiten Falle die Ehe kinderlos geblieben war und die Ehefrau vollschichtig erwerbstätig ist, war der Unterhaltsanspruch zu befristen. Das Gericht verwies hier auch noch auf das Alter der geschiedenen Ehefrau. Das Gericht sah hier bei einem Alter von 42 Jahren keinen Grund, deswegen eine Befristung zu versagen. Weitere Gründe, wie die Pflege des Vaters haben innerfamiliäre Gründe. Die hierdurch entstandenen Nachteile haben folglich keine Ursache in der Ehe. Sie sind deswegen auch nicht unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Das Gericht sah es für gerechtfertigt an, die Ehefrau nach Ablauf der Befristung auf ihre eigenen Einkünfte zu verweisen.

Im ersten Falle hatte das OLG die Befristung abgeleht. Der BGH hat jetzt dem Oberlandesgericht aufgegeben, zu prüfen, ob auch jetzt noch ehebedingte Nachteile vorliegen. Diese könnten aus der Haushaltstätigkeit und der Kindererziehung resultieren.

Wenn solche ehebedingten Nachteile jetzt nicht mehr vorliegen und die Ehefrau eigene Einkünfte erzielt, die sie auch ohne die Ehe erzielen würde, kann es ihr nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf den Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den sie aus ihren eigenen Einkünften erreichen kann, auch wenn der eheliche Lebensstandard ein höherer war.

Dem Oberlandesgericht wurde daher die Prüfung der Frage auferlegt, ob die Ehefrau ohne die Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit während der Ehe heute ein höheres Einkommen erzielen würde.
Eine besondere Rolle spielt hier nach Auffassung des Gerichts die Frage, wie die Ehegatten während der Ehe ihre Erwerbstätigkeit aufgeteilt hatten. Im zu entscheidenden Falle ist deswegen besonders zu berücksichtigen, dass beide Ehegatten während der ersten Hälfte ihrer Ehe voll erwerbstätig waren und die Kinder anderweit betreut wurden.

Urteile vom 26. September 2007 XII ZR 11/05

AG Perleberg – 16 b F 51/02 – Entscheidung vom 10.3.2004 ./.

OLG Brandenburg – 10 UF 87/04 – Entscheidung vom 30.11.2004

und

XII ZR 15/05

AG Siegen – 15 F 1468/02 – Entscheidung vom 4.3.2004 ./.

OLG Hamm – 13 UF 165/04 – Entscheidung vom 10.12.2004

24
Mai
07

Bundesverfassungsgericht: Unterschiedliche Dauer der Unterhaltsansprüche für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt in einem Beschluss vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 9/04 –, der mit 7 : 1 Stimmen ergangen war, zur Frage der Ungleichbehandlung von geschiedenen und ledigen Eltern im Unterhaltsrecht Stellung bezogen. Die Entscheidung des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts fiel auf eine Vorlage des Oberlandesgerichts Hamm hin.

Der Gesetzgeber ist nunmehr verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2008 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung kommen die bestehenden Regelungen allerdings weiter zu Anwendung.

Dieser Beschluss betrifft zwar das Unterhaltsrecht, wie es vor der Reform 2007 Geltung besitzt, die Grundüberlegungen haben auch Auswirkungen auf die – noch immer geplante – Reform. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil der Gesetzgeber nicht willens war, an dieser nun für verfassungswidrig erkannten Konstruktion etwas zu ändern.

Es geht hier jeweils um den Unterhalt, den der Elternteil, der ein gemeinsmes Kind betreut, vom anderen Elternteil verlangen kann.

Die hierzu einschlägigen Normen finden sich, je nach familienrechtilicher Stellung der Unterhaltsberechtigten an zwei unterschiedlichen Stellen im BGB: Da ist zumächst der § 1570 BGB, der den nachehelichen Unterhalt regelt. Dieser ist gemeinsam mit dem § 1569 BGB zu lesen. Der § 1570 BGB bildet nämlich einen Ausnahmetatbestand von dem gesetzlichen Grundmodell, wonach jeder Ehegatte nach der Scheidung für sich selber sorgen müsse.

„§ 1569 BGB Abschließende Regelung

Kann ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften.“

Diese Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht am . 14.7.1981 schon entschieden: – 1 BvL 28/77 u. a. –

Die dem § 1569 folgende Vorschrift ist diejenige, die den Unterhaltsanspruch wegen Kinderbetreuung regelt:

㤠1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.“

Die Rechtsprechung hat nun diese Vorschrift mit Leben erfüllt. Die so genannten unterhaltsrechtlichen Leitlinien der familienrechtlichen Senate an den Oberlandesgerichten gehen übereinstimmend davon aus, dass bis zum Alter eines Kindes von acht Jahren beziehungsweise bis zum Ende seiner Grundschulzeit für den betreuenden Elternteil keine Erwerbsobliegenheit besteht. Erst danach besteht eine Pflicht zur Erwerbsarbeit, wobei diese zunächst nur in Teilzeit zu suchen ist.

Für die nicht miteinander verheirateten Eltern und ihre Kinder hat der Gesetzgeber nun einen gesonderten Abschnitt ins BGB eingefügt, nämlich die §§ 1615 a bis o BGB, wobei die Buchstaben b bis k bereits im Zuge der Kindschaftsrechtsreform 1998 gestrichen wurden:

㤠1615a Anwendbare Vorschriften

Besteht für ein Kind keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1, § 1593 und haben die Eltern das Kind auch nicht während ihrer Ehe gezeugt oder nach seiner Geburt die Ehe miteinander geschlossen, gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit sich nichts anderes aus den folgenden Vorschriften ergibt.“

Während die Kindschaftsrechtsreform die Gleichstellung der nichtehelichen mit den ehelichen Kindern anstrebte, wurde die nun angegriffene Ungleichbehandlung des betreuenden Elternteiles als gerechtfertigt angesehen.

Derjenige Elternteil, der ein nichteheliches Kind betreut, hat nur einen Unterhaltsanspruch nach dem § 1615l BGB:

㤠1615l Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt

(1) 1Der Vater hat der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. 2Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen.

(2) 1Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. 2Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. 3Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt; sie endet drei Jahre nach der Geburt, sofern es nicht insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen.

(3) 1Die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten sind entsprechend anzuwenden. 2Die Verpflichtung des Vaters geht der Verpflichtung der Verwandten der Mutter vor. 3Die Ehefrau und minderjährige unverheiratete Kinder des Vaters gehen bei Anwendung des § 1609 der Mutter vor; die Mutter geht den übrigen Verwandten des Vaters vor. 4§ 1613 Abs. 2 gilt entsprechend. 5Der Anspruch erlischt nicht mit dem Tod des Vaters.

(4) 1Wenn der Vater das Kind betreut, steht ihm der Anspruch nach Absatz 2 Satz 2 gegen die Mutter zu. 2In diesem Falle gilt Absatz 3 entsprechend.“

Die Verpflichtung des anderen Elternteils zur Gewährung von Unterhalt an den betreuenden Elternteil endet gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB im Regelfall spätestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes.

Das Bundesverfassungsgericht stand nun vor der Frage, ob diese beiden unterschiedlichen Regelung der Dauer des Unterhaltsanspruchs eines kinderbetreuenden Elternteils mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Maßstab war hier der Artikel 6 Grundgesetz:

Art 6

„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) 1Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 2Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.“

Hier findet sich im Absatz 5 das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, nichtehelichen Kindern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dadurch wird klargestellt, dass die Schlechterstellung der nichtehelichen Kinder verboten ist. Das Gericht führte hierzu weiter aus, es gehe nicht an, „mit zweierlei Maß zu messen und bei ehelichen Kindern eine erheblich längere persönliche Betreuung für angezeigt zu halten als bei nichtehelichen Kindern.“

Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Frage, wie viel ein Kind an persönlicher elterlicher Betreuung und Zuwendung bedarf, sich nicht danach richte, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist.

Durch die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung von Kindern wird das nichteheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes zurückgesetzt. Durch die bestehende Regelung wird nämlich dem Kind die Möglichkeit genommen wird, ebenso lang wie ein eheliches Kind im Mittelpunkt elterlicher Sorge zu stehen.

Diese unterschiedliche Behandlung sieht das Gericht unter keinem Gesichtspunkt als gerechtfertigt an.

Zunächst werden die verschiedenen sozialen Bedingungen, unter denen die Kinder leben untersucht. Festzustellen ist hierbei, dass sich die tatsächlichen Lebensbedingungen von ehelichen Kindern geschiedener Eltern und nichtehelichen Kindern im Prinzip nur unwesentlich unterscheiden. Maßgeblich ist hierbei, dass der betreuende Elternteil auf die Sicherstellung seines Unterhalts angewiesen ist, wenn er das Kind persönlich betreuen und deshalb keiner Erwerbsarbeit nachgehen kann oder will.

Im Gesetzgebungsverfahren war eine große Bandbreite unterschiedlicher Lebensgestaltungen, die im Gegensatz zu verheirateten Eltern bei nichtverheirateten Eltern anzutreffen seien, angeführt worden.

Diese Argumentation steht aber in direktem Widerspruch zu Art. 6 Abs. 5 GG. Das Grundgesetz bezweckt gerade die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern keine Verantwortung füreinander übernommen haben, mit solchen Kindern, deren Eltern in ehelicher Verbundenheit füreinander und für ihr Kind Sorge tragen.

Auf die Art der elterlichen Beziehung kommt es daher hinsichtlich eines Unterhaltsanspruchs, der wegen der Pflege oder Erziehung eines Kindes gewährt wird, nicht an.

Begründet wird dies damit, dass der Unterhaltspflichtige vom Gesetz deswegen in Anspruch genommen wird, damit das Kind von seinem anderen Elternteil persönlich betreut werden kann. Im Zentrum Überlegung steht daher wiederum das nichteheliche Kind und nicht der unterhaltsberechtigte Elternteil. Folgerichtig sagt dann das Gericht, dasas die Vielgestaltigkeit nichtehelicher Beziehungen nicht zu unterschiedlicher Elternverantwortung gegenüber dem Kind führen darf.

Als weiteres Kriterium wurde sodann die nachwirkende eheliche Solidarität nach der Scheidung geprüft, die bei nicht verheirateten Eltern naturgemäß nicht gegeben sein kann. Diese nachwirkende Solidarität kann zwar durchaus besondere Ansprüche begründen, aber eben nicht die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche rechtfertigen.

Die Ehe geniesst gleichfalls den besonderen Schutz des Artikels 6. Deswegen kann auch grundsätzlich der geschiedene Ehegatte unterhaltsrechtlich zunächst besser gestellt werden als der nicht verheiratete Elternteil. Das Gericht hat dies am Beispiel des § 1573 BGB ausgeführt.

Das Gericht weist aber auf folgendes hin: „Räumt der Gesetzgeber aber dem geschiedenen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch allein wegen der persönlichen Betreuung des gemeinsamen Kindes ein, dann verbietet es ihm Art. 6 Abs. 5 GG, die Dauer der für notwendig erachteten persönlichen Betreuung beim ehelichen Kind anders zu bemessen als bei einem nichtehelichen Kind.“

So sei weder dem Wortlaut des § 1570 BGB noch seiner Entstehungsgeschichte eine über die Kinderbetreuung hinausgehende Ausrichtung des Unterhaltsanspruchs zu entnehmen.

Der Gesetzgeber hat erst später einen Hinweis dahingehend nachgeschoben, dass der Betreuungsunterhalt auch durch den zusätzlichen Schutzzweck der nachehelichen Solidarität begründet sei. Hierfür finden sich aber dem Gericht zufolge keine Anhaltspunkte. Die ausschließlich nach dem Kindesalter bemessene Dauer des Unterhaltsanspruchs aus § 1570 BGB spricht vielmehr gegen die Annahme und Berücksichtigung eines solchen weiteren, die Dauer des Anspruchs bestimmenden Grundes.

Auch die Rechtsprechung richtet die Unterhaltsdauer ausschließlich am Alter der Kinder aus. Das Alter eines Kindes ist demnach sicherlich ein geeigneter Anknüpfungspunkt, um den Bedarf eines Kindes an persönlicher Betreuung durch einen Elternteil zu bestimmen. Das Alter ist aber kein tauglicher Maßstab dafür, zeitlich zu bestimmen, wie lange einem Elternteil nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern wegen seines Vertrauens auf die während der Ehe eingenommene Rolle als Betreuer des Kindes Unterhalt gewährt werden sollte.

Damit differenziert das Gericht erheblich im Hinblick auf die nacheheliche Solidarität. Der geschiedene Ehegatte kann daher keinen Vertrauensschutz wegen dem Alter des Kindes aus der Ehe herleiten. Die kinbezogene Ausgestaltung des § 1570 BGB steht einer solchen weitreichenden Auslegung im Wege.

Das Gericht kommt daher folgerichtig zu dem Schluss: „Aufgrund der Anknüpfung ausschließlich an das Alter des Kindes beruht die unterschiedliche Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt allein auf einer unterschiedlichen Einschätzung des Betreuungsbedarfs von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Dies aber verbietet Art. 6 Abs. 5 GG.“

Nachdem die Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG feststeht, hatte das Gericht noch zu prüfen, ob die Vorschrift des § 1615l BGB nicht ihrerseits das in Art. 6 Abs. 2 geschützte Elternrecht verletzten könnte. Dies hat das Gericht verneint, da die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist.

Dies ist neben den verfassungsrechtlichen Feststellungen eine wichtige Richtungsvorgabe des Gerichtes, gerade im Hinblick auf die Regelungsbedürftigkeit in der Unterhaltsrechtsreform 2007. Die unterhaltsrechtlich gebotene Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern führt daher nicht zwangsläufig zu einer Verlängerung der Unterhaltspflicht für den betreuenden Elternteil.

Das Gericht hat hier wesentliche Argumente angeführt, die so auch in der Diskussion um den § 1570 BGB eine Rolle spielen müssen.

Zum einen liegt es in der Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers, für wie lange er es aus Kindeswohlgesichtspunkten für erforderlich und dem unterhaltspflichtigen Elternteil zumutbar erachtet, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil durch Gewährung eines Unterhaltsanspruchs an diesen zu ermöglichen.

Zum anderen hat er jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz eingeräumt. Damit hat er sichergestellt, dass ein Kind ab diesem Alter in der Regel eine außerhäusliche Betreuung erfahren kann.

Es ist eine vertretbare Einschätzung des Gesetzgebers, wenn er es deshalb nicht für notwendig erachtet hat, den betreuenden Elternteil länger von seiner Erwerbsobliegenheit zu entbinden.

Das Gericht stützt sich hier darauf, dass der Gesetzgeber vielmehr unter Auswertung wissenschaftlicher Studien davon ausgegangen ist, eine Betreuung des Kindes im Kindergarten sei diesem nicht abträglich, sondern fördere wichtige Kompetenzen des Kindes.

Dies dürfte auch nun in der aktuellen Debatte um die frühkindliche Betreuung in Kinderkrippen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Es könnte dann unterhaltsrechtlich durchaus die Obliegenheit gesehen werden, ein vorhandenes Krippenangebot in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig Erwerbsbemühungen zu entfalten. Der in der Diskussion stehende Betreuungsbonus, der bei Kinderbetreuung zu Hause bezahlt wird, wäre dann in diesem Falle voll bedarfsmindernd aber keinesfalls bedarfsprägend einzusetzen. Da aber eine solche Konsequenz letztlich auf eine Sozialisierung von Unterhaltszahlungen hinausliefe, wäre der Gesetzgeber gut beraten, diese Fragestellungen auch im Hinblick auf die anstehende Unterhaltsreform erneut zu überdenken.

Abschließend hat das Gericht noch die verschiedensten Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Gesetzgeber den verfassungswidrigen Zustand beseitigen kann.

Denkbar sind sowohl eine Änderung des § 1615 l BGB, als auch eine Änderung von § 1570 BGB. Es können auch beide Sachverhalte einer Neuregelung unterzogen werden. In jedem Fall muss der Gesetzgeber aber einen gleichen Maßstab hinsichtlich der Dauer des Betreuungsunterhalts bei nichtehelichen und ehelichen Kindern zugrunde zu legen.

Beschluss vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 9/04 –

01
Mär
07

BGH: Befristung von Aufstockungsunterhalt

Der BGH hat am 28.02.2007 nun ein Urteil gefällt, das auch im Hinblick auf die zu erwartende Unterhaltsrechtsreform weitreichende Konsequenzen haben dürfte. Ging es hier doch um die Frage, ob und wie der Unterhalt befristet werden kann. Nachdem nun im Entwurf des neuen Unterhaltsrechtes weitergehende Befristungs- und Beschränkungsmöglichkeiten vorgesehen sind, dürfte das jetzt ergangene Urteil für die Anwendung des neuen Rechtes durchaus interessante Aspekte beigesteuert haben.

Die Parteien des Rechtsstreites waren 13 Jahre miteinander verheiratet, die folgenden 20 Jahre trafen sie sich immer wieder vor dem Gericht:

1973 wurde geheiratet, 1986 wurde geschieden, dazwischen, nämlich 1975 und 1977 kamen zwei Kinder zur Welt. 1987 wurde dann der nacheheliche Unterhalt durch gerichtlichen Vergleich geregelt: demzufolge bezahlte der Ehemann an die geschiedene Ehefrau monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.610 DM. Außerdem erhielt sie das Alleineigentum an der zuvor als Ehewohnung genutzten Doppelhaushälfte.

Im selben Jahr heiratete der Mann ein zweites Mal. Er ist Beamter, demnach hatte die neuerliche Hochzeit doppelte Auswirkungen auf sein Einkommen, einerseits wegen dem Splittingvorteil aus der neuen Ehe, andereseits, weil der Staat seinen Beamten Familienzuschläge gewährt. Die Tatsache, dass sich der Familienstand geändert hat, erhöht deswegen dem Beamten direkt das Bruttoeinkommen.

Die Kinder wurden älter – und deswegen nahm die Ehefrau eine Halbtagesstelle an, das war 1990. Man traf sich daher in einem erneuten Unterhaltsprozess, klagte auf Abänderung nach § 323 ZPO – und verglich sich wieder – auf monatlich 1.000 DM.

Tempora mutandur – et nos mutandamos in illis : 1995 arbeitete die Frau dann Vollzeit. Als kaufmännische Angestellte erhielt sie eine angemessene Vergütung.

Das Spiel begann von neuem – 323 ZPO hilft weiter. Nur wurde dieses Mal nicht verglichen, auch mit der Entscheidung des Familiengerichts war man nicht einverstanden – das OLG entschied und reduzierte den Unterhaltsanspruch weiter auf nunmehr monatlich rund 825 DM.

Also annähernd eine Halbierung in 8 Jahren.

Aber es war noch nicht vorbei, die Gerichte entwickelten das Unterhaltsrecht fort, und beide Parteien suchten darin für sich einen Vorteil zu finden:

Die Ex-Ehefrau hatte die Surrogatrechtsprechung des BGH für sich in Anspruch genommen. ( BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986) Demnach ist die nach der Scheidung aufgenommene Berufstätigkeit ein Ersatz für die Haushaltsführung und Kindererziehung während der Ehe und deswegen bedarfsprägend in die Bedarfsermittlung einzustellen. Davor war das anders. Da wurde das erzielte Einkommen dann bedarfsdeckend abgezogen, bei der Bedarfsermittlung aber überhaupt nicht eingestellt. Die Folge hiervon war, dass die Haushaltstätigkeiten überhaupt nicht berücksichtig worden waren. Und die letzte Entscheidung des OLG war ja noch davor gefällt worden. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hätte es mehr Unterhalt geben müssen.

Der Ex-Ehemann hingegen führte die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2003, 1821) und des Bundesgerichtshofs an. Demzufolge darf der steuerliche Splittingvorteil aus seiner zweiten Ehe und sein Familienzuschlag als Beamter nicht für die Bemessung des Unterhalts seiner geschiedenen Ehefrau herangezogen werden. Aber das war geschehen – und sollte demzufolge rückgängig gemacht werden.

Außerdem verlangte er nun eine Befristung des Aufstockungsunterhaltes.

Er argumentierte, seine geschiedene Ehefrau sei ja schließlich inzwischen durch ihr eigenes Einkommen und ihre, inzwischen nahezu lastenfreie, Doppelhaushälfte hinreichend abgesichert. Er müsse nun überhaupt nichts mehr zahlen. Dem folgte das OLG insoweit, als dass es den Unterhalt zeitlich auf 31.12.2006 befristete.

Der XII: Senat hat die Entscheidung hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsanspruchs aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen;

Hinsichtlich der Befristung hat er die Entscheidung jedoch gebilligt.

Grundsätzlich gilt nach der Scheidung, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist:

„§ 1569 Abschließende Regelung
Kann ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften“

Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, auch wenn er wieder voll berufstätig ist, Aufstockungsunterhalt in Höhe der Differenz seiner eigenen Einkünfte zu dem Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen verlangen:

„1573 Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.“

1986 – also im Jahr der Scheidung – wurde der § 1573 Abs. V BGB eingeführt:

„(5) 1Die Unterhaltsansprüche nach Absatz 1 bis 4 können zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre; dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. 2Die Zeit der Kindesbetreuung steht der Ehedauer gleich.“

Das heisst im Klartext, dass dieser Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB zeitlich begrenzt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass ein unbefristeter Anspruch auf Aufstockungsunterhalt unbillig wäre. Hierbei ist insbesondere unter Berücksichtigung sowohl der Dauer der Ehe als auch der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit bedeutsam.

Von dieser Befristungsmöglichkeit wurde bislang nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Ihre Bedeutung ist aber im Zuge der Surrogatsrechtsprechung gewachsen.

Der Senat hat entschieden, dass es dem Unterhaltsberechtigten zumutbar sein kann, sich nach einer Übergangszeit mit dem Einkommen zu begnügen, das er ohne die Ehe durch eigenes Erwerbseinkommen hätte und jetzt auch erzielt.

Das gilt nur dann nicht, wenn die Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und dem Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen einen ehebedingten Nachteil darstellt, den es auch weiterhin auszugleichen gilt.

Wichtig ist nun, dass der Ehedauer und der Dauer der Kindererziehung bei derFrage nach der Befristung zwar erhebliches Gewicht, aber keine allein entscheidende Bedeutung zukommt. Es müssen vielmehr alle relevanten Umstände abgewogen werden.

Hierzu gehört auch die Beantwortung der Frage, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte inzwischen durch eigenes Einkommen und Vermögen dauerhaft abgesichert ist.

Außerdem ist zu prüfen, ob der Unterhalt begehrende Ehehgatte auch allein mindestens einen Lebensstandard erreicht hat, den er ohne die Ehe erreicht hätte.

Hier kommen nach der Anrechnungsmethode des § 1573 Abs. 5 S 2 zu den 13 Ehejahren noch ca. 7 Jahre der Kinderbetreuung. Hier hat der BGH nun trotz einer anzunehmenden 20-jährigen Anrechnungszeit im vorliegenden Fall das Vorliegen der ausschliessenden Gründe festgestellt. Daher habe das OLG den Unterhalt zu Recht befristet.

Urteil vom 28. Februar 2007 XII ZR 37/05

AG Hamm – Entscheidung vom 18.02.2004 – 3 F 150/02 ./. OLG Hamm – Entscheidung vom 14.01.2005 – 11 UF 59/04

01
Mär
07

BGH: Kindesuntehalt und Wechselmodell

Immer häufiger kommt es vor, dass Eltern nach der Trennung sich die Erziehung der Kinder teilen. Das Wechselmodell ist zwischenzeitlich auch wissenschaftlich begleitet und evaluiert worden. Unter der Überschrift „Beide Eltern den Kindern“ zieht so eine neue Realität in die Ausübung der elterlichen Sorge und die Wahrnehmung der hierus erwachsenden Pflichten ein.

Problematisch wird das Ganze, wenn nun das Wechselmodell mit den Ansprüchen auf Kindesunterhalt zusammentrifft.

Das Unterhaltsrecht geht nämlich davon aus, dass das Kind einen Bedarf an Betreuung und Erziehung und einen solchen an Finanzmitteln hat. In der „intakten“ Familie steuern das beide Elternteile nach ihren Kräften bei.

In der Trennungssituation fällt dieses normalerweise auseinander, und so hat der Gesetzgeber postuliert:

„1612a Art der Unterhaltsgewährung bei minderjährigen Kindern
(1) Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung verlangen.“

Der andere Elternteil erbringt seine Unterhaltsleistungen durch so genannten Naturalunterhalt, eben die beschriebenen Erziehungs- und Betreuungsleistungen.

Beim Wechselmodell fällt nun aber gerade diese klare Trennung der Betreuung und der Zahlungspflicht weg – jeder Elternteil betreuut idealerweise die hälftige Zeit. Wer zahlt nun wieviel Unterhalt – und wie bemisst sich hier der Unterhaltsbedarf?

Diese Fragen hatte der BGH in einem jetzt entschiedenen Fall zu beantworten:

Die Familie A besteht aus 5 Personen. Die Eltern leben getrennt, die älteste Tochter ist zwischenzeitlich 20 Jahre alt, außerdem sind da noch zwei Mädchen, die Zwillinge, diese sind 1991 geboren.

Die Eltern haben sich hinsichtlich der Betreuung der Kinder auf ein Wechselmodell verständigt, wobei dieses nicht in Reinform praktiziert wird. Die elterliche Sorge üben sie gemeinsam aus.

Die älteste Tochter lebt nämlich überwiegend beim Vater, die beiden Jüngeren mehr bei der Mutter. Hierbei verhält es sich aber so, dass die Mädchen von Mittwochabend bis Montagmorgen beim Vater leben, am Montag zuerst die Schule besuchen und danach in den Haushalt der Mutter wechseln, wo sie dann bis zum Mittwochabend der darauffolgenden Woche verbleiben. Die Schulferien sind zwischen den Eltern hälftig aufgeteilt.

Das führt dazu, dass auf den Vater rechnerisch ein Betruungsanteil für die Zwillinge von 36 % entfällt.

Das ist mehr, als gemeinhin für Umgangskontakte angesetzt wird.

In dem nun entschiedenen Verfahren nahmen die Zwillinge ihren Vater auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.

Das Familiengericht hat den Vater zur Zahlung von je EUR 142,00 monatlich im Voraus verurteilt.

Das Oberlandesgericht hat sich das vereinbarte Wechselmodell näher angesehen und kam zu dem Ergebnis, dass beide Elternteile den Zwillingen gegenüber barunterhaltspflichtig seien. In strikter Anwendung der oben zitierten Vorschrift.

Das hat Auswirkungen auf die Berechnung des Unterhaltsbedarfes:

„§ 1610 Maß des Unterhalts
(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.“

Nun haben die Kinder keine eigene Lebensstellung erreicht, sondern leiten diese von den Eltern ab.
Hieraus folgt nun, dass der Unterhaltsbedarf aus den Einkommen beider Eltern zu bestimmen ist, dass also sowohl das Einkommen der Mutter als auch das des Vaters zusammengerechnet werden müssen. Hinzu kommt dann noch, dass wegen der beiden Wohnungen auch noch die erhöhten Wohnkosten beim Vater bedarfsprägend in die Berechnung einzustellen sind.

Dieser Bedarf ist dann anteilig entsprechend der Einkommensverhältnisse der Eltern unter ihnen aufzuteilen.

Damit ist aber erst die Hälfte der Berechnung geschafft:

Naturalunterhalt und Barunterhalt sind gleichwertig zu betrachten: Daher sind die im ersten Schritt ermittelten Anteile um den Betrag zu kürzen, der auf die jeweils auf den Elternteil entsprechenden Betreuungsleistungen entfällt. Nur der die Betreuungsleistung übersteigende Betrag kann als Barunterhalt verlangt werden.

Aus diesem Grunde schuldet nach Ansicht des OLG der Vater keinen höheren Unterhalt als wie vom Amtsgericht ausgeurteilt.

Der Vater ging hiergegen in Revision – und hatte damit keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshofs hat nämlich festgehalten, dass nur dann über eine andere Verteilung sich Gedanken gemacht werden müssen, wenn tatsächlich sich die Betreuungsanteile in etwa die Waage halten.

Dies sei hier bei einer errechneten Quote von 2/3 zu 1/3 noch nicht der Fall. Von daher verbleibt es nach dem BGH auch hier bei dem Grundsatz, dass der Elternteil, der in der Erziehung und Betreuung die Hauptverantwortung trägt, seiner Unterhaltspflicht durch die Gewährung von Naturalunterhalt nachkommt.

Der andere Elternteil ist dann alleine barunterhaltspflichtig. Der Bedarf hierfür errechnet sich aus den Einkommens- und Vemögensverhältnissen dieses Elternteiles.

So hat das Gericht ausgeführt: „ Diese Aufteilung von Bar- und Betreuungsunterhalt ist so lange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt, dieser mithin die Hauptverantwortung für ein Kind trägt. Das ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn sich ein Kind im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts bei einem Elternteil aufhält und sich die Ausgestaltung des Umgangs bereits einer Mitbetreuung annähert.“

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, müssen mehrere Gesichtspunkte betrachter werden. Der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung kommt hier freilich indizielle Bedeutung zu. Die Beurteilung beschränkt sich aber nicht hierauf allein. Das heisst, dass in der Praxis der Einzelfall genau betrachtet werden muss, die Abmessung nur nach reiner Zeitabrechnung wird der tatsächlich anfallenden Betreuungsleistung nicht gerecht.

Abschließend hat das Gericht noch darauf hingewiesen, dass im Falle der Berechnung der hier klagenden Kinder die Betreuungsleistung hinsichtlich der älteren Schwester nicht zu beachten ist.

Dies ergibt sich schon aus der Systematik des Unterhaltsrechtes, wonach jedes Kind einen eigenen Anspruch gegen die Eltern hat – unabhängig erst einmal von den Ansprüchen der Geschwister.

Für die ältere Schwester erbrachte der Vater also Naturalunterhalt – wenigstens bis sie 18 war, das Verfahren ging ja nun ein paar Jahre – die Mutter war hier barunterhaltspflichtig. Eine wie auch immer geartete Verrechnung mit den anderen Ansprüchen ist nicht möglich.

Urteil vom 28. Februar 2007 – XII ZR 161/04

AG Bamberg – Entscheidung vom 4.12.2003 – 1 F 1176/03 ./. OLG Bamberg – Entscheidung vom 27.7.2004 – 2 UF 25/04

19
Jan
07

Patchworkfamilien: Der BGH schafft mehr Klarheit im Unterhaltsrecht

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung zum Unterhalt einer Ehefrau, die ein eheliches und ein nichteheliches Kind betreut, geäußert.

Die familiäre Situation war im vorliegenden Falle nicht ganz einfach – wenn man die unterhaltsrechtlichen Beziehungen untereinander betrachtet.

Da ist zunächst Frau A. Sie ist mit Herrn A verheiratet – immer noch, obwohl die Eheleute sich schon vor Jahren getrennt haben. Aus der Ehe ist der Sohn S hervorgegangen. Dieser lebt bei seiner Mutter. S ist 1994 geboren.

Nach der Trennung ist Frau A eine nichteheliche Verbindung mit Herrn B eingegangen. Mit ihm hat sie einen weiteren Sohn – den T, welcher im Jahre 2001 das Licht der Welt erblickte. Auch diese Beziehung ist zwischenzeitlich beendet.

Frau A geht keiner Erwerbstätigkeit nach, da sie die beiden Kinder betreut.

Herr A ist zwischenzeitlich auch eine neue Beziehung eingegangen. Mit Frau C hat er eine im Jahre 2002 geborene Tochter U.

Für die unterhaltsrechtliche Würdigung sind immer noch die Einkommensverhältnisse bedeutsam.

Herr A, der Ehemann verdient netto ca. EUR 1.840,00, Herr B hat ein Einkommen von EUR 1.630,00 netto im Monat.

Die Kinder erhalten Unterhaltszahlungen von ihren Vätern.

Streitig war nun, von wem Frau A wieviel an Unterhalt zu bekommen hat.

Hier prallen zwei Anspruchsgrundlagen aufeinander, die völlig verschiedene Voraussetzungen haben.

So zum einen der § 1361 BGB, der den Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten regelt: “Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen…“

Grundlage der Berechnung sind hier also die ehelichen Lebensverhältnisse sowie die Einkommens-und Vermögenssituation.

Der Vater des nichtehelichen Kindes T haftet aus einem anderen Grunde : § 1615 l BGB. Nicht nur, dass dieser Unterhaltsanspruch für gewöhnlich auf drei Jahre begrenzt ist, er nimmt auch keine Rücksicht darauf, ob das Kind einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entstammt, die für außenstehende Dritte durchaus den Eindruck einer Ehe vermittelt, also einer eheähnlichen Gemeinschaft – oder aber ob das Kind aus keiner längerfristigen Beziehung hervorgegangen ist.

Die Berechnungsgrundlage ist daher entsprechend dem Verwandtenunterhalt zu ermitteln. Auf keinen Fall richtet sie sich aber nach den Lebensverhältnissen oder den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Denn schließlich kommt es bei dieser Vorschrift gar nicht darauf an, ob jemals eine solche bestanden hat.

Der Anspruch der Berechtigten Frau A richtet sich ausschließlich nach deren Lebensstellung. Das ergibt sich aus § 1615 l B in Verbindung mit § 1610 B.

Doch wie errechnet sich die Lebensstellung der Frau A ?

Das OLG hatte einen Mindestbedarf von EUR 730,00 für Frau A angenommen und diesen sowohl in die Berechnung hinsichlich der Verpflichtung von Herrn A als auch von Herrn B eingesetzt. Weiter hat es in die Überlegung mit einbezogen, dass der Betreuungsaufwand für beide Söhne gleich anzusetzen wäre und kam daher – auch aufgrund der in etwa gleichen Einkommensverhältnisse nach Bereinigung durch die Zahlungen von Kindesunterhalt zu einer hälftigen Aufteilung.

Für den Selbstbehalt hatte das OLG EUR 840,00 für den Ehemann Herrn A und EUR 1000,00 für Herrn B angesetzt.

Die Revision zum BGH war nun erfolgreich, die Sache wurde an das OLG zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Der BGH bleibt dabei, dass mehrere unterhaltspflichtige Väter anteilig für den Unterhaltsbedarf haften, der durch die Betreuung der Kinder besteht. Hierfür zieht der BGH in ständiger Rechtsprechung den § 1606 III S1 BGB heran. Diese Vorschrift spricht zwar von Verwandten : „(3) 1Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.“ – und die Väter sind in den seltensten Fällen miteinander verwandt. Da die Kinder aber über die Mutter miteinander verwandt sind, nimmt das Gericht an, dass hier eine analoge Anwendung geboten sei.

Der BGH hat nun ausgeführt, dass die Lebensstellung der Frau A sich daher gleichfalls nach den Lebensverhältnissen der Ehe mit Herrn A. Es kommt eben nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Herrn B an sondern darauf, in welchen Verhältnissen die Mutter bisher gelebt hatte. Der BGH hält dies auch dann für maßgeblich, wenn diese ehelichen Verhältnisse zu einem Unterhaltsbedarf führen, der unterhalb des Mindestbedarfes liegt. Das Argument des BGH ist, dass der Vater des nichtehelichen Kindes die Mutter nicht besser zu stellen braucht, als es deren Lebensstellung entspricht.

Außerdem hat das Gericht die Festsetzung des Selbstbehaltes in Höhe von EUR 1000,00 bemängelt.

Der Bedarf ist nun geringer anzusetzen, der Selbstbehalt des Herrn B ist aber zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt anzusiedeln. Diese Selbstbehalte lagen damals bei EUR 840,00 bzw. bei EUR 1000,00. Er dürfte in etwa in der Mitte, also bei EUR 920,00 anzusiedeln sein. Der BGH hat aber auch darauf hingewiesen, dass er nur die Richtung vorgibt, die Bemessung des Selbstbehaltes ist Aufgabe des Tatrichters. Das OLG wird daher erneut über die Sache zu entscheiden haben.

Trotzdem gibt das Urteil mehr Klarheit für die Berechnung in patchwork-Situationen.

Urteil vom 17. Januar 2007 – XII ZR 104/03

AG Obernburg – 2 F 465/00 – Entscheidung vom 4.12.2001 ./. OLG Bamberg – 2 UF 6/02 – Entscheidung vom 24.4.2003

18
Jan
07

BGH: § 1612b V BGB ist für privilegierte volljährige Kinder nicht anwendbar.

Der XII. Zivilsenat des BGH hatte sich in einer weiteren Entscheidung mit der Kindergeldanrechnung zu befassen. Ausgangspunkt der Fragestellung ist, wie das Kindergeld auf den jeweiligen Unterhaltsanspruch anzurechnen ist. Bei minderjährigen Kindern wird es in ständiger Rechtsprechung zu gleichen Teilen auf den Barunterhalt und auf den Betreuungsunterhalt angerechnet. Der BGH hatte weiter entschieden, dass bei volljährigen Kindern das Kindergeld voll auf den verbleibenden Barunterhalt anzurechnen ist. Dies steht in der Entscheidung BGHZ im 164 Band auf Seite 375.

Für die Kindergeldanrechnung hat sich der Gesetzgeber darüber hinaus noch etwas besonderes einfallen lassen: Den § 1612b Absatz 5 BGB. Das Ziel des Gesetzgebers war, das Kindergeld bis zur Erreichung eines Existenzminimums zunächst zur Bedarfsdeckung zu verwenden.

Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„(5) Eine Anrechnung des Kindergelds unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.“

Demnach konnte erst mit Unterhaltszahlungen ab der Gruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle der hälftige Kindergeldbetrag abgezogen werden und für die weitere Entlastung des unterhaltsverpflichteten Elternteils eingesetzt werden.

Problematisch war es nun, wie sogenannte privilegierte volljährige Kinder zu behandeln sind. Diese sind unterhaltsrechtlich weder das eine noch das andere. Die Definition hierfür steht im § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB. Es sind demzufolge Kinder, die zwar volljährig aber noch keine 21 Jahre alt sind und die sowohl noch im Haushalt eines Ehegatten leben als auch sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Der Gesetzgeber hat dem Umstand Rechnung getragen, dass in vielen Fällen die Schulausbildung erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres stattfindet, diese Kinder in aller Regel noch keinen eigenen Haushalt haben und daher nicht wie Volljährige behandelt werden können. Andererseits fällt bei Volljährigen der Betreuungs- oder Naturalunterhalt naturgemäß weg.

Die Behandlung dieser Kinder bei der Frage der Kindergeldanrechnung war in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Diese Vorschrift ist eigentlich dem Wortlaut nach für minderjährige Kinder gedacht. Der Grund für die Beschränkung liegt im Bezug zur Regelbetragsverordnung. Denn die Vorschrift stelltfür die Bemessung des Existenzminimums auf 135 % des Regelbetrags ab. Einen Regelbetrag für Volljährige gibt es aber nicht. Eine direkte Anwendung scheidet daher aus.

Der BGH hatte daher die Möglichkeit zu prüfen, ob eine analoge Anwendung in Frage kommen könnte. Analogie ist nur dann möglich, wenn eine planwidrige Lücke besteht.

Wenn diese Vorschrift auf die volljährigen aber privilegierten ausgedeht wird, könnte es durchaus der Fall sein, dass diesen eine weitere Privilegierung zugute kommt.

Das Gericht ging zunächst von den Grundzügen des Unterhaltsrechts für volljährige Kinder aus. Für den Barunterhalt haften beide Elternteile entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Hieraus folgt, dass es nicht möglich ist, dass das Existenzminimum durch den Unterhaltsanspruch gegen einen Elternteil gesichert wird.

Die Vorschrift ist auf den Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder daher auch nicht entsprechend anwendbar.

Abschließend schrieb das Gericht dem Gesetzgeber deutliche Worte in die Entscheidung. Seit der Einführung dieser Vorschrift waren massive Bedenken und heftige Kritik an dieser Konstruktion laut geworden. Der XII. Zivilsenat stellte nun fest, dass „die Vorschrift des § 1612 b BGB nach der Rechtsprechung des Senats dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Normenklarheit ohnehin immer weniger gerecht geworden ist.“

Auch diese Einschätzung stand der entsprechenden Anwendung entgegen.

Zur Sicherung des Existenzminimums hat das Gericht auch schon einen Ausblick auf die zu erwartende Unterhaltsrechtsreform zum 01.07.2007 geworfen.

Urteil vom 17. Januar 2007 XII ZR 166/04

AG Nürnberg – 101 F 68/04 – Entscheidung vom 27.5.2004 ./. OLG München – 7 UF 2116/04 – Entscheidung vom 29.7.2004




Rechtsanwalt und Mediator Roland Hoheisel-Gruler

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